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Quelle: rbb|24

Der Absacker

Ein Appell ans schlechte Gewissen

Fünf Jahre, nachdem Deutschland Vorzeigeobjekt in Sachen Flüchtlingspolitik wurde, diskutiert die Politik wieder über die Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland - diesmal im kleineren Rahmen. Laura Kingston fragt sich: Was ist aus "Wir schaffen das!" geworden?

"Wir schaffen das." Der berüchtigte Satz, den Angela Merkel vor etwas mehr als fünf Jahren gesagt hat, spukt mir heute im Kopf herum. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat ihn in Erinnerung gerufen, als er heute verkündete, Deutschland sei bereit, 100 bis 150 minderjährige Geflüchtete aus dem abgebrannten Flüchtlingslager "Moria" in Deutschland aufzunehmen. Kritik hagelte es von allen Seiten.

1. Was vom Tag bleibt

Besonders stark hagelt es aus Berlin. Der Innenminister der Hauptstadt, Andreas Geisel (SPD), nannte Seehofers Angebot "beschämend gering" und kündigte an, sich am Montag selbst in den Flieger nach Lesbos zu setzen, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen.

Außerdem boten Potsdam und neun weitere deutsche Städte an, Geflüchtete aufzunehmen. Das geht aus einem Brief von Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hervor, der rbb|24 vorliegt.

Das Thema "Umgang mit Geflüchteten" war gefühlt lange nicht mehr ernsthaft Thema in Medien und Politik, sogar die AfD hat sich in den letzten Jahren andere Themen gesucht. Ob die Zeichen aus den Städten und von Berlins Innenminister Geisel einen Diskurs anregen, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Es wird sicherlich weitere Appelle ans schlechte Gewissen geben. Dass in Deutschland über diese Größenordnung, 100 bis 150 Minderjährige, gesprochen wird, macht eine Frage für mich unumumgänglich: Was ist ist aus "Wir schaffen das!" geworden?

Wer ich bin

Ein Dorfei in der Großstadt. Laura Kingston ist eine klassiche Neuberlinerin. Hergekommen, um was zu erleben. Geblieben, weil es spannender eben auch nicht mehr wird. Vier Wochen lang saß sie in Quarantäne fest in ihrer Fünfer-WG. Jetzt ist sie wieder als Reporterin in Berlin und Brandenburg unterwegs (natürlich mit Mundschutz und Sicherheitsabstand) und erzählt hier im Absacker, wer oder was ihr dabei begegnet.

2. Abschalten

Ich bin gerade an diesem Punkt im Spätsommer angelangt, an dem ich das Ende meiner Lieblingsjahreszeit leugne. Wenn mir jemand etwas von "Wie herbstlich es geworden ist." erzählt oder "Brrr, wie kalt es ist", entgegne ich: "Hier, die Sonne scheint doch!" oder "Nächste Woche soll es noch einmal warm werden." Dass sich der Sommer wirklich dem Ende zuneigt, wird mir dann allerdings doch jeden Abend schmerzlich bewusst, wenn ich um 20 Uhr im Dunkeln sitze.

Aber auch an dieser Front gibt es einen kleinen Trost: Die Filme im Freiluftkino beginnen nicht mehr so spät. Und die Berliner Wahrzeichen können länger bestrahlt werden - beim Festival of Lights. Nicht, dass das persönlich mein Ding wäre, aber ich denke, es kann nicht schaden, etwa den Reichstag mal wieder in einem anderen Licht zu sehen, als noch vor ein paar Wochen während der sogenannten "Sturm auf Berlin"-Demo.

3. Und, wie geht's?

"Ehrlich gesagt, gerade nicht so gut. Ich habe mich schon wieder mit den Sozialarbeitern gestritten." Dieser Satz stammt von Mirza*, einem jungen Mann aus Afghanistan, der seit einigen Jahren in der Sammelunterkunft "Zeppelinstraße" in Potsdam lebt. Grund für die Auseinandersetzung: Die Küche, die er sich mit 18 anderen Bewohner*innen teilen muss, ist geschlossen, also muss er in ein anderes Stockwerk gehen. Außerdem gebe es gerade nur zwei Waschmaschinen für 141 Menschen.

Mirza* hat gerade seinen dritten Antrag auf eine sogenannte Auszugserlaubnis gestellt, durch sein laufendes Asylverfahren hat er wenig Chancen - trotz seines festen 40-Stunden-Jobs und seiner guten Deutschkenntnisse.

Immerhin wird er sich in Zukunft kein Zimmer mehr mit anderen teilen. Potsdam will die Unterkunft umbauen, sodass eine "wohnungsähnliche" Unterbringung entsteht.

4. Ein weites Feld

Mir kam neulich - natürlich im Urlaub, denn dafür ist vermutlich etwas Abstand zum Alltag nötig - der Gedanke: Ist das eigentlich der Job, den ich bis zum Ruhestand ausüben werde? Journalistin? Oder sollte ich etwas anderes ausprobieren? Als ich wieder zurück in Berlin war, und dementsprechend auch wieder unterwegs auf Twitter, sprang mir ein Tweet von einem gewissen Herrn Musk entgegen:

"Bitte arbeiten Sie bei Tesla Giga Berlin! Es wird super Spaß machen!!"

Ein Zeichen?

Darüber sinnierend verabschiede ich mich an dieser Stelle. Passen Sie auf sich auf und bewahren Sie ein Lächeln (unter der Schutzmaske)!

Ihre Laura Kingston

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