rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Quelle: dpa/Jegen

Der Absacker

Freundlichkeit ist eine rare Tugend

Die Gemüter sind erhitzt und das liegt wohl nicht allein an den Temperaturen. Doch wodurch wird die derzeitige Feindseligkeit verursacht, fragt sich Lisa Schwesig. Sie behilft sich mit japanischer Einigkeit.

Wie jeden Sommer kommen nun die besonders heißen Tage. Es ist anstrengend, mit den Öffentlichen zu fahren oder im Stau zu stehen. Und obwohl die Sonne scheint, hält man sich lieber drinnen statt draußen auf, sofern man keinen Pool oder See in Laufnähe hat.

In diesem Jahr kommt aber ein erschwerender Fakt hinzu: Wir müssen ständig und überall eine Maske tragen und uns an Hygieneregeln halten. Das lässt den Frust- und Wutpegel gefühlt noch mehr steigen als gewöhnlich bei dieser Hitze. Woran ich das merke? Obwohl ich am Montag gut erholt aus meiner persönlichen Sommerpause zurückgekehrt bin, musste ich gleich einen Hilferuf an unseren Redaktionsleiter senden.

Als Redakteurin im rbb|24-Social-Media-Team lese ich täglich Dutzende Userkommentare. Es werden täglich mehr und auch der Ton wird deutlich schärfer. Der zunehmende Hass richtet sich nicht nur gegen den rbb, sondern vor allem gegeneinander. Und ich frage mich: Liegt das an der Hitze oder an Corona? Warum haben so wenige Menschen noch ein nettes Wort füreinander übrig? Ist das einfach die neue Post-Corona-Realität?

1. Was vom Tag bleibt

Unser Nachrichtentag dreht sich heute auch um das Thema Auseinandersetzung: Bereits am Donnerstagabend haben Demonstrierende gegen die Räumung der Kiezkneipe "Syndikat" in Berlin-Neukölln demonstriert. Es kam zu Krawallen und die Polizei war mit 700 Einsatzkräften und einem Polizeihubschrauber rund um die Weisestraße im Einsatz. Nach Polizeiangaben wurden 40 Personen festgenommen. Später gab es reichlich Kritik.

Die Polizeisympathisanten sagen, die Protestierenden hätten nur einen Grund gesucht, gegen die Staatsgewalt aufzubegehren. Die Polizeigegner werfen den Beamten ein gewaltsames Vorgehen und eine Einschränkung des Demonstrationsrechts vor. Noch ist keine Ruhe im Schillerkiez eingekehrt, wir berichten weiter.

Die nächste Auseinandersetzung könnten sich der Berliner Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Juso-Chef Kevin Kühnert liefern. Beide wollen im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg für ein Bundestagsmandat kandidieren, es kann aber nur einen geben. Immerhin sieht es bisher nach einer friedlichen Lösung aus. Müller sagte am Freitag zu RTL/ntv: "Irgendwie muss man sich dann eben auch einigen."

Eskalieren könnte es auch in den kommenden Tagen in den Wäldern in Berlin und Brandenburg. Wegen der Hitzewelle besteht eine erhöhte Waldbrandgefahr. Seien Sie daher besonders achtsam! Kreisbrandmeister Tino Gausche sagte: "Jetzt bleibt nur noch der Blick gen Himmel und zu hoffen, dass man irgendwie heil durch diese Tage kommt." Das passt aktuell auf so viele Aspekte.

2. Abschalten

Durch den Hamburger Blog OhhhMhhh [ohhmhhh.de] bin ich diese Woche wieder auf ein Internetphänomen aufmerksam gemacht worden, dass mich vor drei Jahren schon einmal beeindruckt hatte [buzzfeednews.com]. Ein japanisches Ehepaar 60+ stimmt täglich seine Kleidung aufeinander ab und bildet somit ein Gesamtkunstwerk. Die beiden nennen sich "Mr. Bon und Mrs. Pon" und passen wie Latsch und Bommel. Ob die beiden sich wohl morgens streiten, was sie anziehen?

Wer bin ich

Als Ur-Berlinerin ist Lisa Schwesig nie wirklich aus dieser Stadt herausgekommen, eigentlich nicht einmal aus ihrem Kiez. Zwar lebt sie nicht mehr im Prenzlauer Berg, wo sie aufgewachsen ist, fühlt sich aber im Berliner Norden zu Hause. Sie hat kurzlich ihr Einjähriges beim rbb gefeiert und wenn sie nicht Ihre Nachrichten auf Facebook beantwortet, produziert sie Nachrichten auf unserer Website.

3. Und, wie geht's?

Mein Kollege Tim Schwiesau hat im gestrigen Absacker eine Liste der Dinge aufgestellt, die bedingt durch das Coronavirus als gut oder schlecht empfunden werden. In den Kommentaren konnten Sie weitere Punkte hinzufügen. Einer unserer Stammkommentatoren hat das getan. "Dr. Kawasaki" schreibt:

"So schlimm kann diese Krise ja nicht sein, wenn die 'Schlecht'-Liste so viel kürzer ist als die 'Gut'-Liste. Dann will ich so grandiosen Dingen wie 'im Bus hinten einsteigen' mal etwas entgegensetzen:
- Wer eine andere Meinung hat und dafür demonstriert, wird kollektiv als 'Idiot' bezeichnet.
- Wer wegen Krankheit keine Maske tragen kann, wird in Bahn und Geschäft wüst beschimpft.
- Andere wichtige Themen unserer Zeit geraten völlig in den Hintergrund durch monatelange 'Live-Ticker'
- Das EU-Asylrecht wird weiterhin ausgehebelt.
- Schmutzige Industrien (Flugverkehr, Autolobby) werden mit Miliarden unterstützt
- Studierende fliegen von der Uni, da sie ihr Studium nicht mehr finanzieren können

Aber man kann 'im Bus hinten einsteigen'. Also vielleicht alles nicht so schlimm."

Wie schlimm ist die Lage bei Ihnen? Schreiben Sie uns an absacker@rbb-online.de.

4. Ein weites Feld...

Vor einigen Jahren habe ich mir etwas vorgenommen: Wenn mir ein Aspekt an einer anderen Person positiv auffällt, artikuliere ich das sofort. So bekommen die Menschen in meinem Umfeld täglich Komplimente. Manche haben sich daran gewöhnt, andere sind immer noch verlegen, wenn ich sie für ihren gut ausgewählten Pullover oder ihren gelungenen Texteinstieg lobe.

Ein Kompliment kostet mich nichts als manchmal etwas Überwindung. Mein Gegenüber fühlt sich aber vielleicht für einen kurzen Moment besser und wertgeschätzter. Probieren Sie es doch auch einmal aus - gerne auch hier in unseren Kommentaren oder auf unserer Facebook-Seite [facebook.com]. Ich werde es lesen und mich mitfreuen.

Ein freundliches Adieu,

Lisa Schwesig

Beitrag von Lisa Schwesig

Artikel im mobilen Angebot lesen