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Audio: Inforadio | 05.10.2021 | Kirsten Buchmann | Quelle: imago images

Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahl

Offenbar haben in Berlin auch Minderjährige gewählt

Weil in Berlin bei der Briefwahl alle Stimmzettel in einen Umschlag gepackt werden sollten, gab es offenbar eine Manipulationsmöglichkeit: Demnach konnten Minderjährige und EU-Ausländer unberechtigterweise über Bundestag und Abgeordnetenhaus abstimmen.

In Berlin haben offenbar Jugendliche ihre Stimme auch für die Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl beziehungsweise den Volksentscheid abgegeben. Das berichten die Zeitungen "Die Welt" und "Tagesspiegel". Eigentlich liegt das allgemeine Wahlalter bei 18 Jahren, doch bei der Bezirksverordnetenversammlung durften auch Jugendliche ab 16 Jahren wählen.

Die Zeitungen nennen drei konkrete Fälle in den Bezirken Neukölln und Pankow. Eine Schülerin habe die fälschlicherweise erhaltenen Stimmzettel wieder zurückgegeben. Die beiden anderen Jugendlichen seien davon ausgegangen, dass es seine Richtigkeit habe und sollen so mitgestimmt haben.

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Wahlvorstand muss an der Urne prüfen

In Neukölln liegen dem Bezirkswahlleiter Kristian Schiemann nach eigener Aussage bislang keine Erkenntnisse dazu vor. Der Leiter des Bezirkswahlamts Pankow, Marc Albrecht, sagte dem rbb mit Bezug auf den anderen Jugendlichen: Wenn es so passiert sein sollte, sei es ein Versäumnis, das nicht hätte passieren dürfen. Das entsprechende Ergebnis in dem Bereich sei aber nicht eng.

Eine mögliche Erklärung für den Vorgang: Im Wahllokal können auch Jugendliche zunächst alle Stimmzettel erhalten. An der Urne muss der Wahlvorstand dann aber prüfen, dass sie nur den Zettel für den Urnengang einwerfen, bei dem sie stimmberechtigt sind. Jugendliche über 16 dürfen zwar die Bezirksverordnetenversammlung mitwählen, nicht aber den Bundestag und das Berliner Abgeordnetenhaus. Auch beim Volksentscheid sind nur Berlinerinnen und Berliner ab 18 Jahren stimmberechtigt.

Wahl-Portal warnte vor Manipulationsmöglichkeiten

Bereits am Wochenende hatte das Portal "wahlrecht.de" auf Twitter angegeben, die Berliner Landeswahlleitung mehr als eine Woche vor der Wahl auf eine "gravierende Manipulationsmöglichkeit" hingewiesen zu haben. Demnach konnten Personen im Alter von 16 und 17 Jahren sowie EU-Ausländer mit einem Trick bei der Bundestagswahl und der Wahl zum Abgeordnetenhaus abstimmen, obwohl sie nur zur BVV-Wahl berechtigt waren.

Dabei konnten Menschen, die zu allen Wahlen berechtigt waren, Briefwahlunterlagen anfordern, die Stimmzettel für die Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl dann an Unberechtigte weitergeben, und am Wahltag im Wahllokal neue Stimmzettel erhalten. Ein EU-Bürger oder Minderjähriger, der eigentlich nur für die BVV-Wahl berechtigt war, konnte die zusätzlichen Stimmzettel anonymisiert mit seinen Briefwahlunterlagen einreichen.

Die Manipulation konnte nicht nachgewiesen werden, weil die Briefwahlunterlagen in Berlin nur einen Umschlag für alle Stimmzettel enthielten. Dieses Vorgehen weicht von der Praxis in anderen Bundesländern ab. Laut "wahlrecht.de" hatte die mittlerweile zurückgetretene Landeswahlleiterin Petra Michaelis kurz vor den Abstimmungen die Regeln für die Auszählungen geändert, um die beschriebene Manipulationsmöglichkeit auszuschließen. Ob das gelungen ist, ist unklar.

Zudem war Berlin laut "wahlrecht.de" beim Umgang mit leeren Stimmzettelumschlägen von der Bundeswahlordnung abgewichen: Diese sollten, entgegen der Vorgaben, nicht als ungültige Stimmen gewertet werden.

Vorkommnisse am Wahltag

Externe Fachleute sollen Wahlpannen in Berlin untersuchen

Der Wahlsonntag in Berlin war von einer ungewöhnlichen Zahl von Pannen überschattet. Das genaue Ausmaß ist immer noch unklar. Der Senat will nun externe Fachleute für die Untersuchung einsetzen - und muss erst einmal Berichte aus den Bezirken abwarten.

Berliner Senat will über Probleme am Wahlsonntag beraten

Am Wahlsonntag hatte es in Berlin eine Reihe von Pannen gegeben. Vor manchen der 2.257 Wahllokale in den 78 Wahlkreisen mussten Wähler sehr lange anstehen. Stimmzettel fehlten zwischenzeitlich und mussten durch Boten gebracht werden. Auch das führte zu Verzögerungen. Zum Teil konnten daher Stimmen erst nach 18 Uhr abgegeben werden. An einigen Stellen erhielten Wähler falsche Stimmzettel aus anderen Bezirken oder Wahlkreisen, die später als ungültig gewertet wurden. Auch die Auszählung lief nicht überall glatt, wie Wahlhelfer rbb|24 berichteten. Bis Mitte der Woche lagen aus mehreren Wahllokalen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf noch keine Ergebnisse vor, im Internet wurden geschätzte Zahlen veröffentlicht.

Der Berliner Senat kündigte am Dienstag an, bei der Aufarbeitung der Organisationsprobleme und Pannen externe Fachleute hinzuzuziehen. Noch ist das genaue Ausmaß der Pannen unklar sowie die Frage, ob sie Auswirkungen auf die Mandatsvergabe hatten.

Sendung: Inforadio, 04.10.2021, 23 Uhr

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