Nach russischen Einmarsch - Ukrainer im polnischen Slubice blicken mit Sorgen auf den Angriff auf ihr Land

Do 24.02.22 | 18:46 Uhr
Friseurin aus der Ukraine sieht im Fernsehen Nachrichten über Konflikt mit Russland
Audio: Antenne Brandenburg | 24.02.2022 | Magdalena Dercz | Bild: rbb

Fern der Heimat sind viele Ukrainer am Donnerstag dazu verdammt, die Ereignisse des russischen Angriffs am Fernseher verfolgen zu müssen. So auch in Slubice, wo die Angst um Familienangehörige im Krisengebiet bei einigen am schwersten wiegt.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine am Donnerstag hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Seit den frühen Morgenstunden haben auch viele Ukrainer inSlubice die Nachrichten aus ihrer Heimat verfolgt. Mehrere Hunderte von ihnen wohnen in der polnischen Nachbarstadt von Frankfurt (Oder).

In den vergangenen Wochen sind weitere Dutzende Menschen gekommen, die bereits aus der Ukraine geflüchtet sind. Doch fast jeder von ihnen hat noch Familie in Kiew, Lwiw oder Donezk. Nun bangen sie um das Leben der Familienangehörigen.

"Klar, weine ich heute."

Am Vormittag laufen in den Friseursalons und Restaurants die Nachrichtensender mit Berichterstattung in Dauerschleife. Überall dort, wo Ukrainer arbeiten, wird auf die Bildschirme mit den sich überschlagenden Ereignissen geschaut.

Denn telefonischen Kontakt zu ihren Familien haben sie immer weniger. Eine ukrainische Friseurin bedient gerade einen Kunden, setzt aber mit Blick zum Fernseher immer wieder ab. Sie weint beim Haareschneiden. "Klar weine ich heute. Meine Familie wohnt zwischen der Krim und Donezk. Sie erzählten mir, dass da Flughäfen bombardiert wurden. Explosionen haben meine Familienangehörigen geweckt. Sie haben die Koffer schon gepackt, aber können nicht raus. Der Transport funktioniert nicht, die können nichts machen. Gar nichts."

"Alles versinkt dort im Chaos."

Die Friseurin sagt, sie fühle sich machtlos, denn ihrer Familie könne sie nicht einmal Geld schicken, geschweige denn sie nach Polen zu holen. Auch eine Kosmetikerin aus Dnipropetrowsk, der viertgrößten Stadt der Ukraine zwischen Kiew und der Krim, bangt um ihre Mutter. Diese hätte sowieso gesundheitliche Probleme, doch jetzt sei die Angst noch größer geworden. "Ich habe jetzt den Kontakt zu ihr verloren. Alles versinkt dort im Chaos, keine Transporte, keine Banken funktionieren. Man dort nicht mal Brot und Wasser kaufen. Ich begreife es nicht mehr. Die Ukrainer sind doch nicht aggressiv, wir sind doch keine Terroristen. Warum der Angriff? Wir haben doch früher mit den Russen zusammengelebt, unsere Großväter waren verbunden - und jetzt Bruder gegen Bruder?"

"Die Ukrainer tun mir schrecklich leid"

Auch viele Polen zeigen sich entsetzt. Zwar erzählen die meisten, sie hätten Putin einen Krieg zugetraut, doch noch auf eine friedliche Lösung des Konflikts gehofft. Eine polnische Verkäuferin auf dem großen Slubicer Basar sagt: "Ich bin verärgert und empfinde fast schon Aggression. Die Ukrainer tun mir schrecklich leid, Ich kenne so viele, die hier leben und ich fühle mit ihnen. Und Putin? Der ist psychisch gestört."

Den westlichen Großmächten macht sie schwere Vorwürfe. Diese hätten zu langsam und unentschlossen gehandelt. Mit dieser Meinung steht die Verkäuferin nicht allein da. Ein Taxi-Fahrer bringt es so auf den Punkt: "Die EU? Das ist doch lächerlich, was die bisher an Sanktionen verhängt haben. Sanktionen nur für Oligarchen? Die sollen sofort ganz Russland blockieren."

"Dort sind viele Mütter, die jetzt auch um ihre Kinder bangen"

Gedrückt ist auch die Stimmung vieler Deutscher beim Einkauf im Nachbarland. Einer erzählt, für ihn seien die abstrakten Fernseh-Meldungen auf einen Schlag greifbarer geworden. "Wir sind auf der Autobahn hergefahren. Und auf der A 12 sind deutsche Armeefahrzeuge in Richtung Osten gefahren. Da habe ich schon ein bisschen Gänsehaut bekommen. Dort sind viele Mütter, die jetzt auch um ihre Kinder bangen."

Sendung: Antenne Brandenburg, 24.02.2022, 16:10 Uhr

Mit Material von Magdalena Dercz

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