20 Jahre kein Personenverkehr - Zwischen Guben und Zielona Góra fahren wieder Regionalbahnen
Bahnreisende können ab Sonntag wieder direkt von Guben in die polnische Universitätsstadt Zielona Góra fahren - nach 20 Jahren wird die Verbindung reaktiviert. Es ist ein Etappenziel auf dem Weg zum weiteren Ausbau der Strecke. Von Rico Herkner
Seit 2002 war sie für den Personenverkehr gesperrt: die direkte Regionalverbindung zwischen Guben in der brandenburgischen Niederlausitz und Zielona Góra, der polnischen Universitätsstadt mit rund 139.000 Einwohnern. Das wird sich ab Sonntag ändern.
Vorerst fahren die Triebwagen zwar nur samstags, sonntags und an Feiertagen. Doch für die Zukunft streben Polen und Deutschland einen Ausbau der wichtigen Verbindung an.
Aus Sicht des Fahrgastverbandes IGEB ist die neue eineinhalbstündige Zugverbindung ideal für Kurzurlauber. Denn die Region beiderseits der deutsch-polnischen Grenze bietet ideale Ausflugsziele.
Sie könne ein "Anfang für noch bessere Zugverbindungen in der deutsch-polnischen Lausitz sein", ergänzt Lukas Iffländer vom Fahrgastverband Pro Bahn. Es brauche "ein dichtes Taktangebot" an jedem Tag der Woche. Und: Die Züge müssten schon bald bis nach Cottbus fahren.
Vier Jahre von der Idee bis zur Umsetzung
Das liegt auch durchaus im Interesse der Politik: 2018 gab der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) den Anstoß zur Revitalisierung der deutsch-polnischen Bahnstrecke. Bei einem Treffen mit Vertretern der Woiwodschaft Lubuskie bestand schnell Einigkeit, den grenzüberschreitenden Personenverkehr auch in der Lausitz zu verbessern.
Doch die Wiederaufnahme des Personenzugverkehr zwischen Guben und Zielona Góra nach 20 Jahren Pause ist nur ein Etappenziel. Das langfristige Vorhaben ist eine direkte Zugverbindung zwischen Cottbus und Zielona Góra über Guben. Zielmarke des VBB und der benachbarten Region Lubuskie: täglich sechs bis acht Zugpaare im Zweistundentakt zwischen Cottbus und Zielona Góra. Dieser Standard entspricht auch den Vorgaben des polnischen Eisenbahnverkehrsamtes (UTK).
Infrastruktur bremst besseres Angebot
Doch dafür fehlen bislang die technischen Voraussetzungen. Für den Personenverkehr gibt es vorerst nicht ausreichend Zweisystem-Triebwagen, die gleichzeitig auf dem deutschen und polnischen Schienennetz fahren können. Darum verkehren zunächst maximal drei Züge pro Tag und Richtung. Wegen des kleinen Fahrzeugbestandes ist der durchgehende Verkehr bis Cottbus vorerst nicht möglich. Denn die längere Reisezeit würde zu noch größeren Taktabständen im Fahrplan führen. Die Verbindung wäre für Reisende unattraktiv.
Zwar nutzen Güterzüge bereits seit längerem den Grenzübergang Gubin/Guben auf ihrem Weg nach Poznan/Gdansk. Doch dabei findet meist ein zeitaufwändiger Lokwechsel statt. Denn nur wenige Diesellokomotiven haben sowohl ein polnisches wie ein deutsches Sicherungssystem an Bord.
Ein weiterer Nachteil: Auf deutscher Seite fahren diese Züge trotz Elektrifizierung mit Dieseltechnik.
Elektrifizierung beschlossene Sache
Der rasant steigende Güterverkehr und bessere Angebote im Personenverkehr machen also die Elektrifizierung der Strecke inzwischen unumgänglich. Dazu kommt der Ausbau der Gleisbetts – insbesondere auf polnischer Seite. Darum wurde der Abschnitt Gubin bis Zielona Góra in das polnische Bahn-Infrastrukturprogramm Kolje+ aufgenommen. Auf deutscher Seite fehlen noch zwei Kilometer Oberleitungen zwischen Guben und dem Grenzübergang. Diese sollen aus Mitteln des Lausitzer Strukturwandels finanziert werden.
Zugverbindung Leipzig-Cottbus-Guben/Gubin-Poznan als Fernziel
Das neue Regionalzug-Angebot zwischen Guben und Zielona Góra ermöglicht eine "Entlastung der Strecke Berlin-Warschau", sagt Gubens Bürgermeister Fred Mahro (CDU). Und nicht nur das: Auch für Studentinnen und Studenten sei die Verbindung vorteilhaft, so der VBB. Sie könnten nun an Wochenenden leichter zwischen ihrer Heimat und ihren Studienorten in Cottbus oder Frankfurt (Oder) pendeln.
Doch Fred Mahro denkt noch weiter: Künftig müssten wieder Fernzüge von Leipzig über Cottbus und Guben nach Poznan verkehren. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) kämpft ebenfalls seit Jahren für diesen Streckenausbau.
Auf die europäische Dimension der Bahnstrecke zwischen Guben und Zielona Góra verweist auch der Fahrgastverband Pro Bahn. Denn über diese würden künftig Züge bis nach Finnland fahren und so den Knoten Berlin entlasten. Perspektivisch könne die Regionalstrecke Guben-Zielona Góra schon bald ein wichtiger Zubringer für die Rail Baltica werden, eine bereits im Bau befindliche Verbindung zwischen Mitteleuropa, Vilnius, Riga, Tallin und Helsinki.
Ein historisches Vorbild gibt es: Bis zum zweiten Weltkrieg führte eine Schnellzug-Verbindung von Frankfurt (Main) über Leipzig, Cottbus und Guben bis in die Region des heutigen Kaliningrad.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 12.06.2022, 19:30 Uhr