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Video: rbb|24 | 15.10.2021 | Tobias Goltz | Quelle: Sven Hoppe/dpa

Interview | Corona-Impfung und Arbeitsrecht

"Der Arbeitgeber kann entscheiden: Ich stelle nur Geimpfte ein"

Der Druck auf ungeimpfte Arbeitnehmer wird sich wohl weiter erhöhen, so die Einschätzung des Arbeitsrechtlers Tobias Werner. Im Interview erklärt er, in welche Dilemmata die Frage der Impfung Arbeitnehmer, aber auch Arbeitgeber bringen kann.

rbb|24: Herr Werner, es gibt in Deutschland keine allgemeine Corona-Impfpflicht. In bestimmten Bereichen darf aber nach dem Impfstatus gefragt werden. Neben medizinischem Personal müssen auch Beschäftigte in Kitas, Schulen und im Pflegebereich ihren Corona-Impfstatus offenlegen. Welche Rechte haben Arbeitgeber?

Tobias Werner: Zunächst einmal dürfen sie den Impfstatus abfragen. Anhand dessen können sie abklären, inwieweit die Mitarbeiter einzusetzen sind oder nicht. Klar ist dabei: Wenn sich ein Arbeitnehmer dafür entscheidet, sich nicht impfen zu lassen, müssen Arbeitgeber das grundsätzlich akzeptieren. Sie haben dann aber gegebenenfalls die Möglichkeit, ungeimpfte Mitarbeiter auf eine andere Stelle zu versetzen.

Die Angabe des Impfstatus kann also Konsequenzen haben.

Ja, das kann es. Nehmen wir das Beispiel Krankenhaus: Natürlich kann im direkten Patientenkontakt nur das medizinische Personal eingesetzt werden, das geimpft ist. Der Arbeitgeber muss zudem schauen, wie er für die Mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen wollen, oder auch aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, eine andere Beschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen findet.

Das betrifft auch Bereiche, wo die 2G-Regel gilt, also wo nur Geimpfte oder Genesene zugelassen sind. Dafür können sich ja zum Beispiel Gastronomie und Kulturreinrichtungen entscheiden.

Das stimmt, auch hier spielt der Impfstatus eine immer wichtigere Rolle. Dabei geht es zum einen um Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte, aber natürlich auch um die Entscheidung des jeweiligen Arbeitgebers, zum Schutz seiner Gäste und des eigenen Personals, ausschließlich genesene oder geimpfte Mitarbeiter zu beschäftigen. Aber auch die 2G-Regel führt arbeitsrechtlich nicht zu einer Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich tatsächlich auch impfen zu lassen.

Zur Person

Aber ihrem Job in einer Bar oder in einem Restaurant können Mitarbeiter, die weder geimpft noch genesen sind, bei 2G nicht mehr nachgehen.

Das ist dann in letzter Konsequenz so. Auch hier muss der Arbeitgeber schlussendlich entscheiden, was er mit solchen Mitarbeitern macht. Da ein Einsatz im Home-Office ausscheidet und auch eine anderweitige Beschäftigung ohne Gästekontakt hier schwer vorstellbar scheint, wäre der Arbeitgeber gehalten, ungeimpftes Personal gegebenenfalls bezahlt freizustellen. Da dies den wenigsten Arbeitgebern finanziell möglich sein dürfte, wird der Arbeitgeber als Ultima Ratio auch über eine personenbedingte- oder betriebsbedingte Kündigung nachdenken.

Was heißt das genau?

Bei personenbedingten Kündigungen geht es stets um die Frage der Arbeitsbefähigung eines Mitarbeiters. Stuft man die Impfung als Arbeitsbefähigung ein, käme eine Kündigung ungeimpfter Arbeitnehmer dann in Betracht, wenn diese auf Dauer nicht mehr einsetzbar sind. Dies würde vor allem dort gelten, wo 2G verpflichtend ist. Entscheidet sich ein Arbeitgeber, zukünftig nur geimpfte Mitarbeiter zu beschäftigen, wäre zudem auch eine sogenannte betriebsbedingte Kündigung vorstellbar.

In beiden Fällen sind die rechtlichen Hürden jedoch sehr hoch und es bedarf immer einer Einzelfallabwägung. Rechtlich problematisch ist vor allem die sogenannte "negative Prognose". Auch wenn die Dauer der Pandemie noch ungewiss ist, dürfte sich das Ansteckungsrisiko mit zunehmender Impfquote doch verringern. Mir ist auch kein Fall bekannt, wo eine Kündigung von Impfverweigerern durch ein Arbeitsgericht bestätigt wurde.

Nun wünschen sich Arbeitgeber eine Ausweitung der Auskunftspflicht auf weitere Branchen. Wäre das aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Man sollte da vorsichtig sein, denn schließlich geht es um hochsensible Daten. Unabhängig davon, dass es sicher auch nachvollziehbare Argumente für eine Ausweitung der Auskunftspflicht gibt, sollte eines klar sein: Dies kann nur ausschließlich auf einer gesetzlichen Grundlage passieren. Nicht wenige Arbeitnehmer werden auf Nachfrage auch freiwillig Angaben zu ihrem Impfstatus machen. Die so erlangten Informationen darf der Arbeitgeber dann auch verwenden.

Gastronomie und Clubs

2G oder 3G - das ist hier die Frage

Seit einer Woche können Restaurant- und Clubbetreiber selbst entscheiden, ob sie auf einen Corona-Impfnachweis bestehen oder ob ein negativer Test genügt. Aber: Wie entscheiden sie sich? Johannes Paetzold hat sich umgehört.

Einfach fragen darf der Arbeitgeber also?

Fragen darf er. Auf der anderen Seite ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, wahrheitsgemäß zu antworten, wenn es keine Auskunftspflicht gibt. Oder andersherum: Bei einer unzulässigen Frage darf der Arbeitnehmer lügen. Eine falsche Antwort kann ihm also nicht zum Nachteil gereichen und zum Beispiel als Kündigungsgrund herangezogen werden. Wenn jedoch ein Fragerecht besteht, muss der Arbeitnehmer wahrheitsgemäß antworten. Tut er das nicht, drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen. Das kann eine Abmahnung sein, aber auch eine Kündigung.

Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber, wenn sie die Impfquote in ihrem Betrieb erhöhen wollen?

Das wird dem Arbeitgeber oftmals gelingen, wenn er entsprechende Anreize schafft. Das können finanzielle Anreize sein, zum Beispiel durch eine einmalige Bonuszahlung. Aber auch Sachgeschenke oder Zusatzurlaub ist vorstellbar. Rechtlich ist das zulässig. Man wird hier auch nicht zwangsläufig von einer Ungleichbehandlung sprechen können. Neben aktiver Aufklärung sind derartige Anreize aus meiner Sicht ein gutes Mittel, um die Impfquote zu erhöhen, auch wenn sie die letzten Impfverweigerer damit wohl nicht überzeugen können.

Ab 1. November soll es für ungeimpfte Arbeitnehmer keine Quarantäne-Entschädigung mehr geben. Was ändert sich genau?

Zunächst gilt unverändert: Erkranken ungeimpfte Arbeitnehmer an Covid-19, erhalten sie ganz regulär von dem Arbeitgeber für sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Lohnfortzahlung gibt es bis Ende Oktober auch für jeden Arbeitnehmer, der in Quarantäne muss, ohne selbst erkrankt zu sein. Diese Lohnfortzahlung soll es für Ungeimpfte ab dem 1. November nicht mehr geben.

Dennoch ändert sich für die Arbeitnehmer wohl vorerst wenig, denn der Arbeitgeber muss mit der Zahlung des Entgelts zunächst wie gehabt in Vorleistung gehen. Erst im Anschluss kann er gegenüber dem Staat nach dem Infektionsschutzgesetz einen Entschädigungsanspruch geltend machen und bekommt die Lohnzahlung dann erstattet. Ab 1. November aber eben nur für geimpfte Arbeitnehmer.

Testpflicht, Open-Air-Veranstaltungen und Gesangsunterricht

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In Brandenburg gelten ab Mittwoch wieder leicht geänderte Corona-Regeln. Sie betreffen unter anderem die Testpflicht in der Innengastronomie und die Bedingungen für Open-Air-Veranstaltungen.

Das heißt, das Problem hat der Arbeitgeber?

Im Grunde genommen, ja. Denn will er nicht riskieren, auf der Lohnzahlung sitzen zu bleiben, muss er vorab den Impfstatus erfragen oder die Zahlung so lange zurückhalten, bis der von der Quarantäne betroffene Mitarbeiter seine Impfung nachweist. Ein solches Fragerecht ist zulässig. Der Druck auf ungeimpfte Arbeitnehmer wird sich damit wohl weiter erhöhen.

Haben Arbeitgeber weitere Möglichkeiten, wenn sie die Quarantäne-Entschädigung nicht selbst zahlen wollen?

In Paragraph 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist geregelt, dass der Arbeitgeber für einen gewissen zeitlichen Abschnitt den Lohn weiterzahlen muss, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet keine Arbeit leisten kann. Da dieser Anspruch dem Entschädigungsanspruch vorgeht, kann der Arbeitgeber so lange keine Erstattung nach dem Infektionsschutzgesetz beantragen, wie § 616 BGB greift. Der Arbeitgeber kann im Arbeitsvertrag allerdings explizit ausschließen, dass diese gesetzliche Regelung gilt. Ich gehe daher davon aus, dass viele Arbeitgeber das bei Abschluss neuer Arbeitsverträge noch häufiger berücksichtigen werden. Dann müssen sie nicht zahlen.

Darf der Arbeitgeber bei Bewerbungsgesprächen nach dem Impfstatus fragen und den Impfstatus zum Einstellungskriterium machen?

Ja. Der Arbeitgeber ist frei ist in seiner Entscheidung, wen er am Ende einstellt. Es ist dabei auch keine Ungleichbehandlung oder ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu sehen. Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines betrieblichen Schutzkonzepts entscheiden, dass er nur geimpfte Personen einstellen möchte.

Das gilt für alle Branchen?

Ja. Aber wahrscheinlich wird kein Arbeitgeber eine Absage mit dem fehlenden Impfstatus begründen. Da wird er lieber auf Nummer sicher gehen, eine pauschalere Absagebegründung wählen, um keine weiteren Auseinandersetzungen zu riskieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Tobias Goltz, rbb|24.

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