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Audio: Inforadio | 30.11.2021 | Martin Adam | Quelle: dpa/J. Carstensen

Corona-Krise verschärft sich

Kommt der vierte Lockdown?

Nach der Verfahrensweise in Corona-Welle eins bis drei würden die aktuellen Infektionszahlen nur einen Schluss zulassen: Lockdown. Kommt dieser nun auch in Welle vier auf uns zu? Und wäre das rechtlich überhaupt möglich? Von Martin Adam

Berlin und Brandenburg färben sich ein. Die Sars-Cov-2-Karte des Robert-Koch-Instituts geht langsam von Rot in Pinktöne über. 7-Tage-Inzidenzen über 500 - vor einem Jahr noch kaum vorstellbar - sind die neue Normalität, Inzidenzen über 1.000 auch keine Seltenheit mehr.

Lockdown, das vermeintliche Unwort, scheint dennoch niemand mehr aussprechen zu wollen - in der Politik nur vereinzelt, in der Wirtschaft schon gar nicht. Und doch macht die Möglichkeit eines neuen, vierten Lockdown seit Tagen die Runde – nur mit anderen Worten.

Berlin

Merkel, Scholz und Länderchefs beraten am Dienstag über Corona-Krise

Nonnemacher: "Lockdown oder wie auch immer"

Ursula Nonnemacher (Grüne) zum Beispiel, die Brandenburger Gesundheitsministerin, spricht im rbb lieber von "radikalen Kontaktbeschränkungsmaßnahmen", die unumgänglich seien – angesichts einer landesweiten 7-Tage-Inzidenz deutlich über 700 und mehreren Kreisen und Städten, die bereits jetzt nächtliche Ausgangssperren für Ungeimpfte verhängen und Clubs schließen mussten. Die Landesregierung werde handeln, stellt Nonnemacher in Aussicht, "ob man das jetzt Lockdown oder wie auch immer nennt."

Eine Regierungsebene tiefer steht auch Stephan Loge vor einem Dilemma. Loge ist Landrat im Landkreis Dahme-Spreewald. Von einem Lockdown will auch er nur ungern sprechen und ihn am liebsten auch politisch vermeiden, denn der bestrafe vor allem "den Teil der Bürger, der sich vorbildlich gehalten hat, an das, was Recht und Gesetz ist." Wenn man wieder alles dicht mache, laufe man Gefahr, auch bei denen, die bisher die Pandemiepolitik unterstützt haben, Akzeptanz zu verlieren. Gleichzeitig werde auch er von Medizinern gewarnt, die zu einer "ganz konsequenten Kontakteinschränkung, besser sogar einem Kontaktabbruch" noch vor Weihnachten raten.

Lage in Südbrandenburg

Patienten müssen täglich in andere Krankenhäuser verlegt werden

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Handelsverband: "Das wird für viele Kollegen das Ende bedeuten"

Sie bekommen Unterstützung von der nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina. Deren Vizepräsident Robert Schlögl sagte am Montag im rbb-Inforadio, auch wenn man von Lockdown nicht mehr sprechen könne, sei die erste Maßnahme zur Pandemiebekämpfung die Kontaktreduktion. Damit ließe sich Zeit gewinnen, die zum Impfen genutzt wird, um die vierte Welle zu brechen und die fünfte zu verhindern. Auch Impfstoff-Forscher Leif Erik Sander von der Berliner Charité sprach sich im rbb für Kontaktbeschränkungen aus, vor allem um die angespannte Situation auf den Intensivstationen in den Griff zu kriegen. Schlögl und Sander dürften damit auch stellvertretend für viele Expert:innen aus Virologie und Epidemiologie sprechen, genau wie für Mediziner:innen und vor allem dauerüberlastete Pflegekräfte.

Soweit, so nachvollziehbar, heißt es aus der Wirtschaft. Einen Lockdown, bei dem Geschäfte wieder schließen müssen, lehnen hier trotzdem viele ab. Björn Fromm, Vizepräsident des Handelsverbands Deutschland, befürchtet, nach zwei Jahren Pandemie, drei Wellen und ebenso vielen Lockdowns, "wird das für viele Kollegen das Ende bedeuten". In den Unternehmen sei viel Kapital abgebaut worden in den letzten Monaten, die Kundenzahlen auch ohne Lockdown noch deutlich niedriger als vor der Pandemie. Man sei deswegen für eine Impfpflicht, sagt Björn Fromm. Der Handel helfe auch beim Impfen, wenn sich nur ein Lockdown vermeiden ließe.

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Verfassungsrechtler: Länder haben alle Möglichkeiten

Je nach Blickwinkel wäre ein Lockdown eine Strafe, ein finaler Tiefschlag oder auch die letzte Rettung. Unabhängig von der Bewertung gilt aber: Rechtlich wäre er auf jeden Fall möglich, auch nachdem der Bundestag die pandemische Lage nationaler Tragweite nicht verlängert hat.

"Die Länder haben immer noch weitgehende Befugnisse", sagt der Verfassungsrechtler Ulrich Battis. "Sie könnten auch rein theoretisch einen Lockdown beschließen." Der käme dann nicht mehr als bundesweite Entscheidung, sondern eben in Länderhoheit. Das gerade geänderte Infektionsschutzgesetz hält gleich in Artikel 1 alle Möglichkeiten dafür bereit, von Maskenpflicht über Kontaktbeschränkungen bis Schulschließungen.

Dass sich die Maßnahmen dann wahrscheinlich je nach Land unterscheiden, könne ja auch ganz sinnvoll sein, so Battis, vorausgesetzt, die Situation in den Ländern erfordere das. "Wenn Brandenburg einen Lockdown verhängt und Berlin nicht, wäre das aber nicht so gut."

Ob es am Ende doch eine bundesweite Lösung geben wird, hängt auch von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ab, das für Dienstag angekündigt ist. Es muss entscheiden, ob der letzte Lockdown basierend auf der sogenannten Bundesnotbremse überhaupt rechtmäßig war. Danach, vermutet Ulrich Battis, muss sich die Politik ohnehin erstmal neu sortieren.

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Sendung: Inforadio, Nachrichten, 30.11.2021, 9 Uhr

Beitrag von Martin Adam

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