Reportage - "Mit PCK steht oder fällt Schwedt"

Do 12.05.22 | 15:27 Uhr | Von Jonas Wintermantel
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Das PCK in Schwedt.
Audio: Antenne Brandenburg | 12.05.2022 | Jonas Wintermantel | Bild: rbb

Mit jedem weiteren Kriegstag in der Ukraine wird auch ein europäisches Öl-Embargo gegen Russland immer wahrscheinlicher. Kaum einen Ort würde das so hart treffen wie Schwedt - eine Stadt, die um ihre Zukunft bangt. Von Jonas Wintermantel

Das rbb24 Spezial "Schwedt und das Öl – eine Stadt muss sich neu erfinden" läuft am 12.05.2022 um 20:15 Uhr im rbb Fernsehen.

"Wenn das PCK hustet, dann hat Schwedt die Grippe. Alles, was hier angesiedelt ist, an Jugendlichen, an noch arbeitenden Menschen - alle sind irgendwie abhängig vom PCK", sagt Axel Brüske, der zusammen mit seinem Sohn in Schwedt (Uckermark) gerade ein Haus baut.

Eigentlich eine Investition für die Zukunft, die durch das drohende Öl-Embargo gegen Russland nun plötzlich ins Wanken gerät. Brüske hat im PCK-Werk mehr als 40 Jahre gearbeitet. Wie die meisten Schwedter muss er sich nun um seine Existenz sorgen.

Nicht nur die 1.200 Arbeitsplätze sind bedroht

Seit fast 60 Jahren wird in der PCK-Raffinerie russisches Erdöl verarbeitet, das über die Pipeline "Druschba" nach Schwedt kommt. Die daraus hergestellten Kraft- und Brennstoffe versorgen Brandenburg und Berlin, außerdem Teile Norddeutschlands und Westpolens. 1.200 Beschäftigte hat das PCK-Werk in Schwedt, doch nicht nur die sind von einem Embargo und einem möglichen Stillstand in der Raffinerie bedroht.

In Schwedt lässt die Zukunft des Werks niemanden kalt, das macht auch eine kurze Umfrage auf dem Marktplatz deutlich. Dort hat der Fischer Helmut Zahn seinen Stand. Natürlich profitiert auch er vom Geld der Industriearbeiter: "Mein Eindruck ist das Gefühl wie damals zur Wende. Als überall die Arbeitsplätze weggebrochen sind, man Stadtrückbau machen musste. Junge Leute sind weggezogen, es gab keine rosigen Zukunftsaussichten."

PCK-Werk als Identifikationsort

Die Raffinerie am Stadtrand ist für Schwedt mehr als nur der größte Arbeitgeber. Über die Jahrzehnte seines Betriebes ist das PCK-Werk auch zum Identifikationsort geworden.

Regina Samain betreibt in Schwedt einen Friseursalon, viele ihrer Kunden sind Mitarbeiter des Werks. Die Erinnerungen, die sie mit dem Werk verbindet, könnten die meisten Schwedter genau so oder so ähnlich wiedergeben: "Immer präsent, ob früher mit der Fackel, die immer ins Kinderzimmer geschienen hat, mit den Gerüchen, die manchmal hier rüberkamen. Ich finde das PCK immer schön. Beeindruckend, diese Größe. Ich finde, mit PCK steht oder fällt Schwedt."

Vor dem Hintergrund von Klimaneutralität und dem grünen Umbau der Wirtschaft wurde in Schwedt auch lange vor dem russischen Angriffskrieg über die Zukunft des PCK-Werks nachgedacht. Für eine Region, in der kaum Industrie angesiedelt ist, geht es dabei um nicht weniger als ums wirtschaftliche Überleben. Das drohende Öl-Embargo hat deshalb die Debatte um die Transformation stark beschleunigt.

Hoffnung durch alternative Kraftstoffe?

"Natürlich ist es richtig, dass wir uns als Stadt Schwedt dem Transformationsprozess stellen", sagt Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD). "Wir bereiten einen Innovationscampus vor, der genau auf diese Dinge ausgerichtet ist: dass Forschung hierhergeholt wird, dass man den Standort transformiert, um alternative Kraftstoffe herzustellen."

Bis dieser Umbau vollzogen sein wird, könne es jedoch bis zu zehn Jahre dauern, schätzte der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) vergangenen Montag bei einem Besuch in Schwedt.

So lange möchte man in Schwedt natürlich nicht auf Lösungen warten. Das weiß auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der in Schwedt Anfang dieser Woche für den Transformationsprozess warb.

Habeck verspricht vorsichtig "Job-Sicherheit"

Der Besuch im PCK-Werk für ihn als Grünen-Politiker alles andere als ein Heimspiel. Gerade deshalb sucht er die Nähe der Beschäftigten. "Sie haben die Existenznöte. Ich weiß, dass der Druck vor allem bei Ihnen liegt", sagt der Minister.

Habeck steht inmitten Hunderter Beschäftigter auf zwei Tischen, damit ihn alle sehen und hören können. Hier im Werk will er die Ängste und Sorgen der Schwedter ausräumen: "Ohne Frage gehen wir jetzt durch eine schwierige Zeit. Aber wenn wir sie bestehen, dann besteht eine gute Chance, dass wir auch in fünf Jahren hier noch stehen und eine Perspektive haben für die nächsten 15 Jahre."

Die Perspektive, die er aufzeichnet: eine "Raffinerie 2.0" in Schwedt - für grünes Kerosin und Wasserstoff, für alternative Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien. Doch diese Vision überzeugt unter den Beschäftigten des PCK längst nicht alle.

Viele glauben nicht an eine Alternative zum russischen Öl. "Mein Wunsch wäre eigentlich, die Druschba-Leitung komplett aus dem Embargo rauszunehmen", sagt eine Mitarbeiterin während der Aussprache mit dem Minister. Ihrer Forderung folgt lauter Applaus aus dem Publikum. "Es gibt keine Alternative, die wirtschaftlich ist."

Ihre Nachricht an den Minister beendet sie mit einem nachdrücklichen Appell: "Ich wollte Sie höflich daran erinnern, dass Sie einen Eid abgelegt haben. Dass sie geschworen haben, Ihre Kraft dem deutschen Volke zu widmen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden." Der Applaus Ihrer Kollegen ist dabei noch ein bisschen lauter geworden.

Sendung: rbb 24 Spezial, 12.05.2022, 20:15 Uhr

Beitrag von Jonas Wintermantel

4 Kommentare

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  1. 4.

    Sehe ich anders. Die vergleichbaren historischen Beispiele sind die Vietnamkriege und der sowjetische Afganistankrieg. Es ist natürlich eine Frage wieviele Opfer die Ukrainer bereit sind zu tragen und wie stark die Ukraine tatsächlich vom Westen mit Waffen unterstützt wird.
    Der Einsatz von taktischen Kernwaffen macht keinen Sinn, da diese auch für die Russen verbrannte Erde auf Jahre hinterlassen und weil es konventionelle Waffensysteme gib, z.B. thermobare Aerosolbomben, VX-Gas, etc, die ähnliche Zerstörungsqualitäten haben.
    Zur Wand steht Putin NUR DANN, wenn irgendeine Macht Russland auf ihrem eigenen Territorium angreifen würde. Dann könnte Putin in eine aussichtslose Lage geraten und gemäß Abschreckungstheorem atomar antworten. Denn er hätte dann ja nichts mehr zu verlieren. Solange der Krieg auf annektierten Gebieten Russlands stattfindet, besteht diese Gefahr nicht.

  2. 3.

    Bedenken muss man auch die Situation, dass V. Putin baausser dem Rücken zur Wand stehen könnte, durch die westlichen Waffenlieferungen. Was passiert dann? Eine Option wäre der Einsatz von taktischen Atomwaffen durch Russland, gegen die kein konventionelles Kriegsgerät bestand hat.
    Also vom Ende her gedacht, hat die Ukraine keine Chance diesen Krieg zu gewinnen, ausser V. Putin lässt es zu.
    Wie kann sich die Ukraine also selbstständig aus dieser Zwickmühle befreien. Es hängt offenbar alles davon ab, wie skrupellos V. Putin wirklich ist.

  3. 2.

    Ja, die Situation ist eine Herausforderung - für Alle.
    Jedoch sehe ich selbst bei den Unternehmen absolut nicht, dass sie etwas unternehmen. Sind denn unsere Manager in den Vorstandsetagen in eine Lethargie verfallen, dass sie nur noch "Keuchhustend" von der Politik dauerhaft Fordern.

    So, liebe Unternehmer - jetzt ist die Zeit gekommen, die Zeitenwende zu gestalten anstatt abzuwarten.
    Im übrigen wartet das Klima bestimmt nicht länger...

    Oder doch - Nieten in Nagelstreifen...?

  4. 1.

    Der Klimawandel ist in vollem Gang, der Wandel ist nicht zu verhindern,; umsomehr verzögert wird, umso schmerzhafter wird es

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