Energiekrise - Berliner Koalition will über Entlastungen entscheiden

Mo 19.09.22 | 06:20 Uhr | Von Christoph Reinhardt
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Ein Mehrfamilienhaus in der Hedemannstraße in Berlin-Kreuzberg (Quelle: dpa/Schoening)
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Video: rbb24 | 19.09.2022 | Yvonne Krause | Im Gespräch: Boris Hermel | Bild: dpa/Schoening

Die rot-grün-rote Koalition will sich am Montag über Entlastungen wegen der Energiekrise verständigen. Im Haushalt sind bisher 380 Millionen Euro für Härtefälle eingeplant. Schon jetzt steht fest: Damit wird Berlin nicht weit kommen. Von Christoph Reinhardt

"Niemand in Berlin soll wegen der steigenden Energiepreise seine Wohnung verlieren" - so eine griffige Forderung zu formulieren, ist noch die leichteste politische Übung. Über die konkrete Umsetzung muss sich die Berliner Regierung aber erst verständigen.

Zumindest bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften fällt den rot-grün-roten Koalitionspartnern die Antwort noch relativ leicht: Für die gut 350.000 Wohnungen - beziehungsweise ihre rund eine Millionen Bewohnerinnen und Bewohner - soll es über den Winter ein Kündigungsmoratorium geben, so wie bereits in der Corona-Krise. Ausfälle für die landeseigenen Unternehmen müsste der Senat übernehmen.

Kündigungsmoratorium für landeseigene Wohnungen

Gezielte Hilfen für alle bedürftigen Mieterinnen und Mieter sind aber deutlich schwieriger zu organisieren. Zwar haben sich die Parteien im Prinzip auf den Wohnberechtigungsschein als Voraussetzung verständigt. Eine reibungslose Umsetzung ist aber kein Selbstläufer, denn nur ein kleiner Teil der Anspruchsberechtigten hat sich bisher einen aktuellen Schein auch ausstellen lassen, er ist jeweils ein Jahr lang gültig.

Ohne Verstärkung für die zuständigen Wohnungsämter in den Bezirken wären lange Wartezeiten die Folge. Unbürokratische Anträge wie in der Coronakrise wären zwar denkbar, können aber leicht missbraucht werden. Und gefragt sind auch schnell wirksame Lösungen für Soloselbständige, Kulturschaffende, Sportvereine und soziale Träger.

Eine wichtige Rolle soll wieder die landeseigene Investitionsbank IBB übernehmen – auf jeden Fall bei den Hilfen für kleinere und mittlere Unternehmen. Wie schon bei den Corona-Hilfen sind rückzahlbare Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen eher unproblematisch. Bei Zuwendungen ist die Sache nicht nur rechtlich komplizierter, sondern auch politisch anspruchsvoller. Individuelle Hilfen sollen möglichst alle Lücken schließen, die die Hilfspakete des Bundes übriglassen. So lautet der kleinste gemeinsame politische Nenner.

Linke will Sozialticket nachbessern

Während die Grünen besonderen Wert auf Förderung erneuerbarer Energien, Energiesparchecks und Beratung legen, will die Linke vor allem Verarmung durch steigende Energiekosten verhindern. Die SPD, die neben der Regierenden Bürgermeisterin auch den Wirtschaftssenator stellt, will auch der Mittelschicht erkennbare Entlastungsangebote machen.

Mit der Einführung des 29-Euro-Tickets bis zum Ende des Jahres sind Sozialdemokraten und Grüne schon sehr zufrieden, die Linke hat aber noch Nachbesserungsbedarf beim Sozialticket angemeldet. Bedürftige zahlen mit 27,50 Euro fast genauso viel wie alle anderen – ungerecht, sagt die Landesvorsitzende Katina Schubert. Sie hält neun Euro für angemessen und will das Thema am Montag im Koalitionsausschuss noch einmal ansprechen. Allein 105 Millionen Euro lässt sich das Land die Übergangsregelung für drei Monate kosten.

Finanzsenator kündigt Nachtragshaushalt an

"In der Krise spart man nicht", mit diesem Grundsatz macht sich die Berliner SPD für höhere Ausgaben stark. Und wirbt wie Linke und Grüne auch für eine Aussetzung der Schuldenbremse, über die der Bund entscheiden müsste. Denn ohne neue Kredite wird es nicht gehen: Dass der 380 Millionen Euro schwere Härtefallfonds nur einen kleinen Teil der krisenbedingten Mehrkosten abdecken dürfte, ist kein Geheimnis. Der grüne Finanzsenator Daniel Wesener ging zuletzt von einer Milliarde Euro Mehrbedarf in diesem und dem kommenden Jahr aus.

An vielen Entlastungsmaßnahmen des Bundes sind auch die Länder beteiligt, sie müssen zum Beispiel die Ausweitung des Wohngeld-Anspruchs mitbezahlen oder auf Einnahmen verzichten, wie etwa bei der Senkung der Umsatzsteuer. Nur für ein Drittel der absehbaren Belastungen sei bisher Vorsorge getroffen, berichtete der Finanzsenator dem Parlament – und stellte die Abgeordneten darauf ein, dass der erst im Juni beschlossene Doppelhaushalt wohl schon bald durch einen Nachtragshaushalt aktualisiert werden muss.

Sendung: rbb24, 19.09.2022, 13:00 Uhr

Beitrag von Christoph Reinhardt

45 Kommentare

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  1. 45.

    "Warum schließen Sie nur immer von sich auf andere und erzeugen dann noch ein Feindbild gegen sich selbst oder ist es gar nur der blanke Neid auf andere Menschen?" Sie reden wirr.

    "Warum sollten denn nicht ALLE Menschen entlastet werden, sind ja schließlich auch ALLE belastet." Sie meinen also der Milliardär wird genauso belastet wie er der Rentner mit einer Rente von 1200 €?

  2. 44.

    Vor 30 Jahren, dass waren andere Zeiten, der Sprit war günstig, das Autofahren populär, die Klimakrise kein Thema.
    Heutzutage ist der Sprit teuer, die Klimakrise eines der Hauptthemen, und die Verkehrswende ein beschlossenes Vorhaben der Politik.
    Übrigens, in Rhein - Main- Gebiet begann man bereits vor ca. 15 Jahren, mit massiven Ausbau des ÖPNV, um die Menschen vom Autofahren wegzubringen, mit Erfolg.
    Was vor 30 Jahren galt, ist heutzutage längst überholt, und der ÖPNV muss ausgebaut werden, um die geplante Verkehrswende umzusetzen.

  3. 43.

    "Warum sollte man Porschefahrer und Millionäre entlasten"
    Das sehe ich genau wie Sie.
    Es sollten bei einer sinnvollen gerechten Entlastung zur Bedürftigkeit Einkommensgrenzen festgelegt und nachgewiesen werden. Menschen mit großen Einkommen sind nicht bedürftig und müssen daher nicht entlastet werden.

  4. 42.

    Berliner:
    "Einfach die Energiepreise deckeln, es könnte so einfach sein, hat uns doch auch Corona und seine Maßnahmen gezeigt.
    Als steuerzahlende mittelschicht fühlt man sich eigentlich nur noch veräppelt."

    Milchmädchenrechnung!

    Was soll dann ein Unternehmen machen, dass z.B. das Erdgas auf dem Weltmarkt nur zu einem höheren Preis über Ihrem "Energiepreisdeckel" bekommt? Es kauft kein Erdgas mehr ein und beliefert auch keine Kunden mehr mit der Folge, dass mehr Gas aus dem Gasnetz genommen wird, als eingespeist wird. Der Gasdruck sinkt oder einige Kommunen werden vom Gas abgedreht! Das Gleiche beim Strom!

    So einfach ist das nicht, wie sich das "Berliner" vorstellt! Es ist ein komplexes Problem, für das es keine einfache Lösung gib!

    Im übrigen: Wenn man den Energiepreis zu sehr deckelt und die Energie zu billig ist, besteht die Gefahr der vermehrten Energieverschwendung. Ich erinnere an die vielen unsinnigerweise jetzt gekauften Heizlüfter!

  5. 41.

    Tilda:
    "Antwort auf [Brandenburger] vom 19.09.2022 um 14:54
    Die unterschiedliche Besteuerung allein ist schizophren. Mehl, Nudeln, Käse 7% - Getränke, Zahncreme, Klopapier 19% - sind letztgenannte Dinge doch auch lebensnotwendig. Hier einheitlich den verminderten Steuersatz anzusetzen, wäre ein Anfang."

    Das konsequent zuende gedacht, ginge zu weit, denn dann wird auch für Kleidung (second hand bis Luxus), für Kühlschränke, für Waschbecken etc. pp. der geringere USt-Satz gefordert werden.

    Es macht schon mehr Sinn, nur das notwenidige Essen (kein explizites Tierfutter) und Trinken (kein Alkohol, keine Zuckergetränke) geringer zu besteuern und dann noch ein paar wenige Ausnahmen (Kulturförderung: Bücher, Kunst & Kultur, aber da ist zum Teil die Abgrenzung schwierig!), aber nicht alles, was wir heute so zum Leben brauchen, weil sonst für den hohen Steuersatz kaum noch etwas übrig bleibt.

  6. 40.

    Mario:
    "Antwort auf [Brandenburger ] vom 19.09.2022 um 15:36
    Dem stimme ich auch als gebürtiger Berliner zu. Die radikalen PKW Fahrverbot kommen aber auch von Hipster Ökos welche nach Berlin Zugezogenen sind"

    Wer fordert hier auf der Seite ein PKW-Fahrverbot? Niemand! Also, was soll dieser Kommentar von Hipster "Mario" dann?

  7. 39.

    Michael L.:
    "Der größte Preistreiber ist der Staat mit seiner Besteuerung."

    Wollen Sie alle Steuern abschaffen?

    Michael L.:
    "Mehrarbeit wird mit höheren Steuern und höheren Sozialabgaben bestraft."

    Das ist Unfug!
    1. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sind keine Strafen!
    2. "Mehrarbeit" - was auch immer das sein soll im Unterschied zu Nicht-"Mehrarbeit" - wird genauso besteuert wie Arbeit, die keine "Mehrarbeit" ist.

    Michael L.:
    "Leistungslose Einkommen über milliardenschwere Aktienpakete, Fonds und dreistellige Millionenvermögen und Erbschaften werden zu gering veranlagt."

    Da stimme ich zu. Arbeitsfreies Einkommen aus Erbschaften darf aus Gerechtigkeitsgründen nicht niedriger besteuert werden als Arbeitseinkommen!

  8. 38.

    Sebastian:
    "Entlastungen sind keine Lösung, wann begreift man das endlich! Die Preise für Energie, Sprit und Lebensmittel müssen runter!"

    Wie? Wollen Sie nun die Preise für Schrippe, Mehrkornbrötchen und alle anderen Lebensmittel staatlich festlegen?

  9. 37.

    Die Zeiten vor 30 Jahren, als das Autofahren noch günstig war sind längst vorbei, außerdem sprach damals noch keiner von CO2 Belastung, von Klimakriese und Verkehswende.
    Als ich noch vor ca 30 Jahren in Hassen wohnte, war der Frankufrter- Speck gürtel mit ÖPNV auch abgespeckt gewesen, und die Menschen waren zu sehr auf das Auto angewiesen, aber das hatte sich durch die moderne Verkehrspolitik der letzten 15 Jahre, mit massiven Ausbau des ÖPNV, total geändert. Jetzt fahren die Menschen lieber mit Zug oder Bus zur Arbeit, als mit dem Auto. Warum wohl, weil das Autofahren teuer, unbequem und stessig ist. Ich bin mehrfach im Jahr dort, und kann es aus nächster Nähe miterleben.

  10. 36.

    Die Geschichte beweist, dass der ÖPNV am Bedarf hängt und nicht andersherum. Konnte man vor gut 30 Jahren eindrucksvoll beobachten und sieht man auch heute, wenn Strecken ausgebaut oder auch stillgelegt werden sollen. Macht die vorhandenen Linien voll, dann kommen auch weitere dazu. Lasst auch die letzten paar Busse leer durch die Gegend fahren, dann kommen die auch noch irgendwann weg. Macht, wie ihr wollt, ist ja euer zuhause, aber mault bitte nicht rum, wenn es etwas nicht gibt, nur damit ihr es theoretisch nutzen könntet.

  11. 35.

    Ein dichtes ÖPNV-Netz mit halbwegs kurzer Taktung ist flächendeckend in einem dünnbesiedelten Flächenland (BRB oder auch MVP) nicht sehr sinnvoll, da bei vielen Verbindungen/Strecken großteils nur einige wenige Personen befördert würden. Besser wären dann engetaktete Haupstrecken und P+R an diesen entlang(für E-Pkw könnte dort auch gleich die Lademöglichkeit sein).

  12. 34.

    Einfach die Energiepreise deckeln, es könnte so einfach sein, hat uns doch auch Corona und seine Maßnahmen gezeigt.
    Als steuerzahlende mittelschicht fühlt man sich eigentlich nur noch veräppelt.

  13. 33.

    Sag mal, Kollege, kannst du auch mal was Konstruktives beitragen oder geht das mit den dir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht?

  14. 32.

    Warum schließen Sie nur immer von sich auf andere und erzeugen dann noch ein Feindbild gegen sich selbst oder ist es gar nur der blanke Neid auf andere Menschen? Warum sollten denn nicht ALLE Menschen entlastet werden, sind ja schließlich auch ALLE belastet.

  15. 30.

    Es gibt auf dem Land kaum ÖPNV, weil ihn kaum jemand nutzt -> Luxusproblem.

  16. 28.

    Nicht den verminderten Steuersatz sonder gar keinen. Lebensnotwendige Dinge stellen keinen Mehrwert dar. Mehrwert könnte man höchstens bei Luxusgütern geltend machen. Sind das was sie nannten Luxusgüter?

    Ich hatte geschrieben:
    "Es gibt m.E. nur eine mögliche Lösung: SCHLUSS MIT DER SINNLOSEN MEHRWERTSTEUER AUF ALLES WAS LEBENSNOTWENDIG IST WOZU AUCH DER KRAFTSTOFF FÜR DEN PKW GEHÖRT.

    Ich hatte in einem anderen Beitrag geschrieben, dass die Erhebung einer Mehrwertsteuer auf Lebensmittel schizophren ist."

  17. 27.

    Das mit den gemeinsammen Auto, dass ist vieleicht ein brauchbarer Vorschlag für Berlin, aber bitteschön nicht für das flache Land wo es kaum ÖPNV gibt.
    In Deutschland sind immer noch die meisten Menschen auf das Auto angewiesen, aber anstatt den ÖPNV auszubauen, lieber versorgt man die verwöhnten Großstädter mit billigen Monatskarten, damit sie fast zum 0 - Tarif Tag und Nacht rumgurgen können.

  18. 26.

    Quatsch. Weißt du wieviel feste Buslinien es in ganz BB noch gibt?
    Linksgrüne Ideologie, alternatives verordnet, zerstört die Gesellschaft.

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