rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Quelle: dpa/Christoph Soeder

Streit in der Berliner Koalition

Scheeres weist Forderungen nach früherer Schulöffnung zurück

In Brandenburg sollen Grundschüler ab Montag wieder zur Schule gehen - Berlin aber bleibt bis zu den Ferien beim Wechselunterricht. Schulsenatorin Scheeres trotzt dabei auch Widerstand aus den eigenen Reihen. Von Christoph Reinhardt

Die vielgescholtene SPD-Schulsenatorin Sandra Scheeres öffentlich zu kritisieren, gehört zu den Standard-Übungen im Berliner Politikbetrieb. Und so war es nicht überraschend, als CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner per Pressemitteilung ausrichten ließ, dass er den Streit um die Rückkehr zum Regelbetrieb an den Schulen unverantwortlich finde. "Berlins Schulen müssen schnellstmöglich geöffnet werden", so Wegner, und zwar vor den Sommerferien.

Dann schlug auch die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch in die gleiche Kerbe: Zumindest den Grundschülern solle regulärer Unterricht noch vor den Ferien ermöglicht werden, forderte sie von ihrer Koalitionspartnerin Scheeres. Und selbst SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey übermittelte ihrer Parteifreundin kaum rücksichtsvoller via "Berliner Morgenpost" den Wunsch, "die Entscheidung zu überdenken". Selbst ein paar Tage Regelunterricht vor den Sommerferien seien das wert.

Mehr zum Thema

Giffey für frühere Öffnung

Berliner Politik streitet über Schulöffnung vor den Ferien

In Brandenburg dürfen die Grundschüler schon kommende Woche wieder in die Schulen zurück, Berlin hat bisher Wechselunterricht bis zu den Sommerferien verordnet. Doch die Stimmen für eine frühere Öffnung der Schulen mehren sich - auch SPD-Spitzenkandidatin Giffey ist dafür.

Drei Spitzen vs. Schulsenatorin

Schulsenatorin Scheeres aber zeigte an Donnerstag im Bildungsausschuss ihre Nehmerinnen-Qualitäten. Statt zurückzurudern legte sie sich voll in die Riemen, um die populären Forderungen ihrer Kritiker noch zu übertreffen - nur in eine andere Richtung. Angesichts sinkender Inzidenzen müsse in der Tat mehr ermöglicht werden, so Scheeres. "Dass Kinder in ganzen Klassen zusammenkommen, ist mir sehr, sehr wichtig." Zumindest in den letzten zwei Wochen des kurzen Rest-Schuljahrs sollten die Kinder Unterricht deswegen auch "draußen" erleben: gemeinsamer Sport im Freibad, Biologieunterricht im Botanischen Garten, Exkursionen an der Berliner Mauer zum Beispiel, gerne auch Klassenfeste und Feiern im Freien, um den sozialen Zusammenhalt zu festigen.

Explizit nicht gemeint war damit aber Unterricht mit 30 Personen in einem Klassenraum: Die Schulleitungen würden sehr verantwortungsvoll dafür sorgen, versprach Scheeres, dass die Kinder sich auf jeden Fall vor den Ferien noch treffen würden. Doch die Rückkehr zum vollen Präsenzunterricht, wie nun für Brandenburgs Grundschulen beschlossen, werde es in Berlin wie geplant erst nach den Sommerferien geben.

Mehr zum Thema

Wechselunterricht in Berlin

Bildungsverwaltung stellt mehr Aktivitäten im Klassenverband in Aussicht

Scheeres hat die Schulen auf ihrer Seite

Ihre Entscheidung sei das Ergebnis der Diskussionen im Landesschulbeirat, sagte Scheeres. Dort sind unter anderem die Interessenvertretungen der Schüler, Eltern, Schulleitungen und Beschäftigten vertreten. Sie setzen auf gründliche Vorbereitungen des nächsten Schuljahrs und möglichst viel Präsenztage für alle Schulkinder - aber weiterhin nur im Wechselbetrieb. Wichtiger als ein kurzfristiger Regelbetrieb sei eine umfangreiche Notbetreuung und eine umfassende Lernstandserhebung, um Bildungslücken noch vor den Sommerferien zu erkennen.

Volle Unterstützung bekam die Schulsenatorin dabei von den Linken. Deren Fachpolitikerin Regina Kittler wies darauf hin, dass die Inzidenz bei Schülern die höchsten aller Bevölkerungsgruppen sei, gleich gefolgt von ihren Eltern. Auch gegenüber den Lehrkräften sei es unverantwortlich, kurzfristig mit dem Regelbetrieb zu beginnen. Denn vor allem an den weiterführenden Schulen seien nur ganz wenige von ihnen voll geimpft. Dies werde sich über die Sommerferien ändern. Deutlich besser sieht es allerdings an den Grundschulen aus: Nach Angaben der Bildungsverwaltung sind dort inzwischen 78 Prozent des Personals geimpft.

Mehr zum Thema

Bund will 6,4 Mio. Impfdosen reservieren

Kinder sollen bei Impfstoff-Zulassung ab 7. Juni geimpft werden können

Ab 7. Juni sollen Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren geimpft werden können - sofern ein Impfstoff zugelassen ist. Das ist das Ergebnis des Impfgipfels von Bund und Ländern. Die gute Nachricht kam allerdings mit einem Dämpfer: Impfstoffmangel bleibt ein Problem.

Streit um Impfung der Kinder

Leidenschaftlich diskutierte der Bildungsausschuss auch die Frage nach Impfungen für Schüler. Ob diese angesichts der Datenlage zu empfehlen seien, müssten Ärzte und Wissenschaftler beurteilen, sagte Scheeres. Eine eigene Positionierung lehnte sie deswegen ab, zeigte sich aber offen: "Wenn die Fachleute das empfehlen, warum sollten wir Nein sagen?" Für die Rückkehr der Schulen zum Regelbetrieb nach den Sommerferien werde die Impfung aber keine Rolle spielen. Der Präsenzbetrieb werde auf jeden Fall auch für ungeimpfte Kinder greifen, stellte sie auf Nachfrage der AfD klar. Eine Impfpflicht sei weder für die Lehrkräfte noch die Kinder sinnvoll, allein deren Eltern müssten die Entscheidung für oder gegen eine Impfung treffen.

Sollte tatsächlich, wie erhofft, genügend zugelassener Impfstoff zur Verfügung stehen, müsse er so schnell wie möglich genutzt werden, sagte Scheeres. Impfungen im Klassenverband vor Ort an den rund 1.000 Schulen, die der FDP-Bildungsexperte Paul Fresdorf angeregt hatte, sieht sie aber skeptisch. Mit den Impfzentren stehe eine bewährte Struktur zur Verfügung. Die Entscheidung für den besten Weg müsse aber letztlich die Gesundheitssenatorin treffen, sagte Scheeres.

Zumindest in diesem Punkt hatte Scheeres die Koalitionspartner an diesem Tag hinter sich. Auch die grüne Bildungspolitikerin Marianne Burkert-Eulitz lehnte Impfeinsätze an den Schulen ab. Bei Minderjährigen müssten nämlich die Eltern anwesend sein, auch damit die Familie von Ärzten aufgeklärt werden können. Das aber sei in den Schulen nicht umsetzbar.

Sendung: Inforadio, 27.05.2021, 17:15 Uhr

Beitrag von Christoph Reinhardt

Artikel im mobilen Angebot lesen