rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Quelle: imago images/Frederic Kern

Berlin mit zweithöchstem Wert

327 Bedienstete von Sicherheitsbehörden hatten Bezug zu Rechtsextremisten

Bei deutschen Sicherheitsbehörden sind im Zuge einer Untersuchung 327 Personen mit mutmaßlichem Bezug zu Rechtsextremisten, Reichsbürgern und Selbstverwaltern entdeckt worden. Berlin hat im Bundesvergleich die zweitmeisten Fälle.

Bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sind in den vergangenen Jahren mehr Fälle von Rechtsextremismus aktenkundig geworden als bislang bekannt. In 327 von 860 untersuchten Fällen ergaben sich dabei Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen, wie es in einem am Freitag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgestellten Lagebild heißt. Sie kündigte Konsequenzen auch bei der Gesetzgebung an.

Die 860 von den Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern ausgewerteten Fälle beziehen sich auf den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2021. Es ging dabei um Rechtsextremismus sowie "Reichsbürger" und "Selbstverwalter".

74 Fälle in Berlin registriert

Aus dem Bericht geht hervor, dass Berlin mit 74 mutmaßlich rechtsextremistischen Fällen hinter Nordrhein-Westfalen (179) am meisten Sachverhalte hatte. In Brandenburg wurden 14 Prüf-, Verdachts- oder erwiesenen Fälle registriert. Im Bereich "'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter' in Landessicherheitsbehörden" wurden in Berlin und Brandenburg jeweils ein Fall registriert.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erklärte dazu: "Ich dulde keine Rechtsextremisten in Berliner Sicherheitsbehörden. Sie bringen die Kolleginnen und Kollegen der Polizei, der Feuerwehr und des Verfassungsschutzes, die jeden Tag für Recht und Gesetz einstehen, in Misskredit und untergraben das Vertrauen in die Behörden." Gegen jede Form von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus werde "mit aller Entschlossenheit" vorgegangen.

Zeitraum von drei Jahren ausgewertet

In den Landessicherheitsbehörden gab es den Angaben zufolge bei 189 Fällen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. In den Bundessicherheitsbehörden wurden in 138 Fällen verfassungsfeindliche Bestrebungen festgestellt. Als Konsequenz aus diesen Fällen wurden im Berichtszeitraum 500 arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet.

Zu den Bundessicherheitsbehörden zählen die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Bundestagspolizei, der Zoll, der Bundesnachrichtendienst und die Bundeswehr mit insgesamt rund 355.000 Beschäftigten. Hinzu kommen die Sicherheitsbehörden der Länder, insbesondere die Polizeien.

"Lassen nicht zu, das Rechtsstaat von innen heraus sabotiert wird"

"Wir lassen nicht zu, dass unser demokratischer Rechtsstaat von innen heraus von Rechtsextremisten sabotiert wird", sagte Faeser. "Das schulden wir auch der ganz überwiegenden Mehrzahl der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht." Ihr Ruf dürfe "nicht unter wenigen Extremisten leiden". Bedienstete bewegten sich in Netzwerken aus dem privaten Umfeld, wo sie in ihrer Haltung noch bestärkt würden, führte Faeser aus. Es handele sich aber nicht um Netzwerke in den Behörden.

Der Bundesverfassungsschutz sieht einen deutlichen Anstieg der Fälle gegenüber dem ersten Lagebericht aus dem Jahr 2020. Die Gesamtzahl falle nahezu neunmal so hoch aus, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang. Die Zahl der Fälle mit tatsächlichen Anhaltspunkten liege dreimal so hoch. Allerdings könne daraus nicht geschlossen werden, dass die Sicherheitsbehörden extremistischer geworden seien. Vielmehr sei das Plus auch auf die Einbeziehung der Bundeswehr und die genauere Untersuchung der Fälle zurückzuführen.

Mitgliedschaften in Chatgruppen am häufigsten registriert

Am häufigsten wurden dem Lagebild zufolge Mitgliedschaften in einschlägigen Chatgruppen (152) registriert. 143 Mal wurden Mitgliedschaften in, Unterstützung von oder Kontakte zu verfassungsschutzrelevanten Organisationen entdeckt.

Außerdem wurden 141 Fälle von politisch motivierter Beleidigung festgestellt. Sie bezogen sich auf Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen islamischen oder jüdischen Glaubens. In etwas geringerem Ausmaß wurden weitere rechtsextremistische Verlautbarungen und Aktivitäten, Propagandaaktivitäten und Teilnahmen an rechtsextremistischen Veranstaltungen gemeldet.

Als rechtliche Konsequenz aus den Fällen kündigte Faeser einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdisziplinargesetzes an, den sie noch in diesem Jahr vorlegen wolle. "Wir werden Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernen." Zudem werde die Prävention weiter gestärkt - und zwar bei der Personalauswahl, mit Schulungen und mit Ansprechstellen in den Behörden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.05.22, 15 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen