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Quelle: dpa/Patrick La Roque

Schwimmkurse in der Energiekrise

Und jetzt wird's kalt

In den vergangenen beiden Jahren gab es sie nicht: Schwimmkurse in den Hallen der Berliner Bäder. In diesem Winter geht's wieder los - aufgrund der Gaskrise aber in kälterem Wasser. Interessierte Kinder gibt es dennoch viele. Von Anna Bordel

Im Stadtbad Schöneberg bleiben Whirlpool, Planschbecken, Wasserrutsche und Außenbecken bis auf Weiteres geschlossen. Auch in anderen Bädern wie in Lankwitz und am Spreewaldplatz können derartige "Attraktionen", wie es auf der Webseite der Berliner Bäderbetriebe (BBB) heißt, vorerst nicht angeboten werden. Grund dafür sind die Energiesparmaßnahmen des Senats, wie die Sprecherin der Bäderbetriebe, Claudia Blankennagel, auf rbb-Anfrage sagte.

Die Hallenbäder werden zwar in diesem Herbst wie gewohnt öffnen, die Becken werden aber auf lediglich 26 Grad geheizt. Das sind zwischen zwei und vier Grad weniger als im Normalbetrieb. Da in manchen Schwimmbädern wie in Schöneberg alle Becken an denselben Wasserkreislauf angeschlossen seien, könnten einzelne Becken nicht separat erwärmt werden, so die Bäderbetriebe. "26 Grad - das ist nicht kalt. Das ist eine Typfrage, ob einem das gefällt oder nicht. Wer regelmäßig schwimmt, für den sind 26 Grad sicherlich ok", sagt Sprecherin Blankennagel. Für Kleinkinder sei es dennoch so kalt, dass zumindest in Schöneberg vorerst nicht geplanscht werden kann.

Schwimmenlernen wird im kalten Wasser nicht einfacher

Anders sieht das Manuel Kopitz, Geschäftsführer vom Berliner Schwimmverband. "26 Grad hört sich relativ warm an, aber selbst für einen Leistungssportler ist das kalt." Auch für Kinder ist die kältere Wassertemperatur eine Hürde, wie Kopitz sagt. Kinder bewegten sich im Schwimmunterricht nicht die ganze Zeit, ihnen müssten Dinge erklärt werden, sie müssten warten, bis sie an der Reihe sind. "Schwimmenlernen wird durch kältere Wassertemperaturen auf keinen Fall einfacher - im Gegenteil", so Kopitz.

Viel hänge in der Schwimmstunde dann vom Schwimmlehrenden ab. "Der Übungsleiter muss die Kinder beobachten. Da gibt es körperliche Merkmale, die auf Unterkühlung hinweisen: blaue Lippen, Zittern, insbesondere bei Kindern, die wenig Unterhautfettgewebe haben", so Kopitz. Man könne darauf achten, die Kinder ein bisschen mehr in Bewegung zu halten. Wenn es gar nicht mehr gehe, müsse man sie warm duschen schicken, um sie wieder aufzuwärmen. "Aber wenn die erst einmal warm geduscht haben, kriegt man sie nur ganz schwer ins kalte Wasser zurück", sagt Kopitz.

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Nichtschwimmerquote hat sich mehr als verdoppelt

Kinder, die Schwimmen lernen möchten, gibt es im Moment besonders viele. Vor der Pandemie lag laut Bildungsverwaltung des Senats die Nichtschwimmerquote bei Kindern in Berlin unter 17 Prozent, im vergangenen April lag sie dagegen bei 35 Prozent. In den vergangenen zwei Wintern gab es pandemiebedingt kaum die Gelegenheit, einen Schwimmkurs zu besuchen.

Auch in den Schwimmvereinen gab es weniger Schwimminteressierte. "Wir hatten durch die Corona-Pandemie 17 Prozent Mitgliederverlust, darunter besonders viele junge Mitglieder. Nur ein Bundesland hat mehr Plätze verloren. ", erzählt Martin Kopitz vom Berliner Schwimmverband. Seit einigen Monaten würden es wieder mehr, aber man sei noch lange nicht auf dem Niveau von davor. "Es ist also davon auszugehen, dass viele Kinder in den vergangenen Jahren nicht Schwimmen gelernt haben, weil wir keinen normalen Durchlauf hatten", so Kopitz.

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Weniger Kurse wegen Lehrermangel

Nicht nur das kalte Wasser steht dem Schwimmkurs im Weg, auch das Kursangebot der Berliner Bäderbetriebe ist nicht wieder auf Vor-Pandemie-Niveau. "Schwimmkurse werden wieder angeboten, aber nicht so viele wie vor der Pandemie", so Blankennagel von den Bäderbetrieben. Das liege vor allem daran, dass Schwimmlehrende fehlten. "Während der Corona-Zeit haben die Bäderbetriebe keine Kurse angeboten und in dieser Zeit haben sich die Schwimmlehrer externer Dienstleister andere Jobs gesucht. Jetzt haben wir Mühe, das Angebot in alter Stärke wieder aufzustellen." Momentan könne man 50 bis 60 Prozent der Kurse anbieten, so Blankennagel. Am 20. und 21. September werden die Online-Portale der Berliner Bäderbetriebe freigeschaltet, über die Kurse gebucht werden können - solange Plätze frei sind.

Auch in den Schwimmvereinen reiche die Kapazität nicht aus, um die hohe Nachfrage abzudecken. "Die Nachfrage für Schwimmkurse ist immer sehr hoch. Die Wartelisten in den Vereinen sind sehr voll, weit über 100 Kinder stehen auf den Listen der Vereine", sagt Kopitz. Ihm zufolge liegt das aber nicht an fehlenden Lehrenden, sondern an der begrenzten Wasserfläche und der begrenzten Anzahl an Schwimmbädern.

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Neoprenanzug als schnelle Lösung?

Babys und Kleinkinder müssen in diesem Winter aber nicht überall aufs Planschen verzichten. In der Schwimm- und Sprunghalle Europasportpark in Prenzlauer Berg könnten Babys weiterhin im Warmen baden, weil das Becken dort an den Kreislauf des Therapiebeckens angeschlossen sei, wo es weiterhin 32 Grad warm sei, so Blankennagel.

Damit ist dies aber das Schwimmbad mit dem höchsten Energieverbrauch der Stadt: 10,3 Millionen Kilowattstunden pro Jahr werden dort im Jahr verbraucht, wie Senat und Bäderbetriebe auf eine parlamentarische Anfrage der CDU mitteilten. Am wenigsten Energie verbraucht dem Senat zufolge das kleine Kinderbad im Monbijoupark mit 63.000 Kilowattstunden. In den nächsten Jahren werde es ein wichtiger Punkt sein, die Bäder so zu sanieren, dass weniger Energie vonnöten sei, so der Senat. Auf Dächern in den Freibädern Mariendorf, Kreuzberg, Pankow, Spandau Süd und Gropiusstadt würden bereits Solarenergieanlagen genutzt.

Eine kurzfristige Lösung für diesen Herbst und Winter könnte für Schwimminteressierte vorerst der Neoprenanzug sein. "Ich habe mir jetzt einen gekauft", sagt Blankennagel, "denn ich friere schnell". In Schwimmkursen bei Kindern werde dies schon seit längerem genutzt, nun wird ein wärmender Schwimmanzug wohl auch unter Erwachsenen häufiger vorkommen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.08.2022, 10 Uhr

Beitrag von Anna Bordel

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