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Audio: Inforadio | 27.08.2021 | Kirsten Buchmann | Quelle: dpa/Guido Kirchner

Lernstandserhebungen an Berliner Schulen

"Vor allem die schwachen Kinder sind schwächer geworden"

Lernen in der Corona-Pandemie - an den Schulen dauert das schon mehr als ein Jahr. Momentan führen sie daher in den Klassen sogenannte Lernstandserhebungen durch. Die sollen zeigen, wie groß die Lücken mittlerweile sind. Von Kirsten Buchmann

Im Computerraum einer Moabiter Grundschule klicken die Kinder jeweils an: Ziege - ist das ein Tierwort? Ja oder Nein? Weiter geht es mit anderen Begriffen, zum Beispiel Glocke, Handtasche oder Abenteuer. Die Leiterin der Moabiter Grundschule Undine Zeibig erklärt: "Die Kinder setzen sich für ein Fach eine halbe bis eine Unterrichtsstunde dran." Sie zeigt auf ein Din-A4-Blatt mit einem ausgedruckten Ergebnis und sagt: "Man bekommt alles ausgewertet, übersichtlich und vergleichbar."

Ihre Schule mit rund 400 Kindern hat in der ersten Schulwoche mit den Lernstandserhebungen in Mathe und Deutsch begonnen. Undine Zeibig sieht inzwischen eine Tendenz: "Es sind vor allem die schwachen Kinder schwächer geworden, weil es mit dem Lernen zu Hause nicht funktioniert hat", sagt sie.

Schulen in Berlin

Millionenschweres Aufholprogramm soll Lernlücken schließen

Lernrückstände bei den Jüngeren groß

Nach und nach absolvieren die Kinder ab der zweiten Klasse im Computerraum die Tests. Sie haben online vorab eine Einführung bekommen, wie sie dafür Maus und Tastatur verwenden. Für die Jüngsten ist manches trotzdem schwer, wie etwa Buchstaben und Zahlen zu finden oder Wörter großzuschreiben.

Gerade auf die Kinder, die im vergangenen Sommer eingeschult worden waren, habe es sich ausgewirkt, dass sie wegen der Corona-Pandemie lange keinen Unterricht in der Schule hatten, meint die stellvertretende Rektorin Ilona Vogt. Sie unterrichtet in einer Klasse Deutsch: "Dort können wir feststellen, dass die Hälfte der Kinder, die im letzten Jahr in die Schule gekommen sind, erhebliche Lernrückstände aufweist."

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Aufholprogramm soll Rückstände ausbügeln helfen

Im Schnitt gehe es an ihrer Schule pro Klasse um ein bis zwei Kinder mit größeren Lücken, bilanziert Undine Zeibig. Die Kinder werden im Unterricht nun ihrem Lernstand und Tempo entsprechend gefördert. Gerne würde die Schulleiterin auch schon Mittel aus dem Programm "Stark trotz Corona" einsetzen, um mit zusätzlichen Mitarbeitern Kindern in kleinen Gruppen zu helfen - berlinweit geht es laut der Bildungsverwaltung um 44 Millionen Euro an Bundesmitteln für die Lernförderung. "Wir warten eigentlich darauf", sagt Zeibig. "Ich habe mehrere, die wir gerne einstellen, wir haben den Träger, wir können eigentlich starten." Aber noch dauert es.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Tom Erdmann, kritisiert, dass es mit dem Programm hätte schneller gehen sollen als jetzt geplant. "Frühestens nach den Herbstferien können die ersten Förderprogramme anlaufen", sagt er.

Einzelgespräche über Förderbedarf

Die Bildungsverwaltung nennt als einen Grund für den Start des Förderprogramms nach den Herbstferien die komplexen Abrechnungsanforderungen wegen der Bundesmittel. Zum anderen sei der Zeitplan so verabredet worden, weil viele Schulen ihre Schüler nach den Sommerferien erst einmal hätten ankommen lassen und nicht gleich mit den Lernstandserhebungen beginnen wollen.

An die Erhebungen schließen sich für die Lehrerinnen und Lehrer zudem noch Feedback-Gespräche mit ihren Schülerinnen und Schülern an, bei Jüngeren auch mit ihren Eltern. In den individuellen Gesprächen sollen sie laut der Bildungsverwaltung den Förderbedarf erörtern. Bis zu den Herbstferien sollen sie abgeschlossen sein.

Wenn die Gespräche auch in den Nachmittag und Abend gehen, pocht der Gewerkschafter Tom Erdmann für die Kolleginnen und Kollegen dabei an anderer Stelle auf eine Entlastung.

Viele können nun besser selbständig arbeiten

Am Immanuel-Kant-Gymnasium in Lichtenberg lässt Schulleiter Arnd Niedermöller Lernstandserhebungen in allen Fächern durchführen. Er zieht das Zwischenfazit: "Da sind nicht so große Defizite angehäuft worden - natürlich mit der Ausnahme, dass einzelne Schüler mit der hohen Anforderung an das selbständige Arbeiten überfordert waren."

War es also kein verlorenes Schuljahr durch die Corona-Zeit? Seine Antwort: "Eindeutig nein." Denn viele könnten nun deutlich besser selbständig arbeiten. Und er ist optimistisch, dass die Jugendlichen, die damit überfordert waren, alleine zu lernen, durch Gespräche motiviert und ihre Lücken geschlossen werden können.

Manches hätte im Home-Schooling aber nicht vermittelt werden können, wie naturwissenschaftliche Experimente durchzuführen und zu protokollieren, sagt Niedermöller. Das will der Schulleiter nun durch eine Experimentierwoche auffangen.

Sendung: Inforadio, 27.08.2021, 07:10 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

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