Die Rolling Stones in der Waldbühne - "Viel Eintrittsgeld für einen Besuch bei Opa und seinen Kumpels - einerseits…"

Di 02.08.22 | 17:36 Uhr | Von Arno Frank
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Mick Jagger, Ronnie Wood und Keith Richards von Rolling Stones (Quelle: dpa/Ali Lorestani)
dpa/Ali Lorestani
Video: rbb24 Abendschau | 02.08.2022 | Ulli Zelle | Bild: dpa/Ali Lorestani

Das erste Konzert der Rolling Stones in der Waldbühne ging in die Geschichte ein - auch weil die Arena danach zerstört war. Nun sind die Stones zurück. In die Historie eingehen könnten nun vor allem die Ticketpreise. Ob sich das noch lohnt, fragt sich Arno Frank.

Ob es sich heute noch lohnen kann, zu einem Konzert der Rolling Stones zu gehen? Was heißt "heute noch"? Wann denn sonst? Sie sind schon am Hof von König Heinrich VIII. angetreten, waren während des Dreißigjähriges Kriegs auf Tournee und haben beim Wiener Kongress 1814 dafür gesorgt, dass sich alle Beteiligten mit Stühlen geprügelt haben.

Aber im Ernst: Die Rolling Stones sind die popkulturelle Speerspitze an der Altersfront. Ich war schon in den 1990er Jahren in München auf einem Rolling-Stones-Konzert im Olympiastadion, weil es hieß: "Wer weiß, ob die jemals wiederkommen." Da waren Mick Jagger und Keith Richards schon so alt wie ich heute - so um die 50 Jahre.

Seitdem ist jedes Konzert eine Wette darauf, dass ihr Rhythm 'n' Blues auch mit beinahe 80 Jahren noch so abgehangen klingt, wie er schon vor 60 Jahren klang, als sie damit angefangen haben, die Akkorde von Muddy Waters und anderen schwarzen Künstlern zu stibitzen.

Heute verkaufen die Stones ihre eigene Unsterblichkeit

Keine Konzertkritik kommt ohne den Hinweis aus, wie "fit" dieser Mick Jagger wieder von rechts nach links gelaufen ist. Als wäre es eine geriatrische Leistungsschau. Früher war Rock'n'Roll der Soundtrack der Jugend, als das Konzept der Jugend gerade erst erfunden worden war.

Heute sind die Rolling Stones Handlungsreisende, sie verkaufen ihre eigene Unsterblichkeit. Dazu passt der Spruch: "Wir müssen uns langsam mal überlegen, wie wir unserem Keith Richards den Planeten überlassen wollen".

Die Stones kommen zwar immer wieder. Viel kommt da aber nicht mehr. Ihre besten Songs sind älter als Sie und ich, seit "Start me Up" von 1981 klingt im Grunde jede Single gleich. Never change a winning wild horse, wie die Angelsachsen sagen, zumal sie sich selbst in den Kanon der Popkultur hineintätowiert haben.

Für die Denkmalpflege

Altamont Speedway, Reichsparteitagsgelände - oder eben die Waldbühne 1965. Die Allererwachsensten unter Ihnen werden noch heute stolz die Narben dieser legendären Schlacht vorzeigen können. Mittwoch wird es vermutlich gesitteter zugehen. Wie es sich für die Denkmalpflege gehört.

Ist das Geld für die Tickets gerechtfertigt? Nicht seit Schlagzeuger Charlie Watts gestorben ist. Rund 200 Euro auf den billigsten Rängen ganz oben, 560 Euro ganz unten vor der Bühne. In die Waldbühne passen so viele Leute, wie die "taz" Genossinnen hat, also rund 22.000. Am Ende dieses Abends werden einige Millionen Euro eingenommen sein. Seitens der Rolling Stones lohnt es sich also allemal.

Zum Vergleich: 1965 kosteten die teuersten Karten zehn Mark, das sind rund fünf Euro. Damals kam jeder, der das wollte. Heute kommt nur, wer sich das leisten kann - und will. Selbst inflationsbereinigt können jetzt auch solvente Musikfreunde ihre persönliche Schmerzgrenze austesten.

Reise mit einer Zeitmaschine

Bald 600 Euro mit Gebühren, das ist ein Drittel mehr als der übliche Hartz-IV-Satz oder, je nach Rechnung, ein zehntägiger Urlaub auf Island inklusive Flug und Unterkunft. Oder die Summe, die jeder Haushalt in diesem Jahr mehr für Gas bezahlen muss. Also verdammt viel Eintrittsgeld für einen Besuch bei Opa und seinen Kumpels im Altersheim. Einerseits.

Andererseits geht es, wie gesagt, nicht wirklich um Musik. Sondern um eine Reise mit einer verlässlich funktionierenden Zeitmaschine. So gesehen ist das noch viel zu günstig.

Sendung: rbb24 Abendschau, 02.08.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Arno Frank

54 Kommentare

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  1. 54.

    Waldbühne - steht noch. Erdbeben - null. Das Alter eben.

  2. 50.

    Es wird doch nur verlangt was auch bezahlt wird. 10 DM von vor 30-40 Jahren sind doch längst nicht mehr 5 Euro. Mal überleget was Normalbürger damals für ein Gehalt hatten und wir es heute aussieht?
    Wäre das Geld nicht da, wären die Veranstaltungen leer. Übrigens, auch zu Rolling Stones/Berlin/Waldbühnezeiten gabs teuerere Karten. Sofern man überhaupt eine bekam.
    Übrigens: dass es die Stones heute noch gibt liegt sicher auch daran, dass sie ihrem Stiel all die Jahre treu geblieben sind.

  3. 49.

    Ich wäre gern dabei gewesen, ich bin so neidisch, aber ich sitze auf Rügen fest und wir hören Konzerte am Compost-Hill.

  4. 47.

    Dann machen Sie doch Ihre wichtigen Sachen und lassen den Fans ihren Spaß!!! Manche Leute müssen ihren Senf überall dazugeben.

  5. 46.

    Wurden auch Freikarten an Mitarbeiter der Genehmigungsbehörden verteilt ? Vor einigen Jahren war es in Hamburg zum Stones Konzert der Fall. Alle mussten sich in Disziplinarverfahren und teilweise vor Gericht verantworten, einschließlich Bezirksamtsleiter.

  6. 45.

    Die Herren besitzen genügend Sensibilität, siehe Kostenloses Konzert 2016 in Havana, und vor Allem im Umgang miteiander, eine Recherche lohnt sich, da sollten sich viele ein Beispiel nehmen.
    Tja, der Neid etc. verursachen einen Tunnelblick, leider.

  7. 44.

    Habe 2010 für damals auch schon unglaubliche 150 € Prince bei seinem einzigen Deutschland Konzert in der Waldbühne gesehen, worüber ich immer noch sehr glücklich bin. Als extremer Fan war es mir das zwar wert,aber auch dieser Preis war schon überzogen, was mir sehr wohl bewußt war und mich auch wirklich ärgerte. Manchmal möchte man aber eben auch nur eine Legende sehen, und wer weiß, wie lange diese alten Herren noch unter uns weilen werden. Ich glaube nicht, daß man solchen etablierten Millionären /Künstlern noch irgendwelche 'Botschaften' abnehmen muß, sie sind einfach nur Musikgeschichte. Und um diese zu erleben zahlt man entweder oder auch nicht. Es werden sich immer Leute finden, die Leidenschaften anderer ausnutzen und damit Kohle machen. Und jeder muß für sich entscheiden: ist mir diese Sache wichtig oder nicht. Vielleicht braucht Mike schon nächstes Jahr einen Rollator, dann können sich alle Fans rückblickend über das diesjährige Konzert freuen. LG aus Berlin

  8. 43.

    De gustibus non disputandum - über (Musik-)Geschmack sollte man nicht streiten. Ich kann mich an keinen Musiktitel der letzten Jahre erinnern, der an „Love in vain“ oder „Wild horses“ u.v.a. auch nur entfernt herangereicht hätte.

  9. 42.

    600,-Euro . Muss man solchen Ticketwahnsinn unterstützen ?

  10. 41.

    Nun, dann trifft: „You can‘t always get what you want…” gut auf Sie zu.

  11. 39.

    Sie haben vollkommen Recht,,,ich war 1998 im Olympia Stadion . Unvergessen. Wenn Sie heute Abend dort sind wünsche ich Ihnen viel Spaß.
    Ich habe den Soundcheck heute Vormittag gehört...war schon stark.

  12. 38.

    Es schließt aber leider sehr viele Menschen aus, die gerne hingegangen wären, es sich aber nicht leisten konnten. Die Stones waren einst Teil der Arbeiterklasse, ich hätte hier etwas mehr Sensibilität erwartet. Zumal die Herren ganz sicher nicht am Hungertuch nagen.

  13. 37.

    Worüber regen wir uns eigentlich auf. Solange es Leute gibt die bereit sind diese Preise zu bezahlen ist doch die Welt in Ordnung. Ich bin kein Fan dieser alten Männer und würde es niemals bezahlen. Punkt!!

  14. 36.

    Also lieber Arno, ich habe unter 200€ pro Karte gezahlt, in Zukunft bitte besser recherchieren… wem es zu teuer ist, der muss ja nicht gehen! Einmal im Leben die Stones gesehen zu haben, das ist einfach unbezahlbar!

  15. 35.

    >“… Stones-Musik ein revolutionärer gesellschaftlicher Impuls…“
    Ach echt… Welcher bitte? Wäre unsere Gesellschaft eine andere ohne diese Band? Vielleicht erhellen Sie uns mit max. 1000 Zeichen.

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