Tuğba Tekkal und ihr Projekt - "Bei den Scoring Girls geht es um viel mehr als nur Fußballspielen"

Fr 06.05.22 | 20:25 Uhr
Tugba Tekkal hat die Scoring Girls gegründet (Bild: rbb)
Bild: rbb

Als Profi-Fußballerin hat Tuğba Tekkal in der Bundesliga für Köln und den HSV gespielt. Heute bietet sie Mädchen und jungen Frauen mit ihrem Projekt "Scoring Girls" ein sportliches Zuhause. Von Jakob Lobach

Es ist ein mitunter wildes Durcheinander, das auf dem kleinen Fußballplatz in Neukölln herrscht. Ein gutes Dutzend Mädchen im jungen Teenager-Alter, eingekleidet in schwarze Fußballklamotten, wuselt dort über den Kunstrasenplatz. Auf kurze Sprints zum Aufwärmen folgen Pass- und Torschussübungen, zum Abschluss wird gespielt.

Mittendrin steht Tuğba Tekkal in ihrer roten Jacke, auf der in weißer Schrift "Scoring Girls" zu lesen ist. Die 37-Jährige gibt Kommandos, klatscht ab, lacht viel und motiviert die jungen Fußballerinnen.

Einander motivieren, Spaß haben und fußballerisch Gemeinschaft erleben – all das gehört zu den Kernzielen der Initiative Scoring Girls. 2016 von Tuğba Tekkal gegründet, richtet sich das Projekt vor allem, aber nicht nur an Mädchen und junge Frauen mit Zuwanderungsgeschichte. Mit dem Sport sollen die Scoring Girls Gemeinschaft erleben, ihr Selbstvertrauen stärken und auch über den Fußball hinaus eine Anlaufstelle bekommen.

Gegründet wurde das Projekt vor mittlerweile sechs Jahren von Tekkal selbst. Auch inspiriert durch ihre eigene Sportlerinnenbiografie. "Ich weiß, was für eine integrative Kraft dieser Sport haben kann", sagt Tekkal. Bevor die gebürtige Hannoveranerin als Profi-Fußballerin in der Bundesliga für den Hamburger SV und den 1. FC Köln kickte, musste sie in der Kindheit dafür kämpfen, überhaupt Fußball spielen dürfen.

So waren die einst aus der Türkei nach Deutschland ausgewanderten Eltern von Tekkal zu Beginn wenig begeistert von der Fußball-Leidenschaft ihrer Tochter. Der aber gelang es schließlich, ihre Eltern von ihrem sportlichen Hobby zu überzeugen und so sagt Tekkal mittlerweile: "Der Fußball hat die Frau aus mir gemacht, die ich heute bin."

"Ich wusste gar nicht, dass Fußball mir so viel Spaß macht"

So merkt man Tuğba Tekkal die Begeisterung für ihre Arbeit mit den Mädchen auch auf dem Fußballplatz in Neukölln deutlich an. Es ist eine Begeisterung, die auf Gegenseitigkeit beruht: "Es macht Spaß, ich lerne Freunde kennen und kann jetzt besser Fußball spielen", fasst die 13-jährige Sirin ihre Erlebnisse bei den Scoring Girls zusammen. Und auch die ein Jahr jüngere Samira ergänzt: "Ich wusste gar nicht, dass Fußball mir so viel Spaß macht." Zumal sie sich eben nicht getraut hätte, in einen gewöhnlichen Fußballverein einzutreten.

Um genau solche Mädchen einzusammeln, ist Tekkal zusammen mit dem Team hinter ihrem Projekt umtriebig in Sachen Rekrutierung. "In erster Linie gehen wir in Flüchtlingsunterkünfte, aber auch in viele Schulen", erklärt die ehemalige Profi-Spielerin. So ist etwa die Neuköllner Gruppe der Scoring Girls in Kooperation mit der dortigen Otto-Hahn-Schule entstanden. Dass neben dem Fußballtraining auch Hausaufgabenhilfe angeboten wird und Begegnungen mit weiblichen Vorbildern organisiert werden, verdeutlicht den Anspruch der Initiative, auch über den Sport hinaus zu wirken.

Mit Empathie und dem Okay der Eltern

Damit das möglich wird, spielen neben den jungen Spielerinnen selbst auch deren Eltern eine wichtige Rolle in der Arbeit von Tuğba Tekkal und ihrem Team. Auf die Frage, ob es mitunter schwierig sei, diese davon zu überzeugen, ihre Töchter Fußball spielen zu lassen, antwortet Tekkal kurz, aber bestimmt mit: "Ja!" Umso wichtiger wird deshalb ein guter und empathischer Kontakt mit den Eltern. "Man muss ihre Ängste und Sorgen ernst nehmen. Wenn man es schafft, sie zu entkräften, dann gehen die Eltern meistens mit", sagt Tekkal.

Gelingt das, ist der Weg frei für den Einstieg bei den Scoring Girls. Dass die Mädchen und jungen Frauen von dem Projekt profitieren, steht außer Frage. "Seit ich hierherkomme, werde ich viel selbstbewusster", berichtet Samira und auch Tekkal sagt: "Ich mach das seit sechseinhalb Jahren und habe viele tolle Geschichten von verschiedenen Mädchen." Etwa die eines Mädchens, das nach dem Tod ihres Vaters und der Flucht nach Deutschland mit ihrer Mutter sehr introvertiert zu den Scoring Girls gekommen ist. Mittlerweile spiele die junge Frau in einem normalen Fußballverein und arbeitet als Jugendtrainerin, berichtet Tekkal.

Auch wegen Geschichten wie diesen wurde ihr Projekt in den vergangenen Jahren gleich mehrfach und unter anderem vom DFB ausgezeichnet. Hinzu kommt, dass sich die Scoring Girls neben den Standorten Köln und Berlin mittlerweile auch in einem irakischen Flüchtlingscamp engagieren. Und auch dort gilt das Motto, mit dem Tuğba Tekkal den Kern ihres Projekts treffend zusammenfasst: "Bei den Scoring Girls geht es um viel mehr als nur Fußballspielen. Es geht um Teamgeist und Zugehörigkeitsgefühl."

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