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Video: Brandenburg aktuell | 17.07.2022 | A.B.Hewel/A.Lepsch | Quelle: dpa/Andreas Franke

Braunkohlekraftwerk Jänschwalde

Aktivierung von Reserveblöcken würde Wasserverbrauch erhöhen

Um die Energieversorgung zu sichern, sollen zwei Reserveblöcke im Kraftwerk Jänschwalde wieder ans Netz gehen können. Das würde auch den Wasserverbrauch noch stärker erhöhen, als es selbst Umweltverbände bislang befürchteten. Von Andreas B. Hewel

Die Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde sind ein Wahrzeichen in der Lausitz. Mächtig ragen sie nach oben und gewaltig sind die Schwaden aus Wasserdampf, die von dort in den Himmel entweichen.

Doch genau diese Schwaden sind es, die Umweltschützern Sorgen bereiten. Denn Wasser ist ein kostbares Gut - gerade in Brandenburg, das zu den trockensten Regionen der Republik zählt. Wasser ist hier zum Politikum geworden. Schon in naher Zukunft aber könnten diese Dampfschwaden nochmal deutlich zulegen und noch viel mehr Wasser der Region verloren gehen. Denn um die Energieversorgung zu sichern und den Gasverbrauch zu senken, sollen zwei Reserveblöcke im Braunkohlkraftwerk Jänschwalde wieder ans Netz gehen können. Der Betreiber hat dafür eine Ausnahmegenehmigung beantragt.

Seit drei Jahren sind nur noch vier der sechs Kraftwerksblöcke in Betrieb. Die Blöcke E und F dagegen sind auf eine sogenannte Sicherheitsbereitschaft heruntergefahren worden, bilden also nur noch eine Reserve. Sollten diese Blöcke jetzt wieder hochgefahren werden, so würden für den Antrieb der Dampfturbinen 13 Millionen Kubikmeter Wasser gebraucht werden, sagt das Umweltnetzwerk Grüne Liga. Das würde laut Netzwerk den Wassermangel in der Spree weiter verschärfen.

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Zusätzlicher Wasserverbrauch noch viel höher

Nach Recherchen von rbb24 Brandenburg Aktuell aber wäre der Wasserverbrauch noch viel höher. Aus Unterlagen von Fachkreisen, die der Redaktion vorliegen, geht hervor, dass die beiden Blöcke, sollten sie wieder hochgefahren werden, 25 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr verschlingen würden. Das wäre fast doppelt so viel, wie es die Grüne Liga befürchtet. Umgerechnet sind das vier Badewannen voll Wasser jede Sekunde.

Und das ist nur der zusätzliche Wasserverbrauch. Schon mit den nur vier Kraftwerksblöcken verbraucht das Kraftwerk Jänschwalde 63 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr. Und selbst diese Mengen spiegeln noch nicht den gesamten Wasserverbrauch durch die Braunkohle. Denn um die gesamte Braunkohleregion in der Lausitz für den Tagebau trocken zu legen, werden pro Jahr 348 Millionen Kubikmeter Grundwasser abgepumpt. Das ist mehr als die neunfache Menge des Müggelsees.

Hinzu käme der CO2-Anstieg, wenn die Blöcke E und F wieder ans Netz gingen. Um sieben Millionen Tonnen im Jahr würde der CO2-Ausstoß steigen. Das ist in etwa doppelt so viel, wie der CO2-Ausstoß aller privaten Haushalte und des Gewerbes in Brandenburg.

Energiekonzern korrigiert rbb-Zahlen

Dass ein Wiederanfahren der Blöcke E und F auch zusätzlichen Bedarf an Kühlwasser bedeutet, ist auch dem Kraftwerksbetreiber Leag klar. Gegenüber dem rbb-Studio in Cottbus korrigiert Sprecher Thoralf Schirmer am Montag jedoch die rbb-Zahlen. Das Kraftwerk Jänschwalde habe in den vergangenen Jahren im Durchschnitt lediglich 44 Millionen Kubikmeter pro Jahr für Kühlprozesse und Dampferzeugung gebraucht.

Außerdem handele es sich dabei nicht um zusätzlich gehobenes, also abgepumptes Wasser. Vielmehr sei es laut Leag-Angaben Bestandteil der angesprochenen Gesamtmenge für den benachbarten Tagebau Jänschwalde von aktuell etwa 106 Millionen Kubikmetern pro Jahr. Darüber hinaus wird laut Schirmer ein großer Teil des für Kraftwerksprozesse genutzten Wassers im Kreislauf mehrfach wiederverwendet. Bis zu 40 Prozent würden nach der Nutzung wieder in den regionalen Wasserkreislauf zurückgeführt werden.

Das aktuelle Energiesicherungsgesetz sieht eine befristete Möglichkeit zur Inbetriebnahme der Stilllegungsblöcke bis spätestens März 2024 vor. Damit wäre von einem theoretisch möglichen ganzjährigen Betrieb nur das Jahr 2023 betroffen. Für dieses eine Jahr beziffert der Leag-Sprecher gegenüber dem rbb-Studio in Cottbus den Wassermehrbedarf auf maximal 20 Millionen Kubikmeter. Für die einzelnen Monate 2022 und 2024 sei die Situation eine andere, weil sie in die wasserwirtschaftlich eher unkritische Winterzeit fallen.

Rot-schwarz-grüne Koalition im Spagat

Besonders für die Grünen in der Brandenburger Kenia-Koalition ist da das mögliche Hochfahren der Blöcke in Jänschwalde eine dicke Kröte. Wie schwer die zu schlucken ist, merkt man Clemens Rostock, dem energiepolitischen Sprecher der Landtags-Fraktion, an. Mehr Braunkohlestrom geht gegen die Grundfesten grüner Politik. Die Blöcke hochfahren will Rostock nur als allerletzte Option hinnehmen und auch nur dann, wenn es nach dem Krieg in der Ukraine - und den daraus befürchteten Energieengpässen - mit dem Kohleausstieg schneller geht.

"Tatsächlich steht im Moment die Versorgungssicherheit ein bisschen über dem Klimaschutz", räumt Rostock ein, "um einfach sicherzustellen, dass die Stuben im Winter warm bleiben. Aber in der Tat müssen wir weiter auf den Klimaschutz achten. Das heißt, zum einen zuerst Steinkohle nutzen, die deutlich weniger CO2-intensiv ist und hinterher auch sicher zu stellen, dass wir die Mehremissionen, die wir jetzt in die Luft blasen, hinterher natürlich wieder extra einsparen müssen." Ob das dann aber so kommt und wann das dann genau sein soll, ist völlig offen. Dazu gäbe es nur wenige Gespräche mit den Koalitionspartnern SPD und der Union.

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Die SPD unterdessen gibt sich forsch im Land. "Deutschland ist ein Industrieland und muss ein Industrieland bleiben", verkündet der umweltpolitische Sprecher der SPD, Wolfgang Roick. "Und das heißt natürlich, dass wir sowohl für Industrie, Handwerk, Gewerbe als auch natürlich für den Bürger Energie, Strom und Gas zu bezahlbaren Preisen bereitstellen müssen. Das muss die Bundesregierung wie auch die Landesregierung leisten. Dann erst kommt alles andere."

Der Umweltschutz also muss hintenanstehen. Außerdem seien die beiden Blöcke in Jänschwalde gar nicht so relevant. Zudem mache das Land auf vielen Wegen auch anderes. "Wir werden verstärkt Windräder bauen", verspricht Roick, "wir werden Photovoltaikplatten machen." Dadurch würde mittelfristig viel Energie bereitgestellt. Dem Klimaschutz und der Sicherung von bezahlbarer Energie würde damit Rechnung getragen. Wenn er aber vom Kohleausstieg spricht, spricht er nur vom Jahr 2038. Diesen Termin müsse man halten. Nach einer Bereitschaft, früher aus der Kohleverstromung auszusteigen klingt das nicht. Eine klare Kante gegen die Grünen.

Gaseinsparung durch Kohleverstromung umstritten

Doch kann durch mehr Braunkohleverstromung überhaupt Erdgas eingespart werden? Nein, meint Axel Kruschat vom BUND in Brandenburg. "Es wird im Gegenteil eine Situation entstehen, in der wir wieder zu viel Strom im Netz haben. Das führt dazu, dass erneuerbare [Energielieferanten, Anm. d. Red.] abgeregelt werden müssen, die können dann nicht einspeisen." Denn so schnell könne der Strom gar nicht abgenommen werden. Das würde dann auch Stadtwerke betreffen, die oft mit Gas betriebene Heizkraftwerke haben. Auch diese könnten dann keinen oder nur weniger Strom ins Netz abgeben und verkaufen.

Laufen aber müssten sie dennoch, weil ihre Wärme für Fernwärme gebraucht würde. All das würde neben den hohen Gaspreisen zu einer weiteren Verteuerung führen, rechnet Kruschat vor. Zudem sei der höhere CO2-Ausstoß durch die Kohleverstromung verheerend. Kruschat wird da zornig. "Mittlerweile", faucht er, "muss doch jeder bemerkt haben, was Klimawandel für Brandenburg bedeutet und dass Versteppung nicht irgendein theoretisches Modell ist, sondern eine Realität werden kann. Deshalb macht es keinen Sinn - weder energiepolitisch noch klimapolitisch - diese Kohlekraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen."

Treibhausgasemissionen vor allem durch Braunkohleverstromung

Will man die CO2-Emissionen in Brandenburg entscheidend senken, das geben die Bilanzzahlen eindeutig her, muss man die Braunkohleverstromung deutlich senken. Knapp 55 Millionen Tonnen CO2 wurden in Brandenburg vergangenes Jahr insgesamt ausgestoßen. Allein die Braunkohlekraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe schlugen dabei mit über 25 Millionen Tonnen CO2 zu Buche. Die sieben Millionen Tonnen für die noch ruhenden Blöcke E und F kämen dann noch dazu.

Anmerkung der Redaktion: Die Leag hat am Montag auf den Bericht reagiert und dabei andere Zahlen zum Wasserverbrauch genannt. Wir haben deshalb unter anderem die Überschrift überarbeitet. In einer ersten Version dieses Textes war da von einer "enormen Steigerung" beim Wasserverbrauch die Rede.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 17.07.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Andreas B. Hewel

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