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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 12.08.2022 | T. Jaeger | Quelle: dpa/P.Pleul

Fragen und Antworten

Was über das Fischsterben in der Oder bisher bekannt ist

Tausende Fische in der Oder sind tot, die weiteren Folgen sind noch nicht absehbar. Neueste Wasserproben haben einen ungewöhnlich hohen Salzgehalt ergeben. Doch das ist wohl nicht die alleinige Ursache. Was bisher bekannt ist - und was nicht.

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Wie bedrohlich ist die Lage?

Das Fischsterben an der Oder ist sehr ernst zu nehmen. Zwar gibt es noch keinen Gesamtüberblick über die Zahl der verendeten Fische in Polen und Deutschland. Der Chef der polnischen Wasserbehörde sagte zuletzt aber, dass bereits zehn Tonnen verendeter Fische geborgen wurden. Die Rede ist also von Tausenden Tieren. "Das zeigt, dass wir es mit einer gigantischen und entsetzlichen Umweltkatastrophe zu tun haben", so Behördenchef Przemyslaw Daca.

Laut einer Gefahrenmitteilung der Behörden ist das Fischsterben in der gesamten Oder zu beobachten. Mehrere Landkreise entlang des Grenzflusses warnen vor Kontakt mit dem Wasser. Menschen sollten nicht in der Oder baden, keine Tiere aus dem Fluss trinken lassen, das Wasser nicht zur Bewässerung nutzen und keinen Fisch aus der Oder essen. Die Stadt Frankfurt (Oder) hat per Allgemeinverfügung für diese Dinge sogar ein Verbot ausgesprochen. Die Flussbadestelle in Schwedt (Oder) wurde vorsorglich gesperrt. Für Berlin bestehe derzeit keine Gefahr, der Oder-Spree-Kanal sei seit Donnerstagabend für den Schiffsverkehr gesperrt, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt.

Was hat das Fischsterben ausgelöst?

Die Ursache ist noch unbekannt, allerdings verdichten sich Hinweise, dass das Fischsterben durch mehrere Faktoren ausgelöst wurde.

Der Brandenburger Umweltminister Vogel (Grüne) nannte große Mengen an gelösten Salzen als eine der Ursachen für die verendeten Fische in der Oder. Laborergebnisse hätten erhöhte Salzfrachten in dem Fluss aufgezeigt, so Vogel am Freitagabend in rbb24 Brandenburg aktuell. Das sei absolut atypisch. Man könne daraus schließen, dass diese ursächlich für den Tod der vielen Fische seien. Diese Ergebnisse seien aber noch nicht abschließend, weitere Ergebnisse werden demnach erwartet.

Ob Quecksilberwerte erhöht sein könnten, wie es erste Untersuchungen gezeigt haben, werde weiter überprüft. Vogel betonte, dass Quecksilber als Fischgift langfristig wirke. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sei Quecksilber nicht in solchen Mengen in die Oder eingebracht, dass es hätte Fischsterben auslösen können.

Auch nach polnischen Angaben konnte in der Oder ein hoher Salzgehalt nachgewiesen werden. Das habe die Untersuchung von Proben aus Polen und Deutschland ergeben, teilte Polens Umweltministerin Anna Moskwa am Samstag mit. Am Samstagabend schloss die Ministerin zudem erhöhte Quecksilberwerte als Ursache für das Fischsterben in der Oder aus. Dies hätten die ersten toxikologischen Untersuchungsergebnisse von Proben toter Fische ergeben, schrieb Moskwa auf Twitter. "Das staatliche Veterinärinstitut hat sieben Arten getestet. Es hat Quecksilber als Ursache für das Fischsterben ausgeschlossen." Man warte nun auf die Ergebnisse von Untersuchungen auf andere Schadstoffe.

Tausende Kadaver in der Oder

Umweltminister Vogel: Eher Salzfrachten als Quecksilber für Fischtod verantwortlich

Nach dem massenhaften Fischsterben ist weiter unklar, was die Katastrophe ausgelöst hat. Nachdem zunächst Quecksilber im Fluss nachgewiesen wurde, stehen nun große Mengen an gelösten Salzen im Fokus. Frankfurt sprach derweil Verbote aus.

Zuvor hatte das brandenburgische Umweltministerium mitgeteilt, dass ein noch unbekannter, hoch toxischer Stoff die Oder durchlaufe. Erste Analyse-Ergebnisse zeigten übereinstimmend, dass vor einigen Tagen eine starke Welle organischer Substanzen durch Frankfurt an der Oder gegangen sei und sich seitdem flussabwärts fortsetze, aktuell bis Schwedt.

Viel deutlicher äußerte sich Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki. Seiner Aussage zufolge wurde das Fischsterben offenbar durch die Einleitung von Chemie-Abfällen ausgelöst. "Es ist wahrscheinlich, dass eine riesige Menge an chemischen Abfällen in den Fluss gekippt wurde, und das in voller Kenntnis der Risiken und Folgen", sagte Morawiecki in einer auf Facebook veröffentlichten Videobotschaft am Freitag. "Die wichtigste Aufgabe ist es jetzt, den Täter, den Giftmischer zu finden." Dies sei kein gewöhnliches Verbrechen, da der Schaden auf Jahre bleiben könne, so Polens Regierungschef weiter. "Wir werden nicht ruhen, bis die Schuldigen hart bestraft sind."

Was genau ist Quecksilber?

Quecksilber ist ein für den Menschen giftiges Schwermetall. Es durchläuft in der Umwelt "viele Stoffkreisläufe zwischen den Luft, Wasser und Boden, ehe es in tiefen Sedimentschichten eingeschlossen wird oder stabile mineralische Verbindungen eingeht und so schließlich nicht weiter verteilt werden kann", erklärt das Umweltbundesamt auf dessen Internetpräsenz.

Demnach gelangt es zum einen über natürliche Quellen in die Umwelt, dazu gehören Erosion, Vulkanausbrüche oder Waldbrände. Zum anderen setzt der Mensch Quecksilber frei. Es ist unter anderem in Fieberthermometern, Knopfbatterien und Amalgam-Zahnfüllungen zu finden oder entsteht bei der Verbrennung fossiler Stoffe wie Kohle oder Müll. In der Industrie dient es
darüber hinaus etwa zur Gewinnung von Edelmetallen.

Wer kürzlich noch in der Oder baden war, brauche sich keine Sorgen zu machen. Solange niemand das Oder-Wasser trinke, seien gesundheitliche Folgen unwahrscheinlich, sagte Werner Kloas, Ökotoxikologe am Leibniz Institut für Gewässerökologie dem rbb. Auch er rät aber, sich nun vom Wasser fern zu halten.

Quelle: rbb

Wie wird vor Ort jetzt vorgegangen?

Kommunen wie Frankfurt (Oder) und Märkisch-Oderland sammeln die toten Tiere ein. Die Kadaver müssten weggebracht werden, denn inzwischen hätten die verendeten Tiere Vögel und Schlangen angelockt. Die Kadaver werden in einer Verbrennungsanlage des Landesumweltamtes gebracht und dort beseitigt. Helfer im Kreis Märkisch-Oderland sind bereits auf einer Länge von rund 80 Kilometern am Ufer unterwegs. Inzwischen sind auch 100 Kilometer flussabwärts von Frankfurt bei Schwedt im Nationalpark Unteres Odertal Fischkadaver entdeckt worden. Auch ein verendeter Biber sei bereits eingesammelt worden, teilte der Nationalpark Unteres Odertal mit.

Auch auf der polnischen Seite in Slubice haben sich Freiwillige aufgemacht, die toten Tieren einzusammeln.

Massives Fischsterben in der Oder

Umweltminister Vogel kritisiert offen polnische Informationspolitik

Noch immer ist die Ursache für das massive Fischsterben in der Oder nicht geklärt. Behörden warnen davor, mit dem Flusswasser in Kontakt zu kommen. Brandenburgs Umweltminister Vogel kritisiert die polnische Informationspolitik. Das rbb Fernsehen sendet um 20:15 Uhr eine Sondersendung zum Fischsterben.

Wie regieren die Behörden in Polen auf die Lage?

Nach Angaben der polnischen Umweltschutzbehörde wurde das Fischsterben wahrscheinlich von einer Wasserverschmutzung durch die Industrie ausgelöst. Die Behörden haben nach Darstellung des Infrastrukturministeriums in Warschau bereits Ende Juli auf Hinweise auf ein Oder-Fischsterben reagiert. In den Tagen vom 26. bis 28. Juli habe es die ersten entsprechenden Signale gegeben, daraufhin seien Wasserproben entnommen und tote Fische geborgen worden, ergibt sich aus einem Kalender der polnischen Wasserbehörde, den das Ministerium am Freitag per Twitter veröffentlichte.

Wie die "Märkische Oderzeitung" am Freitag berichtete, verweist die polnische Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" zudem auf eine Papierfabrik in der Stadt Oława (Ohlau). Dem Bericht nach sollen Anwohner bereits vor Monaten den örtlichen Umweltbehörden gemeldet haben, "dass giftige Abwässer aus der Firma direkt in den Fluss gespült worden seien."

Fischsterben in der Oder

Schifffahrtsverwaltung stoppt Verkehr auf dem Oder-Spree-Kanal

Kooperieren Brandenburg und Polen?

Vermutlich tun sie das spätestens jetzt: Zuletzt hatte nämlich Umweltminister Vogel die Kommunikation der zuständigen Behörden in Polen kritisiert.

Man wisse "nur von Dritten und aus Medien, dass in größerem Umfang Lösungsmittel freigesetzt wurden, die möglicherweise für das Fischsterben mit verantwortlich sind. Es ist festzustellen, dass die vereinbarten Meldewege nicht eingehalten wurden und wir deswegen auch viele Informationen nicht haben, die wir hätten haben sollen", sagte der Umweltminister im rbb-Interview.

Auch das Bundesumweltministerium übte Kritik. "Tatsächlich wissen wir, dass diese Meldekette, die für solche Fälle vorgesehen ist, nicht funktioniert hat", sagte ein Sprecher des Umweltministeriums am Freitag in Berlin. Gemeint ist das frühzeitige Melden des Fischsterbens auf der polnischen Seite. Die Meldekette habe "bis gestern", also bis Donnerstag, nicht funktioniert, erklärte der Sprecher weiter. "Gestern gab es dann schließlich die Meldung, die von der polnischen Seite hätte kommen müssen. Aber da war eben tatsächlich auch schon die Verschmutzung auf deutscher Seite bekannt."

Wie geht es jetzt weiter?

Alle Augen richten sich nun auf die offiziellen und endgültigen Messergebnisse - die Untersuchungen zur Aufklärung des massenhaften Fischsterbens in der Oder dauern aber weiterhin an. In Brandenburg werden Ergebnisse zum Fischsterben am Montag erwartet. Polen wollte die Untersuchungsergebnisse von massenweise verendeten Fischen aus der Oder frühestens am Sonntag vorlegen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grünen) kündigte eine bessere Zusammenarbeit mit Polen wegen des Fischsterbens an. Das habe sie mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa besprochen. So solle es eine gemeinsame Expertenbewertung der Situation geben und einen Austausch der Analyseergebnisse.

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