Energiekrise - Berliner Koalition will über Entlastungen entscheiden
Die rot-grün-rote Koalition will sich am Montag über Entlastungen wegen der Energiekrise verständigen. Im Haushalt sind bisher 380 Millionen Euro für Härtefälle eingeplant. Schon jetzt steht fest: Damit wird Berlin nicht weit kommen. Von Christoph Reinhardt
"Niemand in Berlin soll wegen der steigenden Energiepreise seine Wohnung verlieren" - so eine griffige Forderung zu formulieren, ist noch die leichteste politische Übung. Über die konkrete Umsetzung muss sich die Berliner Regierung aber erst verständigen.
Zumindest bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften fällt den rot-grün-roten Koalitionspartnern die Antwort noch relativ leicht: Für die gut 350.000 Wohnungen - beziehungsweise ihre rund eine Millionen Bewohnerinnen und Bewohner - soll es über den Winter ein Kündigungsmoratorium geben, so wie bereits in der Corona-Krise. Ausfälle für die landeseigenen Unternehmen müsste der Senat übernehmen.
Kündigungsmoratorium für landeseigene Wohnungen
Gezielte Hilfen für alle bedürftigen Mieterinnen und Mieter sind aber deutlich schwieriger zu organisieren. Zwar haben sich die Parteien im Prinzip auf den Wohnberechtigungsschein als Voraussetzung verständigt. Eine reibungslose Umsetzung ist aber kein Selbstläufer, denn nur ein kleiner Teil der Anspruchsberechtigten hat sich bisher einen aktuellen Schein auch ausstellen lassen, er ist jeweils ein Jahr lang gültig.
Ohne Verstärkung für die zuständigen Wohnungsämter in den Bezirken wären lange Wartezeiten die Folge. Unbürokratische Anträge wie in der Coronakrise wären zwar denkbar, können aber leicht missbraucht werden. Und gefragt sind auch schnell wirksame Lösungen für Soloselbständige, Kulturschaffende, Sportvereine und soziale Träger.
Eine wichtige Rolle soll wieder die landeseigene Investitionsbank IBB übernehmen – auf jeden Fall bei den Hilfen für kleinere und mittlere Unternehmen. Wie schon bei den Corona-Hilfen sind rückzahlbare Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen eher unproblematisch. Bei Zuwendungen ist die Sache nicht nur rechtlich komplizierter, sondern auch politisch anspruchsvoller. Individuelle Hilfen sollen möglichst alle Lücken schließen, die die Hilfspakete des Bundes übriglassen. So lautet der kleinste gemeinsame politische Nenner.
Linke will Sozialticket nachbessern
Während die Grünen besonderen Wert auf Förderung erneuerbarer Energien, Energiesparchecks und Beratung legen, will die Linke vor allem Verarmung durch steigende Energiekosten verhindern. Die SPD, die neben der Regierenden Bürgermeisterin auch den Wirtschaftssenator stellt, will auch der Mittelschicht erkennbare Entlastungsangebote machen.
Mit der Einführung des 29-Euro-Tickets bis zum Ende des Jahres sind Sozialdemokraten und Grüne schon sehr zufrieden, die Linke hat aber noch Nachbesserungsbedarf beim Sozialticket angemeldet. Bedürftige zahlen mit 27,50 Euro fast genauso viel wie alle anderen – ungerecht, sagt die Landesvorsitzende Katina Schubert. Sie hält neun Euro für angemessen und will das Thema am Montag im Koalitionsausschuss noch einmal ansprechen. Allein 105 Millionen Euro lässt sich das Land die Übergangsregelung für drei Monate kosten.
Finanzsenator kündigt Nachtragshaushalt an
"In der Krise spart man nicht", mit diesem Grundsatz macht sich die Berliner SPD für höhere Ausgaben stark. Und wirbt wie Linke und Grüne auch für eine Aussetzung der Schuldenbremse, über die der Bund entscheiden müsste. Denn ohne neue Kredite wird es nicht gehen: Dass der 380 Millionen Euro schwere Härtefallfonds nur einen kleinen Teil der krisenbedingten Mehrkosten abdecken dürfte, ist kein Geheimnis. Der grüne Finanzsenator Daniel Wesener ging zuletzt von einer Milliarde Euro Mehrbedarf in diesem und dem kommenden Jahr aus.
An vielen Entlastungsmaßnahmen des Bundes sind auch die Länder beteiligt, sie müssen zum Beispiel die Ausweitung des Wohngeld-Anspruchs mitbezahlen oder auf Einnahmen verzichten, wie etwa bei der Senkung der Umsatzsteuer. Nur für ein Drittel der absehbaren Belastungen sei bisher Vorsorge getroffen, berichtete der Finanzsenator dem Parlament – und stellte die Abgeordneten darauf ein, dass der erst im Juni beschlossene Doppelhaushalt wohl schon bald durch einen Nachtragshaushalt aktualisiert werden muss.
Sendung: rbb24, 19.09.2022, 13:00 Uhr