Von Bolivien in die Lausitz - Wer greift nach dem Kupfer in Spremberg?

Mi 08.11.23 | 06:37 Uhr | Von Fabian Grieger und Ute Barthel, rbb24 Recherche; Recherchemitarbeit: Caroline Neubert
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Archivbild: Der Spülungstechniker Ralph Liesegang reinigt mit einem Lappen auf der Baustelle der Kupfererkundungsbohrung der Firma KSL Kupferschiefer Lausitz GmbH im südbrandenburgischen Spremberg (Spree-Neiße) die ersten Bohrkerne aus einer Tiefe von 1000 Metern. (Quelle: dpa/P. Pleul)
Video: rbb24 | 08.11.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/P. Pleul

Die "Kupferschiefer Lausitz GmbH" will bei Spremberg Metall abbauen. Die Behörden sehen offene Fragen beim Umweltschutz. Doch offen ist auch, wer genau hinter der Firma steckt. Von Fabian Grieger und Ute Barthel

Ab den 2030er Jahren möchte ein Unternehmen in der Lausitz Kupfer fördern. Mit "modernem Bergbau" will die Kupferschiefer Lausitz GmbH (KSL) das Metall bei Spremberg (Spree-Neiße) aus dem Boden holen. Seit rund zehn Jahren läuft das Verfahren. Doch im September ist die KSL im Raumordnungsverfahren gescheitert.

Die Gemeinsame Landesplanung war von den Umwelt- und Sicherheitsplänen der KSL für das geplante Kupfer-Bergwerk nicht überzeugt. Die Bedenken der Planungsbehörde betrafen vor allem die Lagerung von giftigen Reststoffen, die Einleitung von Grubenwasser in die Spree, die Auswirkungen des Abbaus auf die Trinkwasserverfügbarkeit und mögliche Bodenabsenkungen. Anwohner sorgen sich auch vor Umweltzerstörungen und einer Zunahme von Verkehr.

"Dass über einen Antrag komplett negativ entschieden wird, passiert ganz selten", sagt Ralf Noack, von der Spremberger Interessengemeinschaft gegen den Kupferbergbau. "Das ist aber in dem Fall eingetreten und hat uns selbst wirklich auch verblüfft."

KSL will Millionen nachschießen

Doch bei der KSL hält man an den Plänen fest und will weitere 50 Millionen Euro investieren, wie Blas Urioste, Country-Manager der KSL, im Interview mit rbb24 Recherche sagt. Für den Aufbau der Produktionsanlagen und den tatsächlichen Abbau sollen weitere Investoren gewonnen werden, um die bislang geplante Gesamtinvestition von 1,5 Milliarden Euro zu stemmen. Im Januar werde es dazu ein Treffen mit Interessenten geben. KSL-Vertreter Urioste ist zuversichtlich, die Bedenken der Behörden ausräumen zu können.

Wer steckt hinter der KSL?

Mit der Milliardeninvestition könnte die KSL zukünftig zu einem der prägenden Unternehmen Brandenburgs werden. Doch wer hinter der KSL steckt und wo letztlich die Gewinne landen könnten, ist bislang unbekannt.

Ein Blick ins deutsche Handelsregister zeigt, dass die KSL einer "Fabulosa Mines Limited" mit Sitz in Nikosia auf Zypern gehört. Doch an der Firmenadresse in Nikosia findet sich noch nicht einmal ein Briefkasten. Der Portier gibt an, die Firma nicht zu kennen. Die zypriotische "Fabulosa" wird nämlich nur von einer Anwaltskanzlei verwaltet. Eigentümer ist laut Handelsregistereintrag eine in Panama registrierte "Minera S.A.". Die ist über eine Adresse in Washington/USA erreichbar. Wer jedoch aktuell hinter der "Minera" steckt, lässt sich in Panama nicht in Erfahrung bringen.

Ein umstrittener Ex-Präsident

Dabei hält die "Minera S.A." die Abbaurechte am Lausitzer Kupfer. In Spremberg stellte sich die Firma als international agierendes Bergbau-Unternehmen vor, doch eine Webseite oder öffentliche E-Mail- oder Telefonkontaktdaten sucht man vergeblich.

Die "Minera" ist nach rbb-Recherchen Teil eines verschachtelten Firmen-Netzwerks, zu dem auch ein schwedisches Bergbau-Unternehmen gehört. Dieses muss nach schwedischem Recht - anders als in Deutschland - die wirklichen Eigentümer offenlegen. Einer von ihnen ist Gonzalo Sanchez de Lozada, genannt "Goni", ehemals Präsident Boliviens.

In seiner ersten Amtszeit von 1993 bis 1997 machte er sich durch die Privatisierung von Staatseigentum einen Namen. Seine zweite Amtszeit endete 2003 nach nur einem Jahr. Eine Steuerreform sowie Pläne zum Gasexport hatten Massenproteste, die von indigenen Organisationen angeführt worden, ausgelöst. Das Militär ging gegen die Demonstranten vor, mehr als 60 Menschen wurden getötet. Sanchez de Lozada setzte sich mit seinem engsten Umfeld in die USA ab, wo er bis heute lebt.

Dort wurde der Ex-Präsident 2018 von einem Zivilgericht wegen der außergerichtlichen Tötung von Zivilisten:innen zu einem Schadensgeld von zehn Millionen Dollar "verurteilt". Lozada ging gegen das Urteil vor, Ende September dieses Jahres einigten sich die Parteien auf einen Vergleich.

Der bolivianische Staat gibt sich damit nicht zufrieden und fordert die Auslieferung des Ex-Präsidenten, um ihn wegen weiterer Tötungen und Korruption vor Gericht zu stellen.

Vorwurf der Bereicherung

Kritiker in Bolivien werfen "Goni" zudem vor, seine politischen Ämter genutzt zu haben, um sich zu bereichern oder zumindest den Aufbau seines Minenimperiums zu fördern. "Goni ist über Verträge, die für den Staat extrem nachteilig waren, in den Besitz seiner profitabelsten Minen gelangt", behauptet Jorge Campanini, Bergbauspezialist vom Dokumentations- und Informationszentrum Bolivien CEDIB.

Nach seiner Flucht in die USA, verkaufte Sanchez de Lozada einen Großteil seiner bolivianischen Beteiligungen und reorganisierte sein Firmen-Netzwerk - unter dem Dach der "Minera". "Vor dem Hintergrund der Anklagen in Bolivien wollte Goni auch dafür sorgen, dass der bolivianische Staat keinen Zugriff auf sein Vermögen hatte und übertrug einige seiner Anteile Familienmitgliedern oder Strohmännern", sagt Jorge Campanini im rbb-Interview. Inwiefern das zutrifft, lässt sich nicht prüfen. Fest steht: Heute leitet Mauricio Balcázar, Schwiegersohn von "Goni" und persönlicher Sprecher des mittlerweile 93-Jährigen, die Geschicke der "Minera" und der KSL.

Zu den Vorwürfen schreibt Balcázar auf rbb-Anfrage: "Es ist nicht Aufgabe der KSL, politische Vorwürfe aus anderen Ländern zu kommentieren." Außerdem übernehme der Ex-Präsident keine operativen Aufgaben mehr im Unternehmen. Blas Urioste, der Spremberger KSL-Vertreter, findet den kritischen Blick auf das Unternehmen unfair: "Wir können uns dann gerne alle deutschen Konzerne und die Liste ihrer Eigentümer angucken und was es da für Vorwürfe gibt", kommentiert er.

Umweltschutzprobleme bei anderen Beteiligungen

Die "Minera" ist international an Bergwerken in Bolivien und Spanien beteiligt. An beiden Orten gab es Umweltverstöße. In Bolivien verantwortete eine "Minera"-Tochter 1996 nach einem Dammbruch eine der größten Umweltkatastrophen des Landes. Im spanischen Asturien verklagt die Staatsanwaltschaft aktuell ein Unternehmen der "Minera"-Gruppe wegen andauernder Umweltverstöße auf die Zahlung von zehn Millionen Euro – doch der Prozess pausiert wegen eines Formfehlers. Die "Minera" wollte sich dazu nicht äußern.

Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen gegen Sanchez de Lozada oder Umweltvergehen in Unternehmensbeteiligungen der "Minera" sind nach deutschem Bergrecht kein Grund, dem Unternehmen die Abbaulizenz zu verweigern. Die KSL kann also weiter ihre Ziele verfolgen.

"Ich rechne damit, dass während meiner Amtszeit eine positive Entscheidung zur Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens getroffen wird", sagt entsprechend die Bürgermeisterin von Spremberg, Christine Herntier (parteilos). Die Verbindung der Firma zu Sanchez de Lozada will sie nicht kommentieren. Jetzt gehe es darum, die offenen Fragen aus dem Raumverträglichkeitsverfahren zu klären, so Herntier.

Bürgermeisterin Herntier hofft auf üppige Gewerbesteuereinnahmen. Doch wird die Spremberger Kommunalkasse tatsächlich klingeln? Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit hat da seine Zweifel. Zum einen dauere es oft viele Jahre, bis ein Unternehmen mit solch hohen Anfangsinvestitionen überhaupt Gewinne macht, erklärt er. Zum anderen mache ihn die Firmenstruktur hinter KSL skeptisch: "Die ermöglicht es, Gewinne aus Deutschland in steuerfreie Steueroasen zu verschieben." Ob es wirklich dazu kommt, wird sich zeigen, wenn die KSL Gewinne erwirtschaftet.

Für Ralf Noack und andere Gegner:innen des Kupferbergbaus in Spremberg sind das Firmenkonstrukt und die Verbindungen zu Ex-Präsident Sanchez de Lozada das "I-Tüpfelchen der ganzen Geschichte". Das würde seine Zweifel an dem Projekt noch verstärken. „Was passiert mit der Achtung vor Natur und Mensch?“, fragt Noack. "Das ist das, was - wenn man die Historie des Konzerns liest - ja nicht wirklich gegeben ist."

Firmengeflecht (Quelle: rbb|24)

15 Kommentare

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  1. 15.

    Ich frage mich, warum solche Unternehmen in Deutschland freie Hand haben. Könnte es sein, dass da finanzielle Interessen von „Volksvertretern“ dahinter stecken, die bei der nächsten Gelegenheit in die Wirtschaft wechseln?

  2. 14.

    Hoffentlich setzen sich ein paar Juristen zusammen und aktualisieren das Bergrecht. Es kann nicht sein, dass die Region 35 Jahre nach der Wende sich verscherbelt, ihre (Boden)schätze fast verschenkt und ihre Natur dabei weg wirft. Ich frage mich, wieso der Mensch überhaupt Erde, Boden, seine Schätze und sein Wasser besitzt - Dinge die er nicht geschaffen hat. Das ist arrogant. Noch fraglicher, warum er den einzigen Stuhl auf dem er sitzt, den Tisch von dem er isst verkauft. Das ist naiv!

  3. 13.

    Müsste die Überschrift nicht heißen:
    „Wer lässt (!) nach dem Kupfer in Spremberg greifen“?
    „Lässt“ deshalb, weil es immer wieder Leute geben wird, die es, a la Herrn Gablenz, mit brandenburger Politikern aufnehmen werden. Es sind Kohlemilliarden zu vergeben. Und es ist so schwer nicht, die schwarzen Schafe zu entdecken.

  4. 12.

    Da macht sich also ein, andernorts bereits höchst negativ wirkendes Unternehmen, dessen Machenschaften dank rbb -Recherche nun auch hier bekannt werden, daran in Südbrandenburg seine dubiosen Geschäfte fortzusetzen. Und die Spremberger Bürgermeisterin glänzt wider jegliche Vernunft weiter mit dem naiven Glauben an Steuereinnahmen durch "KSL/Minera".

    Wir brauchen auch auf lokaler Ebene Entscheidungsträger/innen mit einem politischen Horizont jenseits des Gartenzauns und ohne Beratungsresistenz.

  5. 11.

    Haben wir in Deutschland nicht schon genügend Beispiele von windigen "Investoren", dass es ein weiteres braucht? Es steht zu befürchten, dass jede Menge Steuergeld offenen Auges versenkt werden. Typisch Land Brandenburg.

  6. 10.

    Geld regiert die Welt...

  7. 9.

    Danke RBB-TEAM für Recherche und Artikel, dran bleiben!

  8. 8.

    Au backe.......das klingt wirklich sehr bedenklich. Danke dem rbb24 Team für diese Recherche. Von Deutschland führen die Spuren über Zypern nach Panama und von Scheden letztendlich nach Bolivien. Das klingt alles überhaupt nicht gut, mich gruselt es. Hoffentlich wird tatsächlich nichts draus.

  9. 7.

    Das die Eigentümer Strukturen hier nicht offen gelegt werden müssen ist ein Skandal.
    Die Zerstörung der Lausitz durch die Kohle ist schon schlimm genug.

  10. 6.

    Mit der Aussage“…aus dem nichts wird.“ wäre ich sehr vorsichtig, wenn es um richtig Kohle/Geld geht. Es wird immer kritisiert, daß es zu wenig Hintergrundinformationen gibt zu den Beiträgen XYZ . Jetzt mal m.M.n.doch ausführlichere Informationen , welche dem Interessierten das „große Ganze“ etwas durchsichtiger macht bzw.neue Frage aufwirft.

  11. 5.

    "Ich mach die Welt, wie sie mir gefällt, widde widde witt"
    Ist doch schön, wie manche (?) Unternehmen ihreProfite steigern können
    (ACHTUNG : Ironie)

  12. 4.

    Klasse Artikel,
    toll recherchiert. Solche Artikel wünsche ich mir öfter im RBB. Tolle Arbeit!

  13. 2.

    danke, für diesen artikel, fantastisch recherchiert.

  14. 1.

    So ein langer Beitrag über etwas, aus dem nichts wird.

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