Polizeiberichte zu Attentäter - Berliner Abgeordneten fehlen noch immer wichtige Amri-Akten

Der Amri-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses wartet bis heute auf Observationsberichte über den Attentäter. Die Innenverwaltung sagt, die Berichte lägen noch im Büro von Sonderermittler Bruno Jost. Doch der hat seine Arbeit längst abgeschlossen. Von Markus Grill und Reiko Pinkert (NDR/WDR)
Zehn Monate vor dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt nahm der Attentäter Anis Amri am 18. Februar 2016 einen Flixbus von Nordrhein-Westfalen nach Berlin. Das Landeskriminalamt NRW informierte damals die Berliner Kollegen über den Ortswechsel und bat darum, Amri heimlich zu beobachten, weil man ihn zu diesem Zeitpunkt bereits für einen islamistischen "Gefährder" hielt. Um 12 Uhr traf Amri am Zentralen Omnibusbahnhof in Berlin ein, um 16 Uhr begann das Landeskriminalamt bereits mit der Observation.
Im Laufe des folgenden Monats wurde Amri an 13 Tagen observiert. Zu jedem einzelnen dieser 13 Observationstage gibt es einen Observationsbericht – doch auf diese warten die Abgeordneten des Berliner Untersuchungsausschuss Anis Amri bisher vergeblich, wie Recherchen von NDR und WDR zeigen.

Für den Ausschussvorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger (CDU), ist dies unverständlich. "Wir haben bereits im Juli 2017 alle Unterlagen zum Fall Amri angefordert", sagt Dregger. "Und auf unserer letzten Sitzung am 20. März haben wir auch noch mal gezielt nach Observationsberichten gefragt."
Auf Nachfrage von NDR und WDR hatte die Senatsverwaltung für Inneres mehrfach behauptet, diese Observationsberichte dem Ausschuss übergeben zu haben. Heute räumte der Sprecher des Innensenators, Martin Pallgen, jedoch ein, dass dies bislang nicht geschehen ist. Er teilte mit, es handele sich um ein "Missverständnis". Dem Ausschuss liegen bisher nur die "Priorisierungprozesse zu Observationsmaßnahmen" vor, also Berichte, welche Tatverdächtigen nach welcher Dringlichkeit heimlich beobachtet werden sollen.
"Was offenbar noch nicht vorliegt, sind die einzelnen Berichte zu den Observationsmaßnahmen", schreibt Pallgen. Die eigentlichen Berichte befinden sich demnach noch immer im Büro des Sonderermittlers Bruno Jost, so der Sprecher der Innenbehörde. "Das Büro Jost soll diese Akten in den nächsten Tagen übermitteln. Sobald diese aufbereitet sind, werden sie dann - wie üblich - dem Ausschuss zur Verfügung gestellt", schreibt Pallgen. Jost selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Die Fraktionen im Untersuchungsausschuss sind empört. "Dass immer noch wichtige Akten beim Sonderermittler Jost liegen sollen, ist mir unverständlich", sagt der Abgeordnete Niklas Schrader, Sprecher der Linken im Ausschuss. "Wir warten darauf seit acht Monaten." Schließlich seien die Berichte "unerlässlich für die Aufklärung des Falls Amri."
Auch in der FDP herrscht Unmut: "Der Senat blockiert die Aufklärung meines Erachtens, wo er nur kann", kritisiert der Abgeordnete Marcel Luthe, Sprecher der FDP im Amri-Untersuchungsausschuss. Der Ausschuss werde "durch die permanenten Verzögerungsspielchen des Senats massiv in der Aufklärung behindert."
Martin Pallgen weist die Kritik zurück: "Solche Äußerungen dienen nicht der Aufklärung." Eine Erklärung, warum die Akten dem Untersuchungsausschuss immer noch nicht geliefert sind, gab er nicht.
Der Abgeordnete Benedikt Lux, Sprecher der Grünen im Ausschuss, sagt: "Ich sehe keinen Grund, weshalb die Akten erst so spät geliefert werden. Die Geduld schwindet bezüglich dieser und weiterer wichtiger Akten, die wir von der Innenverwaltung erwarten."
Auch Burkard Dregger von der CDU ist zumindest "irritiert" darüber, dass der Ausschuss diese wichtigen Observationsberichte immer noch nicht hat. "Wir wollen sie haben und ich will von der Senatsverwaltung auch wissen, wie es dazu kommen kann, dass wir sie noch nicht haben."