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Audio: Antenne Brandenburg | 16.08.2022 | Fred Pilarski | Quelle: Patrick Pleul/dpa

Öko-Katastrophe an und in der Oder

Ministerium meldet keine auffälligen Metallwerte - Algentheorie macht die Runde

Was das massive Fischsterben in der Oder verursacht hat, ist noch nicht klar. Erste Resultate aus Brandenburg lassen nicht auf eine Quecksilber-Vergiftung schließen. Derweil bringen Forscher eine giftige Algenart als Ursache ins Gespräch.

Auf der Suche nach der Ursache für das Fischsterben in der Oder hat das Brandenburger Landesumweltamt erste Laborergebnisse ausgewertet. Die am Montagabend vom Landeslabor Berlin-Brandenburg in einer ersten Tranche übermittelten Ergebnisse hätten keine besonders hohen Werte für Metalle wie Quecksilber gezeigt, teilte der Sprecher des Umweltministeriums, Sebastian Arnold, am Dienstag auf Anfrage mit. Eine einzelne Ursache für die Umweltkatastrophe lasse sich nicht erkennen.

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Die Suche nach der Ursache für das Fischsterben in der Oder geht weiter. Das gefundene Quecksilber allein scheint nicht ursächlich zu sein. Der Vorfall in der Oder sei mittlerweile mit der Sandoz-Katastrophe von 1986 vergleichbar.

"Die noch nicht vollständigen und noch nicht umfassenden und abgeschlossenen Untersuchungen zu Nährstoffen lassen bisher keine Hinweise auf eine singuläre Ursache für das Fischsterben in der Oder zu", erklärte Arnold. "Weiterhin werden hohe Salzfrachten und ein hoher Sauerstoffgehalt festgestellt." Das Landeslabor untersuche weitere Wasserproben von verschiedenen Tagen und Messpunkten sowie Fische. Die Daten würden fortlaufend übermittelt und bewertet.

Giftige Algen als mögliche Ursache?

Derweil bringen deutsche Wissenschaftler eine bislang noch nicht identifizierte, giftige Algenart als mögliche Ursache für das Fischsterben ins Spiel. Forscher des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei halten dies nach derzeitigem Erkenntnisstand für die wahrscheinlichste Ursache der Katastrophe. Damit würde sich der hohe Sauerstoffgehalt trotz hoher Temperaturen erklären, sagte der Gewässerökologe Christian Wolter dem rbb. Völlig unklar ist nach Ansicht der Wissenschaftler jedoch, welche äußeren Umstände die vermutete Algenblüte ausgelöst haben könnten.

Auch der Gewässeranalytiker Wolf von Tümpling vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg hält die Algen-These für plausibel, könnte sich aber auch andere Ursachen vorstellen. Vor allem der hohe Salzgehalt gibt den Forschern weiter Rätsel auf. Hier dürften illegale Einleitungen von Stoffen eine Rolle spielen. Belegt sei diese Theorie aber (noch) nicht.

Immer noch keine Messergebnisse aus Polen geliefert

Unterdessen lässt Polen weiter auf seine Messergebnisse des Oderwassers warten. Wie ein Sprecher des Bundesumweltministeriums am Dienstag auf rbb-Anfrage mitteilte, werden auch am Dienstag keine Ergebnisse aus dem Nachbarland zum Fischsterben erwartet. Dies habe die zuständige polnische Umweltministerin mitteilen lassen. Damit bleibt die Ursache des Fischsterbens in der Oder weiter unklar.

Generell wird in Polen derzeit nach 300 Stoffen im Wasser und in den toten Fischen gefahndet, hieß es. Am Dienstag trafen sich eine deutsch-polnische Expertenrunde. Besprochenes aus der Taskforce drang bislang nicht heraus.

Brandenburg beprobt fortwährend

Wasserproben auf Brandenburger Seite würden an der automatischen Messstation Frankfurt (Oder) regelmäßig entnommen, erläuterte Arnold. Die Proben werden in einem regelmäßigen Abstand 1,5 Meter unter der Wasseroberfläche genommen und normalerweise auf Werte wie Wassertemperatur, pH-Wert oder Sauerstoffgehalt untersucht. Nun würden die Proben im Landeslabor auf zahlreiche weitere Werte und Giftstoffe untersucht, erläutere Arnold.

Auf der Webseite des Landesumweltamts werden stets die Ergebnisse der vergangenen 31 Tage angezeigt: Dort lässt sich ablesen, dass sich die Werte im Fluss vom 7. August an dramatisch veränderten. So schnellten der Sauerstoffgehalt, der pH-Wert, die Trübung und andere Werte schlagartig nach oben, während die Menge von Nitrat-Stickstoff deutlich abfiel.

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EU-Kommission biete Hilfe an

Die EU-Kommission hat unterdessen den Behörden in Deutschland und Polen bei den Untersuchungen Unterstützung angeboten. "Wir sind bereit, mit allen Mitteln zu helfen bezüglich Expertise und Informationenaustausch mit anderen Ländern, um Antworten und Lösungen zu finden", sagte eine Kommissionssprecherin am Dienstag in Brüssel. Man sei mit den Behörden beider Länder in Kontakt.

Am Nachmittag sprach Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Man müsse Verschmutzungen so früh wie möglich und auch besser erkennen und koordiniert auf länderübergreifende Fälle reagieren, schrieb er danach auf Twitter. Sinkevicius habe auch mit der polnischen Umweltministerin Anna Moskwa telefoniert, sagte ein Sprecher.

In der Uckermark werden auf deutscher Seite nun auch Ölsperren gesetzt

Am uckermärkischen Abschnitt der Oder wurden unterdessen erfolgreich Öl-Sperren eingesetzt, um die Fisch-Kadaver gezielt abzusammeln. Dabei lasse sich auch von Erfahrungen in Polen profitieren, sagt Frank Gotzmann, Amtsdirektor in Gartz. "In Polen werden aktuell Eisbrecher eingesetzt, denn an den Oderufern liegt sehr viel toter Fisch", erklärte Gotzmann. Die Eisbrecher erzeugten einen großen Wellengang und spülten beispielsweise so aus dichten Schilfgürteln die Kadaver in den Fluss zurück. "Wenn der tote Fisch wieder in der Oder ist, wird er mittels der ausgelegten Ölsperren, die als Fischsperren umfunktioniert wurden, aus dem Wasser gefischt", so der Amtsdirektor weiter.

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Gerüchte auf Social Media über verletzte Helfer

Nachdem Hunderte Freiwillige, THW, Feuerwehr und Wasserwacht tonnenweise Fischkadaver aus der Oder geborgen haben, sind auf Social Media Gerüchte aufgetaucht, dass manche Helfer über Hautreaktionen klagten - auch weil es zu wenig Schutzausrüstung gegeben hätte.

Auf rbb-Nachfrage sagten Vertreter der Frankfurter Stadtverwaltung und des Landkreises Märkisch-Oderland, dass ihnen bisher keine Fälle von erkrankten Feuerwehrleuten oder Helfern bekannt seien. Auch gebe es ausreichend Schutzkleidung. Auch lägen bislang keine Hinweise vor, dass der Kontakt mit Fischen gefährlich sei.

Frankfurts Stadtsprecher Uwe Meyer kritisierte in diesem Kontext eine Warnung der Unfallkasse Berlin-Brandenburg (UKBB), die Einsatzkräfte verunsichere. Die UKBB hatte als zuständiger Unfallversicherungsträger des Landes Brandenburg per Mitteilung gefordert, dass "alle Einsatzkräfte Persönliche Schutzausrüstung, die die Aufnahmen von Chemikalien über die Haut verhindert, benötigen. Gegebenenfalls muss der Einsatz von geeignetem Atemschutz geprüft werden, damit Chemikaliendämpfe (Lösemittel!) nicht eingeatmet werden."

Meyer sagte, diese Warnung "wenig hilfreich" sei, "weil man unbegründet so die ganze Räumungsaktion infrage stellt", so Meyer. Die Stadt Frankfurt (Oder) hatte Kräfte von THW und Wasserwacht im Einsatz. "Das sind professionelle Strukturen", so Meyer.

Polnische Feuerwehr sammelt fast 100 Tonnen Fischkadaver aus dem Wasser

Unterdessen hat die polnische Feuerwehr nach eigenen Angaben bislang fast hundert Tonnen toter Fische aus der Oder und dem kleineren Fluss Ner geborgen. Insgesamt seien es 97,95 Tonnen, sagte die Sprecherin der Feuerwehr-Hauptverwaltung am Dienstag in Warschau. Der Großteil entfalle dabei auf die verendeten Fische aus der Oder.

Auch südlich der Hafenstadt Stettin sind mittlerweile nach Angaben polnischer Behörden in Kanälen, die mit der Oder verbunden sind, tote Fische gefunden worden. Dies bedeute, dass sich die verseuchten Wassermassen auf Stettin zubewegten, sagte der Chef der Gebietsadministration für die Woiwodschaft Westpommern, Zbigniew Bogucki, am Dienstag. Nördlich von Stettin liegt das Stettiner Haff.

Die Oder mündet in das Haff, das mit rund 900 Quadratkilometern etwa doppelt so groß ist wie der Bodensee. Es gehört zu zwei Dritteln zu Polen. Von dort verlaufen Wasserverbindungen zur Ostsee.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.08.2022, 16:40 Uhr

 

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