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Wirtschaftliche Probleme und Bauverzögerungen

Wie der Steglitzer Kreisel zum Symbol für den Tiefflug der Adler Group wird

Besorgniserregende Meldungen über den Immobilien-Konzern "Adler Group" häufen sich: hohe Verluste, Stress mit den Wirtschaftsprüfern und Bauverzögerungen. Auch beim Berliner Prestigeprojekt, dem Steglitzer Kreisel, läuft es nicht rund für Adler. Von Simon Wenzel

Der Steglitzer Kreisel ragt seit Jahren wie ein Symbol der Selbstüberschätzung und des Scheiterns am südlichen Ende der Schloßstraße in die Höhe. Ein Stahl- und Beton-Gerippe, eingekleidet von einem riesigen Baugerüst. Von der großen Vision "ÜBerlin", dem modernen Turm voller schicker Eigentumswohnungen mit Blick über die ganze Stadt, der hier entstehen soll, ist auch über vier Jahre nach Baubeginn noch nichts zu erkennen.

Die Baustelle am Steglitzer Kreisel in dieser Woche: Unklar, was hinter dem zarten Schleier der Bauplane geschieht. | Quelle: rbb/ Simon Wenzel

An einer Eingangstür unter dem Gerüst steht auf einem laminierten Blatt Papier, wer hier baut: die Adler Group. Ein großes Immobilienunternehmen mit Hauptsitz in Luxemburg und Büro in Berlin.

Und das bestätigt nun auf rbb-Anfrage, was regelmäßige Beobachter der Baustelle ohnehin längst ahnten: Der Bau dauert noch länger, als bisher kommuniziert. Schon wieder gibt es eine Verschiebung des Plans. Es sei zu "Verzögerungen im Bauablauf" gekommen, schreibt ein Unternehmenssprecher per Mail.

Kein erkennbarer Fortschritt trotz Vertragsstrafe

Eigentlich sollte seit Anfang des Jahres die Bautätigkeit auf der prominenten Problem-Baustelle im Berliner Süden "stärker sichtbar" werden. So hatte es zumindest der Bezirksstadtradtrat von Steglitz Zehlendorf, Michael Karnetzki (SPD), noch Ende letzten Jahres erwartet. Jetzt teilt auch er auf rbb-Anfrage mit: "Gegenüber dem Bauzeitenplan vom November 2021, […], hat es weitere Bauverzögerungen gegeben, wie ein mir vorliegender neuer Bauzeitenplan von März zeigt." Adler bestätigt, dass es einen neuen Bauzeitenplan gibt.

Dabei soll es sich um einen etwa viermonatigen Verzug handeln, wie der rbb erfuhr. "Nicht nur das Bezirksamt schätzt den Baufortschritt beim Kreisel als unbefriedigend ein", sagt Bezirksstadtrat Karnetzki deshalb. Die Berliner Immobilien-Management GmbH (BIM), ein landeseigenes Immobilien-Unternehmen, soll inzwischen eine Vertragsstrafe gegen die Adler Group verhängt haben; dementsprechende Medienberichte ließ sich Bezirksstadtrat Karnetzki von der BIM bestätigen. Viel mehr scheint erstmal nicht drin zu sein. Der Bezirk selbst habe keine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, erklärt Karnetzki, die Bauaufsicht stehe aber in ständigem Kontakt mit dem Bauherren.

Rückblick 2019: Projekt "ÜBerlin"

Atemberaubender Blick und schwindelerregende Preise

Chronologie des Schreckens für Wohnungskäufer

Es ist ein frustrierender Zustand. Erst recht für die Käufer der Wohnungen, die von einer luxuriösen Wohnlage, hoch oben im künftigen "ÜBerlin"-Haus geträumt hatten. Welche zu finden, die darüber in einem Interview sprechen wollen, ist nicht leicht. André Gaufer ist da eine Ausnahme: Der Unternehmer kaufte 2018 über seine Firma "Profinance GmbH" eine Wohnung im 19. Stock des Wohnturms. Damals hieß der Eigentümer des Steglitzer Kreisels noch "CG-Gruppe", und der Bau sollte bis Ende 2021 fertig werden.

Bevor diese Frist allerdings erreicht werden konnte, wurde CG im Jahr 2020 von der "Consus Real Estate" übernommen. Kurz darauf ging diese wiederum im neu gegründeten Immobilien-Konzern Adler Group auf.

Die neuen Macher korrigierten Ende 2020 dann auch direkt mal das Bauziel: Fertigstellung im Sommer 2024 hieß es plötzlich (nach dem nun bekannt gewordenen neuen Plan, wird es wohl es eher bis Ende 2024 dauern). Außerdem sollten Gaufer und wohl auch andere Käufer einen Nachtrag zum Kaufvertrag unterschreiben. Zusatzleistungen für die gekauften Wohnungen, wie Garagenstellplätze und Fahrrad-Aufzüge sollten aus den Kaufverträgen verschwinden. Adler hat andere Pläne für den Sockel des Gebäudes: einen Verkauf. Dem Bezirk liegt hierzu ein Bauantrag vor, der ermöglichen würde, aus dem Parkhaus ein Bürogebäude zu machen, der Antrag ist allerdings noch unvollständig.

Wohnungskäufer Gaufer wollte all das nicht hinnehmen, unterzeichnete den Nachtrag nicht und befindet sich inzwischen sogar deshalb im Rechtsstreit mit der Adler Group; Anfang November beginnt die Verhandlung vor dem Landgericht Berlin.

Adler Group hat längst größere Probleme

Der 56-Jährige muss deshalb ein bisschen vorsichtig sein, welche Gedanken rund um den Kreisel er öffentlich äußert und welche nicht. Was er sagen darf: Einen Baufortschritt jedenfalls könne auch er nicht feststellen. Im Gegensatz zum Bezirk sei er aber nicht über den neuen Bauzeitenplan informiert worden.

Gaufer wohnt in Steglitz und schaut regelmäßig am Kreisel vorbei und hinauf, zu einer der höchsten Baustellen Berlins. Inzwischen befürchtet er sogar, dass der Steglitzer Kreisel vielleicht gar nicht mehr fertiggestellt wird. "Jedenfalls nicht von der Adler Group", sagt Gaufer. Der Grund für diese Sorgen sind die aktuellen Krisenmeldungen über den Immobilienkonzern. Seit Monaten ist der Ruf der Adler-Gruppe im medialen Sinkflug.

Das begann, als im Oktober letzten Jahres der Investor und Leerverkäufer Fraser Perring über seine Analysefirma "Viceroy" ein Dossier zur Adler Group veröffentlichte, in dem er dem Unternehmen Schwerwiegendes vorwarf: unter anderem Manipulation bei der Bewertung von Immobilien und Täuschung seiner Geldgeber. Weil Perring einer der ersten war, die 2016 eine Insolvenz von Wirecard prognostiziert hatten, sorgte sein Bericht an der Börse und in den deutschen Medien für viel Aufsehen. Adler wies die Vorwürfe damals in einer offiziellen Stellungnahme zurück und gab eine Sonderuntersuchung beim Wirtschaftsprüfer KPMG in Auftrag. Nach mehreren Monaten konnten die Prüfer Perrings Vorwürfe allerdings nur teilweise widerlegen.

Ende April beschleunigte sich der Sturzflug des Adlers: KPMG kündigte an, dem Jahresabschluss der Adler Gruppe das Testat zu verweigern. Ein seltener Vorgang, der die Krise des Immobilienkonzerns verschärfte und für einen personellen Umbruch in der Führungsebene sorgte. Die Wirtschaftsprüfer scheint das allerdings noch nicht zu überzeugen, zumindest lässt sich eine Meldung [tagesschau.de] aus dieser Woche so deuten: Am Dienstag gab KPMG bekannt, nicht mehr für eine Zusammenarbeit mit der Adler Gruppe zur Verfügung zu stehen. Wegen der Turbulenzen der vergangenen Wochen beschäftigen sich inzwischen auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Finanzausschuss des Bundestages mit dem Fall Adler. Am Mittwochmorgen war der Chef der BaFin bei einer nichtöffentlichen Sitzung im Ausschuss zu Gast und erstattete Bericht.


Unternehmenstochter und "Sorgenkind" verantwortet den Kreisel

Parallel häufen sich deutschlandweit Medienberichte über stillstehende oder in Verzug geratene Großbauprojekte der Adler Gruppe. Der Steglitzer Kreisel scheint kein Einzelfall zu sein. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) berichtete im April und Mai über ruhende Bauprojekte in Düsseldorf und Köln, in Hamburg schrieb die Zeitung "taz" kürzlich vom stockenden Umbau eines Brauerei-Geländes, das "Handelsblatt" listete schon im November in einem Artikel deutschlandweite Bauprojekte des Konzerns auf, die in Verzug geraten seien sollen.

Und nun rückt die Adler-Tochter "Consus Real Estate" in den Fokus: das Unternehmen, zu dessen Portfolio der Steglitzer Kreisel gehört. Anfang der Woche machte Consus eine sogenannte Verlustanzeige auf seiner Homepage öffentlich. Für den Abschluss des Geschäftsjahres 2021 wird demnach ein Verlust und ein negatives Eigenkapital erwartet. Grund seien Wertberichtigungen bei Immobilien und das voraussichtlich in dreistelliger Millionen-Höhe, wie Adler-Verwaltungsratschef Stefan Kirsten im Rahmen einer Pressekonferenz am Dienstag erklärte. Die Verlustanzeige der Consus ist kein Teil der angekündigten Transparenzoffensive von Adler nach dem KPMG-Desaster, sondern eine Pflicht-Meldung laut Aktiengesetz. Sie soll ein Schutzmechanismus für Anleger:innen sein. Auch wenn der Jahresabschluss des Unternehmens erst Ende des Monats vollständig fertig wird, kann man schon jetzt die Aussage treffen: Es steht nicht gut um Consus.

Selbst Adler-Verwaltungsratschef Kirsten nannte die Tochterfirma das "Sorgenkind" des Konzerns. Adler wolle Consus nun unterstützen, versicherte er - schließlich gehören der Gruppe mehr als 90 Prozent der Anteile am Unternehmen - wie genau, sei aber noch nicht klar. Bis auf eine Insolvenz der Tochter wollte Stefan Kirsten in einer Fragerunde mit Journalisten nichts ausschließen - auch einen künftigen Verkauf nicht, wenngleich dieser aufgrund der massiven Verluste nicht sofort eine Option zu sein scheint.

Streit um Neubauziele in Berlin

Risse im rot-grün-roten Fundament

20.0000 neue Wohnungen pro Jahr wollen SPD, Grüne und Linke in Berlin bauen - allerdings mit sehr unterschiedlich starkem Enthusiasmus. Vor allem die Linke zweifelt den Sinn des Neubaus an - und provoziert damit den Bausenator. Von S. Schöbel und I. Völlnagel

Droht Steglitz eine Kreisel-Dauerbaustelle auf Jahre?

Solche Nachrichten tragen nicht zur Beruhigung von Wohnungskäufer:innen wie André Gaufer bei. Was, wenn die Consus doch nicht zu retten wäre und das Gebäude im Bau erneut den Besitzer wechselt? Oder wenn die finanziellen Mittel der Gruppe nur noch für die Fertigstellung einiger weniger Projekte in seinem deutschlandweiten Portfolio reichen würden, der Kreisel aber nicht dazu gehört? Eine Priorisierung innerhalb der Baustellen solle es geben, erklärte Stefan Kirsten am Dienstag. Wie die aussieht, wollte er aber nicht verraten - das sei Aufgabe des Managements.

Bezirksstadtrat Michael Karnetzki teilt auf rbb-Anfrage mit, dass Adler ihm zumindest versichert habe, dass die Finanzierung der Baumaßnahmen am Steglitzer Kreisel gesichert sei. Überprüfen ließe sich das für ihn allerdings nicht. Auch die Adler Group schreibt in ihrer Mail, die Realisierung des "ÜBerlin"-Projektes werde nicht in Frage gestellt.

Tatsächlicher Baufortschritt kaum zu beurteilen

Die neuerliche Verzögerung beim Steglitzer Prestigeprojekt begründet das Unternehmen mit Material- und Personalknappheit aufgrund der Pandemie und des Krieges in der Ukraine. Laut Adler schreite der Bau allerdings voran: Derzeit sollen im Inneren des Gebäudes Stabilisierungen vorgenommen werden, unter anderem an den Aufzugsschächten. Was hinter dem leichten Schleier der transparenten Bauplanen tatsächlich geschieht, lässt sich von außen aber kaum beurteilen.

Die ursprünglich für Januar von Bezirksstadtrat Karnetzki erhoffte "stärker sichtbare" Bautätigkeit allerdings ist auch im Mai (also fünf Monate nach Jahresbeginn) nicht zu beobachten - und auch nicht zu hören. Inmitten des geschäftigen Treibens rund um die Straßenkreuzung Schloß- und Albrechtstraße ruht das turmhohe Gerippe von "ÜBerlin". Aktuell wirkt es eher wie ein Monument des Stillstands.

Beitrag von Simon Wenzel

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