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Video: rbb|24 | 17.07.2021 | Material: Brandenburg aktuell, Abendschau | Quelle: dpa/S. Hoppe

Diskussion um Luftfilter in Schulen

Viel heiße Luft

200 Millionen Euro will der Bund bereitstellen, damit künftig wenigstens in dem einen oder anderen Klassenzimmer ein Luftfilter steht. In Berlin wurden bereits Geräte angeschafft, in Brandenburg kaum - in beiden Ländern sorgt das für Streit. Von Amelie Ernst und Tobias Schmutzler

Dass Luftfilter für ihre und andere Schulen eine gute Sache wären, das ist für Denise Sommer keine Frage. Sie leitet die Grundschule im Zossener Ortsteil Glienick und ist zudem Landesvorsitzende des Grundschulverbandes. Man habe schon im Februar darauf hingewiesen, dass Raumlüftungsanlagen wichtig wären, um die Schulen langfristig offen zu lassen. "Aber es wundert einen dann schon immer, dass es so lange dauert, bis es zu Taten kommt", sagt sie.

Sie selbst sei keine Expertin fürs Lüften, so Sommer. Doch die fachliche Einschätzung beispielsweise der Deutschen Physikalischen Gesellschaft sei deutlich. Demnach gebe das normale Stoßlüften zwar einen guten Schutz, aber die Mischlüftung mit Luftreiniger und Ventilator sogar einen exzellenten Schutz.

Das Lüften bleibt

Im Brandenburger Bildungsministerium bleiben Zweifel: Denn auch wo ein Luftfiltergerät stehe, müsse weiter regelmäßig gelüftet werden. Das habe auch das Umweltbundesamt bestätigt, betonte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) am letzten Schultag vor den Ferien im rbb. "Mir ist keine Klasse in Deutschland bekannt, die durch den Einsatz eines Lüftungsgerätes den Distanz- oder Wechselunterricht vermeiden konnte", so Ernst damals.

Wolfram Birmili, beim Umweltbundesamt zuständig für das Fachgebiet Innenraumhygiene, unterstreicht das: Seine Behörde finde es nur vertretbar, eine begrenzte Zahl an mobilen Luftreinigern zu kaufen. "Wir halten es aber nicht für notwendig, die Geräte für alle Klassenräume anzuschaffen", sagt Birmili.

Pilotprojekt in Berlin

Senat plant Lolli-Tests in Kitas und Grundschulen

Die herkömmlichen Corona-Tests sind für Kinder nicht wirklich geeignet. Der sogenannte Lolli-Test soll jetzt Abhilfe schaffen und für mehr Sicherheit sorgen. Noch zögert die Bildungsverwaltung aber. Von Birgit Raddatz

Unterstützung erhält die Ministerin in Teilen auch vom Landeselternrat: Deren Vertreter Jan Alexy ist ebenfalls dagegen, die Geräte flächendeckend aufzustellen. Wenn, dann gezielt in Räumen, die sich schlecht lüften lassen. Für mehr reiche das Geld ohnehin nicht. "Es macht keinen Sinn, weder praktisch noch rechnerisch, alle Klassen komplett auszustatten", so Alexy. Außerdem dürfe man Eltern und SchülerInnen nicht in falsche Sicherheit wiegen: "Man muss aufpassen, dass das dann nicht in blinden Aktionismus übergeht."

Bisher 7.700 Luftfilter für Berliner Schulen

Doch mit Lüftern nur für schlecht zu lüftende Räume will sich speziell die Linke nicht zufrieden geben - weder in Brandenburg noch in Berlin. Sie fordert Lüftungsgeräte für alle Klassenräume, und zwar bis zum Herbst. 25.000 Geräte würde das allein für Berlin bedeuten. "Wir wollen ja wohl nicht, dass die Kinder den nächsten Winter wieder in den Klassenräumen frieren und mit Anoraks sitzen", so Linken-Bildungspolitikerin Regina Kittler.

Nach aktuellem Stand hat Berlin 7.700 Luftfilter bestellt, die auf die Schulen in den Bezirken verteilt werden. Die Anschaffung weiterer Geräte plane man aber bereits, bestätigt die Senatsverwaltung für Bildung dem rbb. Und auch am neuen, 200 Millionen Euro schweren Förderprogramm, das das Bundeskabinett am Mittwoch aufgelegt hat, werde Berlin teilnehmen - in welchem Umfang, stehe aber noch nicht fest.

"Die Senatsverwaltung denkt nie im Voraus"

Mit dem Programm will der Bund die Anschaffung mobiler Filtergeräte zu 50 Prozent fördern: für Kitas und Schulen, die auch Kinder unter 12 Jahren besuchen. "Dass der Bund jetzt ein Förderprogramm gemacht hat, sollte uns Auftrag sein, dass wir das jetzt schleunigst abrufen", sagt Stefanie Remlinger, Sprecherin für Berufliche Bildung bei den Grünen, dem rbb.

Dabei ist gerade Schnelligkeit aus Sicht der Opposition nicht gerade das, was die Krisenpolitik des Senats bisher ausgezeichnet hat - so sieht es zumindest die FDP im Abgeordnetenhaus. "Man hätte schon am Anfang viel mutiger bestellen müssen", kritisiert Florian Kluckert, gesundheitspolitischer Sprecher der Liberalen in Berlin. "Die Senatsverwaltung ist der Pandemie immer einen Schritt hinterher. Sie denkt nie im Voraus."

"Bund hat verschlafen"

Mangelndes Tempo - diese Kritik muss sich auch die Brandenburger Bildungsministerin Britta Ernst gefallen lassen. Gerade als Vorsitzende der Kultusministerkonferenz hätte sie mehr Druck machen müssen, findet Hartmut Stäker, der Präsident des Brandenburgischen Pädagogenverbandes. Aber auch das Bundesprogramm hätte viel früher kommen müssen.

Schließlich bildeten Kinder die größte Gruppe derjenigen, die bisher nicht geimpft werden können. "Wenn der Bund nicht erst im Mai ausgeschlafen hätte, dann hätte auch das Land eher reagieren können." Und selbst wenn Lüfter kein Allheilmittel seien - man klammere sich "an jeden Strohhalm", so Stäker.

Das Brandenburger Bildungsministerium will zeitnah seine Pläne für die Luftfilter bekanntgeben. Man suche jetzt zunächst das Gespräch mit dem Bund, um zu klären, wie die mobilen Geräte mit dem Förderprogramm schnell an die Schulen kommen, die über schlecht zu lüftende Räume verfügen, heißt es. Beim Thema Lüften dürfte das neue Schuljahr in den meisten Schulen so starten wie das alte aufgehört hat.

Sendung: Inforadio, 16.07.2021, 6 Uhr

Beitrag von Amelie Ernst und Tobias Schmutzler

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