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Audio: rbb24 Inforadio | Interview mit Dieter Hoeneß | J. Rüger & S. Wenzel | Quelle: imago images/Bernd König

Interview | Ehemaliger Hertha-Manager Dieter Hoeneß

"Ich mochte Kay Bernstein schon damals, obwohl er uns einige Sorgen bereitet hat"

Als Manager von Hertha BSC hat Dieter Hoeneß eine der erfolgreichsten Phasen der 130-jährigen Geschichte des Bundesligisten mitgestaltet. Im Interview erzählt er von seinen Erlebnissen bei den Berlinern und wirft einen Blick auf die aktuelle Situation.

rbb: Herr Hoeneß, Sie waren 13 Jahre bei Hertha BSC tätig, hauptsächlich als Manager. Wie würden Sie den Verein charakterisieren?

Dieter Hoeneß: Aufregend ist er auf jeden Fall. Es war immer etwas los. Und es ist ein Verein mit einer enormen Perspektive. Damals ist es auch gelungen, das eine oder andere sportliche Highlight zu setzen. Aber Hertha ist auch immer noch in der Entwicklung und die letzten Jahre ist es nicht ganz so gut gelaufen. Trotzdem ist die Perspektive nach wie vor erkennbar. Bei den Relegationsspielen hat man gesehen, dass es mittlerweile auch eine große Bindung mit den Fans gibt. Die wollen Hertha BSC nicht untergehen sehen und deshalb hat Hertha noch Potential.

Zur Person

Was haben Sie bei Hertha vorgefunden, als Sie 1996 zum Verein kamen? Was war die Arbeitsgrundlage?

Es gab fünf festangestellte Mitarbeiter. Im Amateurbereich waren dann natürlich noch viele freiwillige Helfer und Menschen, die Ehrenamtlich tätig waren. Aber in der Verwaltung, zum Beispiel für das Ticketing oder die Finanzen, das waren fünf Leute.

Die professionellen Strukturen mussten mit der Zeit also erstmal geschaffen werden?

Von professionellen Strukturen konnte damals nicht die Rede sein. Ein Beispiel dafür war meine erste Präsidiumssitzung. Zuerst habe ich die Geschäftsstelle nicht gefunden, weil der Taxifahrer nicht wusste, wo sie ist. Das war im Gebäude einer Krankenkasse. Da gab es ein Klingelschild für Hertha BSC und dann waren drei Zimmer im ersten Stock. Das war die Geschäftsstelle. Im Eingang stand die Empfangsdame, die auch den Fanshop-Mitarbeiterin war. Da hingen dann ein paar Wimpel rum. Und den Ticketverkauf hat sie auch gemacht. Allerdings muss man sagen, dass nicht viele Tickets verkauft wurden. Mein erstes Heimspiel mit Hertha war vor 5.000 Zuschauern gegen Carl Zeiss Jena bei Graupelschauer im November. Das war fürchterlich. Wir haben auch noch 0:1 verloren und ich habe mich gefragt, was ich hier eigentlich sollte. Jeder Drittligist in Baden-Württemberg hatte damals bessere Strukturen als Hertha BSC. Aber es war für mich auch reizvoll, in Kürze aus relativ wenig relativ viel zu machen.

In der 2. Liga gab es dann ein Heimspiel gegen Kaiserslautern vor 75.000 Zuschauern im Olympiastadion. Hatten Sie da das erste Mal das Gefühl, dass viel Potential in dem Verein, aber auch der Fußball-Stadt Berlin steckte?

Absolut. Das ist genau der Moment gewesen. Es gab wie gesagt das Spiel gegen Carl Zeiss Jena und einige Monate später kam dann dieses Spiel. Wir hatten mit der Berliner Bank einen Deal gemacht, dass die in ihren Filialen Karten verkaufen. Die sind weggegangen wie warme Semmeln. Wir hatten im Vorverkauf schon 50.000 verkauft. Und dann kurz vor dem Anpfiff kam der Stadionverwalter auf mich zu und fragte, was er machen sollte, weil noch 15.000 Menschen vor der Tür standen. Da habe ich zu ihm gesagt, dass er aufmachen soll. Die hatten die ganzen Blöcke noch gar nicht aufgemacht, weil sie darauf nicht vorbereitet waren. Und dann stand ich da oben und habe gesehen, wie ein Block nach dem anderen voll wurde. Und plötzlich waren 75.000 Zuschauer da. Ich muss sagen, ich habe in meinem Fußball-Leben viele tolle Momente erlebt. Aber das war ein Moment, bei dem ich Gänsehaut bekommen habe. Und da habe ich auch gemerkt, dass richtig Potential da ist.

Dann gelang Ihnen der Aufstieg und nur zwei Jahre später hatte sich Hertha plötzlich schon für die Champions League qualifiziert. Wie ist es Ihnen gelungen, so schnell eine Mannschaft zusammenzustellen, die das sportlich hinbekommen hat?

Zunächst muss ich sagen, dass ich mit dem Trainer Jürgen Röber einen sehr guten Mitspieler hatte. Es hat am Anfang viel Mühe gekostet, ihn gegen den Widerstand im Aufsichtsrat durchzusetzen. Aber es hat sich gelohnt und es ist uns gemeinsam gelungen, einfach eine gute Mannschaft zusammenzubauen. Das waren gute Typen, die auch gebrannt haben für den Verein und sich mit diesem identifiziert haben. Und natürlich waren das auch super Spieler. Simunic, Dariusz Wosz, Yıldıray Baştürk, Pantelic und Marcelinho dann später. Wenn man diese Liste sieht, muss man schon sagen, dass tolle Jungs dabei gewesen sind. Das Wichtigste war aber, dass sie zusammengehalten haben. Und so war es möglich, sukzessive weiter nach oben zu kommen.

Hertha-Fans schwärmen noch heute von der Champions-League-Saison. Welcher Erfolg aus dieser Zeit sticht für Sie heraus?

Es waren viele Highlights. Natürlich gehören dazu die Spiele gegen den AC Mailand. Und die gegen den FC Barcelona, auch wenn wir verloren haben. Aber als Hertha BSC im Camp Nou zu spielen und sie zu Hause am Rande einer Niederlage zu haben, das war schon ein großer Moment. Auch die Spiele gegen den FC Bayern waren toll. Teilweise waren wir sogar auf Augenhöhe mit ihnen. Das waren viele großartige Momente. Zu viele, um jetzt ein einzelnes hervorzuheben. Das hat schon Spaß gemacht.

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Dann gab es diese Phase von Hertha im Aufschwung. Man träumte 2009 kurzfristig sogar mal von der Meisterschaft, beendete die Saison dann auf Platz vier. Für Sie war dann trotz des Erfolgs als Manager bei Hertha BSC Schluss. Wie ist es dazu gekommen?

Ende 2008 habe ich in einem Interview erklärt, dass mit meinem Vertragsende 2010 für mich Schluss ist bei Hertha. Meine Frau und ich wollten wieder nach München zurück. Wir haben uns sehr wohl gefühlt in Berlin, das war alles wunderbar und eine tolle Zeit. Aber ein Stück weit hing das Herz immer an München. Und das hat zu einem Bruch geführt. So richtig kann ich mir das heute immer noch nicht erklären. Da wurde dann plötzlich ein Machtkampf angezettelt, den ich nicht wollte und auch nie geführt habe. Es ist bedauerlich, weil da nicht nur mein vorzeitiges Ende mit verbunden war, sondern auch persönliche Enttäuschungen. Es ist auch schade und nicht gut für den Klub, dass jemand, der einen sehr guten Job gemacht hat, auf diese Art und Weise verabschiedet wurde. Auch wenn man das in Berlin nicht gerne hört, aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass so etwas bei Bayern anders gemacht worden wäre.

Wie detailliert verfolgen Sie heute noch das aktuelle Geschehen bei Hertha BSC?

Ich war fast 13 Jahre da, das hinterlässt Spuren. Allerdings war ich auch in Stuttgart neun Jahre und acht Jahre bei Bayern München. Also habe ich schon eine Bindung zu diesen drei Klubs und da gehört Hertha auch dazu. Das war schon so ein bisschen mein Baby. 24/7 würde man heute sagen. Ich bin mit Hertha ins Bett gegangen und mit Hertha aufgestanden. Ich habe da wahnsinnig viel investiert und viel von mir gegeben und das bleibt natürlich. Auf der anderen Seite gab es diesen Bruch, der das Verhältnis natürlich ein Stück weit getrübt hat. Trotzdem habe ich Hertha weiterverfolgt und habe noch genügend Kontakte und Freunde. Es ging also nicht an mir vorbei, was in der letzten Zeit in Berlin passiert ist.

Dann ist an Ihnen auch nicht vorbeigegangen, dass Investor Lars Windhorst 2019 bei Hertha mit 375 Millionen Euro eingestiegen ist. Auf dem Papier eine einmalige Chance für den Verein. Können Sie als Fachmann nachvollziehen, dass jemand so viel Geld in die Hand nimmt, um bei einem Bundesligaverein zu investieren?

Das kann ich mir schon vorstellen, aber ich glaube, er war nicht gut vorbereitet. Bei so viel Geld hat er überraschenderweise gewisse Dinge nicht recherchiert. Im Grunde genommen ist es unglaublich, dass er mit so viel Geld in einen Verein rein geht und am Ende nahezu kein Mitspracherecht hat oder wenigstens ein Veto-Recht. Das ist unverständlich. Der Verein hat auf der anderen Seite einen guten Deal gemacht. Sie haben die Verantwortung gegenüber den Mitgliedern gewahrt, indem sie die Unabhängigkeit behalten haben. Ich finde, man hätte damals eine Vereinbarung finden müssen, wie beides möglich ist. Ich glaube, Lars Windhorst weiß heute, dass er das anders hätte machen müssen. Möglicherweise hat er die falschen Berater gehabt.

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Es gab an der Spitze des Vereins einen personellen Umbruch in diesem Sommer. Werner Gegenbauer ist nach 14 Jahren als Präsident zurückgetreten. Mit Kay Bernstein ist von den Mitgliedern jemand aus der ehemaligen aktiven Fanszene gewählt worden. Kay Bernstein ist für Sie kein Unbekannter, oder?

Er ist kein Unbekannter. Ich habe mit Kay Bernstein mehrere Sträuße ausgefochten. Wobei ich sagen muss, dass ich ihn auch damals schon mochte, obwohl er uns einige Sorgen bereitet hat. An eine Aktion erinnere ich mich besonders: Wir haben gegen Viking Stavanger im Europapokal gespielt und die Ultras mit Kay Bernstein an der Spitze waren natürlich auch schon einen Abend vorher angereist. Die wollten dann im Stadion schonmal ihre Banner aufhängen und wurden deshalb reingelassen. Bei der Gelegenheit haben sie die Trikots von Viking Stavanger mitgenommen. Gewissermaßen als Beute. Als uns das zu Ohren gekommen ist, wussten wir natürlich genau, wen wir anrufen mussten. Also habe ich zu Kay Bernstein gesagt, dass es einen riesigen Zirkus gibt, wenn die Dinger nicht in einer Stunde wieder da sind. Bis auf ein Trikot sind dann alle wieder da gewesen. Das kennzeichnet ihn auch.

Er hat sich aber auch verändert und ist erwachsener geworden oder?

Damals war er ein junger Kerl mit Flausen im Kopf und vielleicht auch etwas zu euphorisiert. Das ist halt so, wenn du eine ganze Kurve mit dem Mikrofon im Griff hast. Irgendwie habe ich immer ein Faible für den Burschen gehabt und versucht, eine Brücke zu unseren Sicherheitsleuten zu bauen. Die ist immer mal wieder eingerissen worden, aber um es kurz zu machen: Der Kay Bernstein ist kein Verkehrter, das war damals schon klar.

Es gibt ja Ultras, bei denen hat man das Gefühl, die haben mit dem Fußball eigentlich gar nichts zu tun, sondern es geht nur um eine Plattform, um sich dazustellen. Negativ, gewalttätig oder wie auch immer. Und dann gibt es natürlich jede Menge richtige Fußballfans unter den Ultras und zu denen gehört insbesondere Kay Bernstein. Er ist mit Leib und Seele Herthaner, das kann man ihm hundertprozentig abnehmen. Und er ist kein Dummer. Das ist ein waches Kerlchen. Ich habe vor kurzem mit ihm telefoniert und das war ein kurzweiliges und sehr nettes Gespräch. Ich finde, dass er seine Chance verdient hat. Da sind Ideen dabei, von denen ich glaube, dass er andere Schwerpunkte setzen muss, wenn er dann mit der Realität konfrontiert wird. Aber Fakt ist, dass er demokratisch gewählt wurde und eine Chance kriegen soll.

Trauen Sie ihm einen Kulturwandel bei Hertha BSC zu?

Das wird notwendig sein, aber es müssen die Basics stimmen. Man muss gucken, dass man eine gute operative Gruppe zusammenstellt. Die Nachfolge von Ingo Schiller muss zum Beispiel kompetent besetzt werden. Und auch den sportlichen Bereich muss man natürlich genau verfolgen, denn der sportliche Erfolg steht über allem. Und wenn es sportlich läuft, hat man viel mehr Möglichkeiten Dinge durchzusetzen. Die Reihenfolge muss stimmen und ich hoffe für ihn, dass er das erkennt und gute Mitstreiter findet. Aber ich sage es nochmal: Er und Hertha BSC haben die Chance verdient.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Jakob Rüger und Simon Wenzel. Für die Online-Fassung ist es gekürzt und redigiert worden. Das komplette Gespräch hören Sie beim Klick auf den Play-Button im Titelbild.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.07.2022, 9:15 Uhr

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