rbb24
  1. rbb|24
  2. Sport
Quelle: Georg Bartossek

Interview | Georg Bartossek vom ältesten Union-Fanklub

"Einen Traum kann mir Union noch erfüllen"

Der 1979 gegründete Union-Fan-Club Ludwigsfelde ist der älteste Fanklub Union Berlins. Präsident Georg Bartossek erinnert sich im rbb|24-Interview an Erstligaträume, Blutspenden für den Verein und Union-Präsident Dirk Zingler in der Kurve. Von Marc Schwitzky

rbb|24: Herr Bartossek, wann und mit welcher Motivation ist der Fanklub gegründet worden?

Georg Bartossek: Das genaue Datum ist nicht hundertprozentig bekannt. Ich würde sagen: März 1979 haben wir uns im Klubhaus in Ludwigsfelde gegründet. Wir waren sechs, sieben Leute, sind vorher schon zusammen zu den Union-Spielen gefahren und fanden das toll.

Wir waren fußballbegeistert und im Osten gab es an sich zwei Vereine: Dynamo und Union – der eine Verein kam allerdings überhaupt nicht infrage und so wurde es Union. Wir sind einmal im Stadion gewesen und wurden sofort infiziert.

Wie sah die Fanlandschaft Unions damals aus?

Das war ja genau meine Zeit: Shell Parka, lange Haare, Jesuslatschen. Das war schon eine junge und rebellische Fanszene, die auch wild durchmischt war. Dort waren eigentlich alle gesellschaftlichen Gruppierungen vertreten.

Union vor Spitzenspiel in Dortmund

Duell der Bayernverfolger mit Katerstimmung

Sowohl Union Berlin als auch Borussia Dortmund sind vor dem direkten Duell aus dem DFB-Pokal ausgeschieden. Nicht nur deshalb hat das Spitzenspiel der tabellarischen Bayern-Verfolger einen Hauch von Krisengipfel.

Wo fand sich der Verein sportlich zu jener Zeit wieder?

Vor der Wende war Union eine Fahrstuhlmannschaft. Wir haben uns stets in den Regionen zwischen 1. Oberliga und 2. DDR-Liga aufgehalten. Einmal abgestiegen, zwei Jahre wieder in der Liga geblieben, dann wieder abgestiegen – so war das damals.

Gespielt haben wir ja schon damals in der Alten Försterei, die in der Zeit allerdings nur 18.000 Plätze gefasst hatte. 1977 war ich zum ersten Mal im Stadion, zusammen mit meinem Vater gegen Dynamo Dresden – ein 2:2. Damals haben wir uns auf dem Schwarzmarkt für je zehn Ostmark Eintrittskarten gekauft. Normalerweise hat ein Ticket 1,10 Mark gekostet, das war also sehr viel Geld.

Was waren damals die kühnsten Träume, was die Zukunft des Vereins angeht?

Es gab natürlich Träume – unser war es ganz klar, eines Tages in der ersten Liga zu spielen – was damals die Oberliga war. Anfang der 80er Jahre haben wir mal eine Intertoto Runde gespielt – vergleichbar mit dem UEFA Cup. Dort haben wir auch mal gegen Standard Lüttich gespielt. Wir durften zwar nicht, aber das war natürlich ein großes Ereignis. Das fand man schon toll und wollte noch mehr davon.

Aber vor allem in die Oberliga zu kommen und drin zu bleiben, war das größte Ziel. International hatten wir ja eigentlich keine Chance gegen deutlich wohlhabendere Vereine. Deshalb gab es hierzu weniger Ambitionen.

Wie hat die Wende den Verein und seine Fanszene beeinflusst?

Die ersten Jahre nach dem Mauerfall waren schwierig. Die Grenzen waren auf und viele Menschen wollten die 1. Bundesliga sehen, weshalb sie dann zu Hertha gegangen sind. Darüber hinaus hatten viele Menschen in der Zeit auch andere Probleme als Fußball, die Arbeitssuche zum Beispiel. So ist die Unterstützung für den Verein etwas eingebrochen. Ich kann mich nach der Wende an eine Zeit erinnern, in der 800 Menschen zu den Union-Spielen gegangen sind.

Union fehlte zu jener Zeit Geld, man hat händeringend nach Investoren gesucht, aber keine gefunden. Darunter hat die sportliche Situation gelitten. Aber wir haben immer zum Verein gehalten. Die Flamme war immer da, auch in den Zeiten, in denen es dem Verein so schlecht ging. Wir haben Union immer unterstützt, ob durch Demonstrationen vor dem Roten Rathaus oder Geld durch Blutspenden.

Unions Ausscheiden im Pokal in der Analyse

Die große Ratlosigkeit

Nach dem Pokalaus im Viertelfinale suchen die Eisernen nach Erklärungen für einige schwache Leistungen in Serie. Auch gegen Frankfurt zeigte Union nicht das gewohnt intensive Spiel. Der Gegner nutzte das eiskalt aus. Von Till Oppermann

Wir spulen einige Jahre vor: Nach mehreren Saisons in der zweiten Liga ist Union in die Bundesliga aufgestiegen. Nach den Träumereien in den 80er Jahren: Wie hat man als Fan diesen Erfolg erlebt?

Ich kann es immer noch nicht glauben – obwohl der Aufstieg bereits vier Jahre zurückliegt. Wenn ich zum Fußball fahre, denke ich immer noch, ich fahre gerade zu einem Zweitligaspiel. Aufgestiegen, Klasse gehalten, du spielst international, du spielst nochmal international – das hört ja gar nicht auf. Es ist unglaublich. Vor 20 oder 25 Jahren bin ich noch nach Torgelow, Finkenkrug oder Ludwigsfelde für Oberligaspiele gefahren. Und jetzt hat Union gegen Ajax Amsterdam gespielt.

Ist der Klub in all der Zeit mitgewachsen? Spürt ihr einen Zulauf?

Auf alle Fälle, aber diesen Zulauf haben wir schon zu Zweitligazeiten gemerkt. Wir sind mittlerweile 85 Mitglieder.

Hat sich die Fanszene durch den modernen Fußball und die junge Erfolgsgeschichte verändert?

Nein, eigentlich nicht. Natürlich gibt es neue Generationen an Fans, aber das sind ja quasi unsere Kinder und Enkel, die durch uns geprägt werden. Sie halten die Tradition am Leben.

 

Was waren für Sie die entscheidenden Faktoren für den sportlichen Aufschwung?

Die entscheidende Person ist unser Präsident Dirk Zingler. Der Mann ist ja mein Jahrgang, 1964 geboren – wir standen früher zusammen in der Kurve. Als es dem Verein so dreckig ging und er kurz vor der Insolvenz stand, ist Zingler eingesprungen. Er ist derjenige, der den Verein in die richtige Richtung geführt hat. Natürlich spielen auch Trainer Urs Fischer und Sportchef Oliver Ruhnert eine ganz entscheidende Rolle. Im Endeffekt ist es aber der gesamte Verein: ob es Susi ist, die die Trikots der Spieler wäscht oder die Greenkeeper. Aber natürlich ist auch Michael Kölmel zu nennen, der Union finanziell gerettet hat.

Keine Tickets und Betretungsverbote

Wie europäische Auswärtsreisen für Fans und Klubs zunehmend erschwert werden

Keine Tickets für Frankfurt-Fans in Neapel, Betretungsverbote für Union-Fans in Belgien – internationale Auswärtsreisen werden zunehmend vorab erschwert. Doch ist das angemessen - und vor allem rechtmäßig? Von Jakob Lobach

Wie ist das Verhältnis zum Verein in all den Jahrzehnten gewesen?

Der Kontakt war immer super. Wir hatten zum Beispiel unsere 40-Jahr-Feier im Stadioninnenbereich gefeiert. Das hatte Dirk Zingler ermöglicht und dabei gar nicht lange gefackelt.

Sie sind schon so lange Anhänger dieses Vereins, haben alle Höhen und Tiefen erlebt – sind Sie vollumfänglich glücklich oder kann Ihnen Union noch einen Wunsch erfüllen?

Natürlich wäre es einfach schön, in der ersten Liga zu bleiben. Ich will in meinem Leben nicht mehr absteigen. Aber selbst wenn, würde die Liebe zum Verein natürlich bestehen bleiben. Tatsächlich wäre aber auch mal eine Saison ohne internationales Geschäft schön, um auch mal wieder öfter am Samstag um 15.30 Uhr ein Spiel zu besuchen. Die anderen Anstoßzeiten sind für Auswärtsfahrer nämlich mehr als anstrengend und zeitlich kaum umzusetzen.

Wenn ich ehrlich bin, bin ich als Fan wunschlos glücklich. Einen Traum kann mir Union noch erfüllen: die Champions League. Wir sind Tabellendritter bei noch acht ausstehenden Ligaspielen, weshalb das natürlich ein Wunsch ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Marc Schwitzky

Sendung: rbb24, 06.04.2023, 22 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen