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Audio: rbb24 Inforadio | 30.08.2022 | Jan Menzel | Quelle: dpa/C.Soeder

Gespräche mit Brandenburg

Berliner Senat will zügige Nachfolge für Neun-Euro-Ticket

Das bundesweite Neun-Euro-Ticket wird es im September nicht mehr geben. Der Berliner Senat versucht eine Nachfolgelösung gemeinsam mit Brandenburg auszuhandeln. Doch die könnte es frühestens ab Oktober geben.

Der Berliner Senat treibt seine Pläne für eine Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket voran. Es werde am Donnerstag ein Fachgespräch mit Vertretern des Landes Brandenburg, der S-Bahn, der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) geben, kündigte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) an. "Klar ist, dass wir selber sehr zügig agieren müssen", sagte Giffey. Nach den Vorstellungen der rot-grün-roten Koalition soll es von Oktober bis Ende Dezember gelten. An dem Vorhaben hatte es insbesondere Kritik aus Brandenburg gegeben.

Der Senat hatte am Dienstag erstmals über eine Nachfolgelösung für das Neun-Euro-Ticket gesprochen, nachdem sich Giffey am Freitag für eine mögliche Nachfolgeregelung ausgesprochen hatte. Noch gibt es allerdings einige offene Fragen und Kritik.

Die Bundesregierung reagierte am Mittwoch auf die Forderungen nach einer Anschlusslösung. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte, er sei nun offen für eine Unterstützung des Bundes bei einer Nachfolgeregelung.

Zuschuss könnte Hunderte Millionen Euro kosten

Die Regierende Bürgermeisterin erklärte nun, dass sie in der Sache mit dem Brandenburger Regierungschef Dietmar Woidke (ebenfalls SPD) telefoniert habe. Ein vergünstigtes Ticket habe Vorteile über die Berliner Landesgrenze hinweg, betonte sie. Aus Brandenburg gebe es zumindest "keine kategorische Ablehnung".

Die grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch äußerte am Dienstag Verständnis für Zurückhaltung und Kritik aus Brandenburg. Für das Nachbarland sei die Ticketverlängerung "nicht einfach", sagte sie. Die Kosten für das günstige Angebot müssen die Länder den Verkehrsunternehmen erstatten. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass ein Neun-Euro-Ticket für den Tarifbereich AB (also nur Berlin) in drei Monaten mit rund 300 Millionen Euro bezuschusst werden müsste.

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Berlin könne notfalls allein handeln

Für den Senat stellten Giffey und Jarasch klar, dass man sich eine gemeiname Lösung mit Brandenburg wünsche. Die Absicht des Senats sei es sicherlich nicht, "den Verkehrsverbund VBB zu sprengen", betonte Jarasch. Die Verkehrssenatorin sagte gleichzeitig, dass Berlin notfalls alleine eine Regelung finden werde. "Dies ist aber nicht unser Wunsch", so die Grünen-Politikerin.

Giffey hatte darauf verwiesen, dass es "Insellösungen" nur für Berlin auch beim Schülerticket gebe. Zu welchem Preis das Nachfolgeticket angeboten werden könne, ließ Giffey offen. Ein Preis von neun Euro sei die teuerste Lösung für das Land, räumte sie ein. "Ob ein anderer Weg gegangen werden kann – 19 oder 29 Euro - das muss man besprechen." Wenn das eine Möglichkeit sei, sich im Verkehrsverbund zu einigen, sei das "bedenkenswert".

Petition an Jarasch

Im Abgeordnetenhaus soll am Dienstagnachmittag zudem eine Petition zur Fortführung des Neun-Euro-Tickets übergeben werden. Sie richtet sich an die Umweltsenatorin Jarasch und wurde unter anderem von der Initiative "Volksentscheid Berlin autofrei", sowie den Jusos und der Grünen Jugend - den Jugendverbänden von SPD und Grünen - initiiert. Gefordert wird unter anderem, dass die Berliner Landesregierung eine langfristige Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket findet und sich dafür auch auf Bundesebene einsetzen soll. Mehr als 10.500 Unterschriften wurden gesammelt.

Das für drei Monate als Projekt vom Bund finanzierte und länderübergreifend gültige Neun-Euro-Ticket läuft zum Donnerstag, den 1. September, vorerst aus. Ob und wann es bundesweit zu einer Nachfolgeregelung kommt, ist völlig offen. Das Neun-Euro-Ticket wurde in Berlin insgesamt 5,5 Millionen Mal in den drei Monaten gekauft.

Viele offene Fragen bei Übergangs- und Dauerlösung

Ungeklärt ist bei einem Berliner Alleingang unter anderem, für welche Tarifbereiche das Ticket gelten würde. Der Tarifbereich C liegt zum Teil in Berlin und zum Teil in Brandenburg, die Brandenburger Landesregierung hatte sich am Wochenende auch deshalb irritiert gezeigt, nach dem - offenbar unabgesprochenen - Vorstoß aus Berlin.

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Suche nach einem flächendeckenden ÖPNV-Angebot und neue Signale vom Bund

Wie lange eine solche regionale Übergangslösung notwendig wäre, hängt auch davon ab, ob und wann der Bund ein langfristiges Modell für ein günstigeres und flächendeckend gültiges ÖPNV-Angebot schafft. Mehrere Bundesländer haben bereits an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) appelliert, einen Vorschlag zu präsentieren, zum Beispiel die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz Maike Schaefer (Grüne, Verkehrssenatorin von Bremen). Sie sagte der Deutschen Presse-Agentur (DPA), der Bund sei jetzt am Zug und die Länder für einfache Lösungen bereit. Die bisher diskutierten Modelle unterscheiden sich vor allem in der Höhe des Preises. Von neun bis 69 Euro wurden mehrere Vorschläge gemacht.

Nach den Forderungen aus den Ländern erklärte Finanzminister Lindner am Mittwoch, dass nun auch der Bund eine Nachfolgelösung für das Neun-Euro-Ticket unterstütze. In Absprache mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) plädiere er dafür, dass mit einem Bruchteil der Finanzmittel des Neun-Euro-Tickets ein bundesweit nutzbares, digital buchbares Ticket realisiert werden könne, erklärte Lindner via Twitter. Die Länder müssten sich nun auf eine Finanzierung einigen und wenn das klar sei, könne der Preis festgelegt werden.

Branchenverbände äußern Bedenken

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen geht davon aus, dass eine dauerhafte Lösung des Bundes langfristiger vorbereitet werden müsste. Ein Sprecher sagte der DPA, dass die technische Umsetzung etwa drei Monate Vorlaufzeit bräuchte. Vorher müssten Bund und Länder allerdings erst einmal überhaupt eine gemeinsame Lösung erarbeiten.

Offen ist zum Beispiel der Preis eines solchen langfristigen Tickets und die daraus folgende Finanzierung. Bisher hat der Bund das vergünstigte Regionalticket finanziert. Mit rund 2,5 Milliarden Euro wurden die Einnahmeausfälle der regionalen Verkehrsunternehmen ausgeglichen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.08.2022, 9:40 Uhr

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