Oktober bis Dezember - SPD will Neun-Euro-Ticket in Berlin verlängern - Grüne skeptisch

Fr 26.08.22 | 20:56 Uhr
  51
Fahrgäste steigen am Berliner Hauptbahnhof aus einem Regionalexpress aus. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 26.08.2022 | Daniel Gäsche | Bild: dpa/Christoph Soeder

Das Neun-Euro-Ticket läuft Ende August aus. Am Freitag kündigte Berlins Regierende Giffey überraschend an, dass es in der Stadt eine Art Verlängerung geben soll: ein Ticket nur für Tarifbereich AB, Preis noch offen. Von mehreren Seiten gibt es Kritik.

Das Land Berlin plant ab 1. Oktober eine vom Land finanzierte Anschlusslösung für das Neun-Euro-Ticket. Wieviel das neue lokale Ticket kosten wird, ist aber noch offen. Das teilte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Freitag nach einer Klausurtagung der rot-grün-roten Koalition mit. Damit bestätigte Giffey Informationen des rbb, der zuvor von einer möglichen Verlängerung des Neun-Euro-Tickets berichtet hatte.

Es seien noch viele Fragen zu klären, betonte Giffey. So solle auch mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg beraten werden, für welche Tarifgebiete die Regelung gelten soll, da das Tarifgebiet C teils auf Berliner, teils auf Brandenburger Gebiet liege.

Unmittelbar vor dem Koalitionstreffen hatte Giffeys SPD ein lokales Ticket für monatlich neun Euro vorgeschlagen - zumindest für den Tarifbereich AB, also die Stadt Berlin. Ob eine solche Lösung kommt, ist aber offen.

Nach Angaben Giffeys hofft Berlin nun, dass der Bund zügig eine bundesweit geltende und einfache Lösung für die Tarife im öffentlichen Nahverkehr erarbeitet und maßgeblich mitfinanziert. Das Land wolle bis dahin aber eine temporäre Lösung für die Monate Oktober, November und Dezember, hieß es am Freitag. Das sei eine zielgerichtete Entlastung für alle Berlinerinnen und Berliner in Zeiten hoher Preise, so Giffey. Die Details dazu müssten nun ausgearbeitet werden.

Skepsis bei den Grünen

Die Berliner Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) dämpfte am Freitag die Erwartungen. Bevor ein landeseigenes Ticket erarbeitet werde, brauche es erstmal eine Anschlussregelung für das in wenigen Tagen auslaufende Neun-Euro-Ticket vom Bund, sagte sie in der rbb-"Abendschau". "Da muss was vom Bund kommen und dann, wenn wir wissen, was vom Bund kommt, dann erarbeiten wir gerne eine Überbrückung, aber mit Brandenburg gemeinsam."

Jarasch fügte hinzu: "Geeinigt haben wir uns darauf: Wir schauen, was vom Bund kommt und dann passen wir das an. Das heißt, es ist nicht gesagt, dass es neun Euro sind. Wichtig ist: Bezahlbar und dauerhaft." Die Senatsverwaltung sei aber durchaus bereit, für eine Übergangslösung auch eigene Mittel in die Hand zu nehmen.

Der Co-Vorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Werner Graf, hatte sich am Freitagmorgen im rbb sogar ablehnend gegenüber einer Berliner Übergangslösung geäußert. Er halte es nicht für sinnvoll, jetzt einen Flickenteppich zu schaffen, sagte er. Es komme darauf an, gezielt Menschen mit geringem Einkommen zu entlasten. Deshalb sei es einfacher, das Sozialticket auszuweiten. Dieser Vorschlag könne auch sofort umgesetzt werden.

CDU gegen "Neun-Euro-Strohfeuer"

Der Berliner CDU-Chef Kai Wegner sprach sich am Freitag gegen ein Berliner Anschluss-Ticket für den bereich AB aus. Er sprach von einem "Neun-Euro-Strohfeuer", anstelle dessen es besser ein "dauerhaft attraktives 365-Euro-Ticket" geben solle. Sonst bekäme Berlin "bis Jahresende ein Billigticket (...) und einen Tag später müssen Kunden dann die schon angekündigte Tariferhöhung verkraften".

Wegner kritisierte auch, dass es keine gemeinsamen Konzepte von Berlin und Brandenburg gebe. "Der Vorschlag, das Neun-Euro-Ticket regional bis Jahresende zu verlängern, ist ohne Beteiligung und Unterstützung des Verkehrsverbundes und des Landes Brandenburg eine Luftnummer. Wer zum BER fahren möchte oder in Potsdam studiert oder arbeitet, guckt in die Röhre. Die Spaltung des Verkehrsverbundes kann nicht die Lösung sein."

Kritik am Vorhaben kam auch von Sebastian Czaja, Vorsitzendem der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. "Statt die Qualität und damit die Attraktivität des ÖPNV zu erhöhen, verramscht der Berliner Senat Tickets und das, obwohl die ersten Auswertungen zu dem Ergebnis kommen, dass das Neun-Euro-Ticket weder positive Wirkung auf die Umwelt noch auf die Zufriedenheit der Fahrgäste hatte", teilte Czaja mit.

DGB fordert gemeinsame Berlin-Brandenburg-Lösung

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg zeigt sich kritisch. Die Vorsitzende Katja Karger erklärte am Freitag in Berlin, der Vorschlag der SPD, das Neun-Euro-Ticket nur für die Tarifbereiche AB zu verlängern, sei weder sozial noch ökologisch. Es sei absurd, die Pendler aus dem Tarifbereich C auszuklammern. Ein Großteil derjenigen, die in Berlin arbeiten, komme aus den Außenbezirken und dem Umland. Berlin und Brandenburg müssten jetzt eine gemeinsame Mobilitätsoffensive starten.

Kritik an dem Vorschlag der SPD kam auch vom Bund der Steuerzahler Berlin. In einer Erklärung vom Freitag heißt es, ein Berliner Sonderweg sei nicht sinnvoll. Außerdem gebe es im Landeshaushalt kaum finanzielle Spielräume. Die Verlängerung des Neun-Euro-Tickets für Berlin sei nichts als hilfloser Aktionismus der Landespolitik mit der Gießkanne.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.08.2022, 05:00 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 26.08.2022 um 09:26 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

51 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 51.

    Na Berlin muss es ja haben.....der Senat ist ja für seine großzügigen Geschenke bekannt......allerdings alles auf Pump....
    Aber es gibt ja auch noch gut funktionierende Bundesländer, die diesen Schmarren dann bezahlen.

  2. 50.

    Das ist sehr diplomatisch geschrieben, aber völlig unnötig. Wenn 40 % der Berliner vom Staat leben und keine GEZ zahlen, ist das auch nicht gut für den rbb.

  3. 49.

    Die Idee an sich ist schon toll. Leider scheitert es an der Ausführung. Die Politiker fahren ja nicht mit den Öffis. Sollten sie auf bestimmten Linien (RE7 und 1 sind meine) mal machen. Dann sehen sie was das Problem ist. Die Bahn hat kaum Personal und Züge für so einen Ansturm. Von der Arbeit nach Hause ist immer ein Glücksspiel...komm ich noch rein oder nicht.

  4. 48.

    Die Reste-SPD kann nicht erwarten, daß andere Bundesländer ein dadurch entstehendes noch höheres Defizit ausgleichen.
    Die sind so unbekümmert und unfähig, daß es schon kriminell ist. Aber was will man auch von einer Plagiats-Chefin erwarten...

  5. 47.

    Ich verstehe es so, dass die SPD das Ticket fortan aus ihrem Parteivermögen finanziert. Das finde ich prima!

  6. 45.

    Also im Südwesten Berlins ist das nicht mehr so mit der Taktung, da ist am Tage gut und dann lässt es gravierend nach und am Wochenende sowieso. Das Geld sollte in die Infrastruktur und die Sicherheit investiert werden und nicht in Aktionismus muss.
    PS bin jahrelang mit der bvg zum Dienst, aber jetzt nicht mehr. Brauche mit dem Auto die Hälfte der Zeit und es ist sauber und sicher und so geht es nicht nur mir.

  7. 44.

    U Bahn automatisieren, Fahrerlebnis verbessern, 30 Euro fürs Monat ist immer noch günstig.

  8. 43.

    Die Frage ist doch eher, was ist die Intention? Langfristig muss der ÖPNV verbessert werden. Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Sicherheit und Sauberkeit. Dazu braucht es auch Geld neben guten Konzepten. Was erreicht man mit dem 9Euro-Ticket? Wer jetzt unter den Benzinpreisen stöhnt, fährt so oder so schon mit ÖPNV preiswerter, wenn der ÖPNV eine Alternative ist.
    Wir stehen vor diversen Krisen, und man bekommt den Eindruck, die Politik reagiert mit Aktionismus aus Angst vor dem (Wut)Bürger.

  9. 42.

    Ich benutze die "Öffentlichen" in Berlin eigentlich überhaupt nicht, fahre viel mit dem Rad. Jetzt mit dem 9,- Ticket testweise mal etwas unterwegs gewesen. Muss aber feststellen, das ist kein Spaß, rappelvoll trotz Ferienzeit, im Bus dröhnt und scheppert es, da bekommt man Kopfschmerzen. S-Bahn wäre ok, aber überall Schienenersatzverkehr. Letztendlich hilft da auch der günstige Preis nicht, es ist einfach unattraktiv.

  10. 41.

    Bloß nicht. Es gibt einfach zu viele Leute mit sehr viel Zeit. Die blockieren in den öffentlichen Verkehrsmitteln die Plätze für die Menschen, die zur Arbeit fahren und mit ihren Steuern den Spaß bezahlen.

  11. 40.

    Wie verlogen ist das denn wieder! Die BVG verkürzt Linien und verlängert Taktungen wegen Personalmangels und die Politik meint hingegen, sie könne mehr Menschen in die restlichen Busse und Bahnen drücken.

  12. 39.

    Dann kann Berlin ja auch auf das Geld aus den Länderfinanzausgleich verzichten, Berlin hat es ja. Beim Nehmen ist Berlin ja spitze.

  13. 38.

    Geschenke ja? Ich benötige das Geld, was ich durch das Ticket spare um es umzuschichten in Lebensmittel. Schluss mit Sanktionen wäre der richtige Absatz

  14. 37.

    Sie wohnen bestimmt nicht am Stadtrand und arbeiten auch nicht im Schichtdienst.....

  15. 36.

    Seit es das 9€ Ticket gibt, lasse ich mein Auto stehen. Dahingehend find ich das Teil super. Dass wir damit nicht die Welt retten - auch klar.
    Ich sage immer, wenn jemand einen kleinen Teil beiträgt, hilft man der Welt mehr. Jeder kann in seinem Alltag etwas tun. Damit meine ich nicht, sich irgendwo festzukeleben, Bildchen bei Insta hochzuladen oder bei einer Demo mitzurennen, um dann eine Woiche später in den Urlaub zu fliegen. Mir wäre es schon lieb, wenn diese grausame Vermüllung in Berlin endlich aufhören würde.

  16. 35.

    Eine vernünftige Alternative zum 9€ sollte gefunden werden, die nicht nur die Berliner entlastet sondern auch das angrenzende Brandenburg. Das wäre fair und anständig. Volle Bahnen hatten wir davor auch schon. Regelmäßigkeit auf den Schienen wäre sinnvoll. Soll heißen ein 24 stündiges Fahren der Bahn. Gerade für Menschen im Schichtdienst.

  17. 34.

    Ein sehr vernünftiger Vorschlag. Wenn sich das Menschen nicht leisten können muss man mal über menschenwürdige Löhne und (Erwerbsunfähigkeits-)Renten nachdenken. Der Staats- und Sozialhaushalt muss auch 2023 und 2024 finanzierbar bleiben.

  18. 33.

    Nur für AB? ABC oder der komplette Geltungsbereich des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg wäre ja sinnvoller.

  19. 32.

    Lange vor dem 9 Euro Ticket gab es doch 1 Milliarde Fahrgäste die gerne Ticktets bezahlt haben.
    Diese Diskussion gehört ins Sommerloch. Ab 1. September wird wieder für Leistung bezahlt.

Nächster Artikel