Personalmangel in der Leitstelle Lausitz - "Das ist wie bei The Day After Tomorrow - dann geht nichts mehr"

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde, überall wird Personal gesucht. Doch während beim Bäcker ohne Mitarbeiter "nur" der Ofen kalt bleibt, kann es an anderen Stellen brenzlig werden - beispielsweise, wenn der Leitstelle Lausitz die Leute ausgehen. Von Anke Blumenthal und Florian Ludwig
"Ganz ruhig erstmal. Liegt er oder sitzt er? Fragen Sie ihn erstmal, wo genau er Beschwerden hat!"
Es ist 13:30 Uhr - Rüdiger Maus hat gerade die Frühschicht abgelöst. Vor ihm liegt eine lange Schicht, minütlich nimmt er neue Notrufe entgegen. Maus ist Disponent in der Leitstelle Lausitz in Cottbus, zuständig für Notrufe im gesamten südlichen Brandenburg.
Am Montag ist Rüdiger Maus neben seinem Job als Disponent auch Praxisanleiter. Neben ihm sitzt Nancy Ackermann. Die 26-Jährige hat ihren ersten Tag in der Leitstelle und muss von Beginn an mitdenken. "Warum mit Sondersignal?" fragt Rüdiger Maus. "Weil er blass ist, schweißig und weggetreten war", sagt sie. Maus ist zufrieden.
Angst vor dem unbesetzten Notruf
Dass Nancy Ackermann am Montag eingearbeitet wird, ist ein Segen für die Leitstelle Lausitz. 50 Leute arbeiten hier, aktuell sind aber nur 35 von ihnen vollständig und selbstständig einsetzbar. Im Juni lag der Krankenstand bei 46 Prozent, im Juli noch bei 27 Prozent.
Pausen hat Rüdiger Maus während seiner Schicht kaum. Anrufe gibt es ständig. Der Personalmangel macht ihm Sorgen. Er befürchtet, "dass die, die sowieso schon arbeiten, noch mehr arbeiten gehen, um bestimmte Sachen abzupuffern. Wir können es uns hier drin nicht leisten, nicht zu arbeiten. Das ist dann wie bei 'The Day after tomorrow', dann geht nichts mehr", sagt er. Er und seine Kollegen würden bereits zusätzlich arbeiten, doch sie bräuchten auch ihre Freizeit, erklärt er.
Stellen permanent ausgeschrieben - doch zu wenige Bewerber
Immer häufiger sei Ausnahmezustand in der Leitstelle, so, wie zuletzt beim Großbrand bei Falkenberg. "In diesem Jahr sind wir doch häufiger an die Belastungsgrenze gekommen, als es in den Vorjahren der Fall war", sagt auch Leitstellen-Chef Ingolf Zellmann.
Zellmann versucht sich gegen den Fachkräftemangel zu stemmen. Stellen für Disponenten, inklusive einer zweijährigen Weiterbildung, sind permanent ausgeschrieben. Zuletzt hatten sich zehn Bewerber gemeldet, vier von ihnen wurden eingeladen. Für Zellmann ist das zu wenig. Er wünscht sich eine eigene Berufsausbildung in diesem Bereich. Aktuell werden die Disponenten vor allem bei der Feuerwehr oder in den Krankenhäusern abgeworben. Die Bezahlung ist nicht schlecht, immerhin Tarifgruppe 9 im Öffentlichen Dienst.
Ein weiteres Problem, so Zellmann: Theorie-Lehrgänge finden zu selten statt, "wenn dann eine Pandemie kommt, die Lehrgänge nicht stattfinden oder nur mit der Häfte der Teilnehmer stattfinden können. Die Leute besuchen zwei Jahre die Lehrgänge nicht, wir brauchen sie aber hier", sagt er.
Zellmann fordert einen runden Tisch, denn alle Leitstellen im Land hätten dieses Problem. Obwohl es nichts Spannenderes gibt, als Leben Retten unter Kopfhörern, findet zumindest Rüdiger Maus. "Wir müssen Windrichtungen beachten, wir müssen Baustoffe kennen. Ich habe mal ausgerechnet, dass wir acht Berufe haben. Die fließen alle mit ein", sagt er. "Das macht es so spannend."
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.08.2022, 16:40 Uhr