Alba empfängt den FC Bayern - Schwerelos

Fr 03.11.17 | 19:02 Uhr | Von Sebastian Schneider, rbb|24
Basketball Berlin 01.11.2017 Eurocup Saison 2017 / 2018 Hauptrunde 4. Spieltag Alba Berlin - Lietuvos Rytas Vilnius Niels Giffey (Alba Berlin, No.05) Loukas Mavrokefalidis (Vilnius, No.12) Martynas Echodas (Vilnius, No.14) (Quelle: imago / Tilo Wiedensohler).
Bild: imago sportfotodienst

Erster gegen Zweiter, Lehrer gegen Schüler - wenn Alba Berlin die Halle am Sonntag für die Bayern aufsperrt, geht es wie immer um mehr als ein ganz normales Basketballspiel. Wer es gewinnt, ist so ungewiss wie lange nicht. Von Sebastian Schneider

Als Sasa den Señor kennenlernte, dachte er eigentlich, dass er Basketball verstanden hätte. Anfang 30 war er damals, ein eleganter, kaltblütiger Point Guard, längst einer der besten Europas. In seinem Heimatland Serbien verehren sie ihn als Volksheld, man kann ihn in Belgrad als Wachsfigur bewundern.

Dann wechselte Aleksandar "Sasa" Djordjevic aus der NBA zum FC Barcelona. Und ein schmaler, freundlicher Herr mit einer Pfeife um den Hals zeigte ihm Dimensionen des Spiels, die er vorher nicht gekannt hatte. "Ich habe damals viel von ihm gelernt", sagt Djordjevic heute über Señor Aíto García Reneses. "Ich bewundere ihn für das, was er getan hat und für das, was er noch tut." Soviel Respekt ist selten in diesem Geschäft.

Ungefähr 14.000 Zuschauer erwartet

Am Sonntag wird der inzwischen 50 Jahre alte Schüler wieder auf seinen Lehrer treffen, nicht mehr in Shorts, sondern im Maßanzug. Djordjevic trainiert die Bayern, Aíto trainiert Alba Berlin. Um 15 Uhr wird der Schiri den Ball in die Luft werfen, voraussichtlich 14.000 Menschen machen dann in der Arena in Friedrichshain Radau. Gelb sieht Rot, es geht um den ersten Platz. "Ich denke, sie öffnen die oberen Ränge. Wir sind wirklich aufgeregt, aber wir können uns davon nicht zu sehr beeindrucken lassen. Es ist nur eine weitere Partie - aber Du unterschreibst, um Spiele wie dieses zu spielen" sagte Berlins stabilster Typ Luke Sikma dem rbb.

Beide haben je erst eine Partie verloren

Beide Teams haben in dieser Bundesliga-Saison erst ein Mal verloren. Das Prädikatsensemble der Münchner hält bis jetzt, was es verspricht. Ihr Ziel ist in diesem Jahr mal wieder die Meisterschaft, sonst wird Uli Hoeneß sauer. Und wenn man für den FC Bayern arbeitet, möchte man nicht, dass Uli Hoeneß sauer wird.

Dass nun aber die komplett auf links gedrehten Berliner die Tabelle anführen, hätten die wenigsten erwartet - ausgenommen Sasa Djordjevic: "Ihre Entwicklung überrascht mich nicht, denn sie haben gute Spieler geholt, an erster Stelle Sikma. Dazu ist Siva jetzt wieder der richtige Siva, er dominiert ihr Spiel", kommentierte der Trainer die Sachlage. Er weiß, was sein ehemaliger Lehrmeister aus Basketballern herausholen kann.

Karaoke in der Bar

Das war zuletzt am Mittwoch gegen Vilnius zu beobachten. Zur Halbzeit lag Alba zurück. Der 70 Jahre alte Coach kritzelte auf sein Taktikbrett, sprach leise, blickte recht sparsam in die Runde. "Er redet nicht viel, kommuniziert aber viel. Das ist der Schlüssel", sagte Djordjevic und der muss es ja wissen. In der zweiten Hälfte drehten die unerfahreneren Berliner das Spiel und das lag vor allem an Peyton Siva. Der lange verletzte Irrwisch brach den Widerstand der Litauer nach dem Prinzip viel hilft viel: Siva raste zu 26 Punkten, darunter die wichtigsten, gab neun Vorlagen - es waren seine bislang besten Werte im Trikot der Berliner.

Aíto versuche, seine Spieler in Situationen zu bringen, in denen diese sich wohlfühlten, erzählte Albas Co-Trainer Thomas Päch diese Woche. Sie dürfen improvisieren, in einem gewissen Rahmen, auch wenn das Fehler bedeuten kann - gegen Ende der Saison, wenn es drauf ankommt, trauen sie sich mehr zu. Soweit der Plan. Der Chef weiß zum Beispiel, dass sein Point Guard ständig in Bewegung sein muss, um seine Stärken freizulegen. Würde er ihn in einem System an die Kette legen, wäre Peyton Siva die Hälfte wert. Der Preis am Mittwoch: fünf Ballverluste. Der Lohn für den Sieg: Karaoke-Session in einer Bar.

Vier Vize-Europameister

Sasa Djordjevics Stil ist anders, er fußt auf genauen Vorgaben, Geduld und Disziplin. Damit hat er auch an der Isar Erfolg. "Sie sind ein starker und vom serbischen Basketball geprägter Gegner. Serbische Basketballer spielen sehr clever", ließ sich Aíto García Reneses am Freitag zitieren. Und an denen mangelts bei Bayern nicht: Djordjevic trainiert nebenbei die Nationalmannschaft, nach der EM im Sommer begrüßte er seine Spieler Milan Macvan und Stefan Jovic in München. Vladimir Lucic war schon vorher da, nun hat er sich den Fuß gebrochen. Aber die Mannschaft ist in diesem Jahr so gut, dass sie selbst einen so talentierten Springinsfeld ersetzen kann. Reggie Redding und Nihad Djedovic braucht man in Berlin sowieso keinem mehr vorzustellen.

Was besonders auffällt: Bayerns Verteidigung ist wesentlich ekliger geworden. Auch das letzte Eurocup-Spiel in Podgorica gewannen die Münchner nicht so sehr, weil sie vorne toll treffen können, sondern weil sie druckvoll abriegeln, den Ball klauen - und notfalls auch mal Schellen verteilen. Es wird interessant zu sehen sein, wie sich Albas Zupacker Luke Sikma und Dennis Clifford am Sonntag dagegen wehren werden. An Halloween zumindest begegnete man Clifford schon mal als "Undertaker" - ein Wrestler, der so tat, als würde er seine Gegner unter die Erde bringen.

"Wir können nicht immer gewinnen"

Im vergangenen Jahr ließen die Münchner Alba gekonnt an sich abperlen. Nur ein einziges Spiel gewannen die leblosen Berliner gegen ihren Herzensgegner - mehr war auch nicht drin. "Aber jetzt ist das eine völlig andere Situation. Jetzt ist bei uns ein ganz anderes Selbstbewusstsein da", betonte Berlins Kapitän Niels Giffey. "Dieses Mal begegnen wir uns auf Augenhöhe."

Die Fans in der Arena werden klatschen, brüllen, den Fight einfach genießen können - denn ob Alba am Sonntag die Tabellenführung behauptet oder drangeben muss, entscheidet in Wahrheit ja exakt gar nichts. Gegen Vilnius hätten seine Spieler zuerst Angst gehabt, dass sie ihre Würfe nicht treffen, hat der nachdenklich wirkende Aíto García Reneses am Mittwoch gesagt. "Aber wir können ja gar nicht jedes Spiel gewinnen." Er vertraut darauf, dass seine Mannschaft das anders sieht.

Beitrag von Sebastian Schneider, rbb|24

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren