Interview | Rocco Teichmann von Viktoria Berlin - "Der Gesellschafter hat sicherlich nicht gejubelt, als wir abgestiegen sind"

Mo 23.05.22 | 14:59 Uhr
Rocco Teichmann während eines Spiels von Viktoria Berlin. Quelle: imago images/Contrast
Bild: imago images/Contrast

Nach dem Abstieg aus der 3. Liga ist die Saison für Viktoria Berlin mit dem Gewinn des Landespokals noch versöhnlich geendet. Wie man sich jetzt neu aufstellen wird, um wieder neu anzugreifen, erklärt der sportliche Leiter Rocco Teichmann im Interview.

rbb|24: Herr Teichmann, hinter Ihnen und Ihrem Verein Viktoria Berlin liegt eine lange Saison - mit dem Abstieg aus der Dritten Liga, aber auch dem Landespokal-Sieg am letzten Wochenende. Wie blicken Sie auf die Spielzeit zurück?

Rocco Teichmann: Wir haben lange daraufhin gearbeitet, mit einem Verein aus Berlin in der dritten Liga und im Profi-Fußball zu spielen. Deshalb überwiegt insgesamt der Stolz auf das, was man erreicht hat. Das ganze Jahr war natürlich sehr herausfordernd, extrem anstrengend und am Ende natürlich auch enttäuschend. Wir hatten sportliche Grundvoraussetzungen, die eigentlich dazu hätten führen müssen, dass man die Klasse hält. Deshalb ist es insbesondere für mich persönlich ärgerlich, wenn man sich mit einem Abstieg auseinandersetzen muss. Andererseits hat es natürlich auch Gründe, wenn man nach 36 Spielen zu den vier schlechtesten Vereinen der Liga gehört. Umso schöner ist es, mit dem Landespokal jetzt noch einen großen Moment zu haben, der in der Vergangenheit verbunden mit der Qualifikation für den DFB-Pokal immer sehr wichtig war.

Das ist der Blick auf die erste Mannschaft. Wie sieht die Entwicklung des Gesamtvereins aus?

Mit der U19 und U17 haben wir uns jeweils sehr frühzeitig für die neue Bundesliga-Saison qualifiziert, mit der U19 hatten wir gar das beste Jahr der Vereinsgeschichte. Unsere Frauen-Mannschaft spielt wieder nah am Aufstieg zur 2. Bundesliga. Für den Gesamtverein kann man also am Ende doch wieder von einem erfolgreichen Jahr sprechen. Mit Blick auf die erste Mannschaft werden wir viel analysieren, um die Saison in die weitere Entwicklung des Klubs mit einfließen zu lassen.

Der Verein und die Mannschaft wurden die gesamte Saison über von zwei rbb-Autoren, Stephanie Baczyk und Uri Zahavi, begleitet und gefilmt. Aus dem Material ist ein 45-minütiger Film entstanden, der am Mittwoch um 22:15 Uhr im rbb Fernsehen laufen wird. Trotz des Abstiegs wird schnell deutlich, dass die Saison für Viktoria auch ein großes Abenteuer war. Was waren Ihre Highlights in den vergangenen Monaten?

Die Sommer-Vorbereitung, der Übergang in die Saison und der gute Start in die Spielzeit waren sicherlich besonders. Vielleicht waren wir zu Saison-Beginn sogar zu erfolgreich, um mit der Situation auch gut umgehen zu können. Wir sind auch gut in den Winter gekommen, mit einem geilen Spiel in Köln. Die Rückrunde hat uns dann wirklich Kräfte gekostet, nicht zuletzt wegen der externen Einflüsse. In dem Film sind ja wirklich viele der Probleme und Emotionen mit drin - Corona, sportlicher Erfolg, aber auch Misserfolg. Hätte man vorher ein Drehbuch schreiben wollen, hätte man es wahrscheinlich so getan - natürlich mit einem besseren Ausgang. Obwohl der Pokalerfolg natürlich nochmal ein besonderer und wichtiger Moment und ein Highlight für den Verein und seine Emotionalität war.

In dem Film sind ja wirklich viele der Probleme und Emotionen auch mit drin - Corona, sportlicher Erfolg, aber auch Misserfolg. Hätte man vorher ein Drehbuch schreiben wollen, hätte man es wahrscheinlich so getan - natürlich mit einem besseren Ausgang.

Rocco Teichmann, Sportlicher Leiter Viktoria Berlin

Nun steht bei Viktoria ein großer Umbruch an. Viele Spieler werden versuchen, bei anderen Vereinen in der dritten Liga unterzukommen. Wie sehen die Planungen für den Sommer aus?

Dabei schauen wir natürlich auch in die Vergangenheit und überlegen, was wir besser machen und welche Geschichte wir schreiben können. Wir fragen uns, wie wir Leute davon überzeugen können, uns zu unterstützen. Mit Hertha und Union hat Berlin bereits zwei nicht schlechte Profi-Vereine, die jeweils eine Marke sind. Wir müssen unsere Nische finden und haben schon immer unseren Jugend-Fußball im Vordergrund gesehen. In der dritten Liga war es sicherlich nicht so einfach den zu implantieren, auch wenn wir dort bereits U19-Spieler im Einsatz hatten. Wir spielen mit der U17 und U19 in der höchsten Spielklasse - ohne Leistungszentrum. Das ist, glaube ich, deutschlandweit einmalig. Wir müssen das Talent, die Leidenschaft und die Motivation, die wir in diesen Mannschaften haben, versuchen, in die erste Mannschaft zu bringen. Das heißt natürlich nicht, dass wir die gesamte U19 in die erste Mannschaft ziehen und damit Regionalliga spielen, aber wir müssen sukzessive noch mehr von den Jungs im ersten Team integrieren. Das wird der zukünftige Weg sein, der aber natürlich nicht neu ist.

Dank des Sieges im Landespokal und des damit verbundenen Einzugs in den DFB-Pokal stehen Ihnen zusätzliche 125.000 Euro zur Verfügung. Der Etat wird dennoch sinken. Mit wieviel Geld planen Sie?

Da gibt es noch keine konkrete Zahl, weil wir gucken müssen, wie die Gespräche laufen. Mit unserem Hauptgesellschafter, der ja nun bekannt ist (Zeljko Karajica, Anm. d. Red.), haben wir zuletzt viel gesprochen. Er hat sicherlich nicht gejubelt, als wir abgestiegen sind. Wirtschaftlich ist das für einen Gesellschafter natürlich eine Vollkatastrophe. Ich habe aber trotzdem nie ein Signal bekommen, dass er hinwerfen würde. Die Gespräche sind sehr produktiv und positiv. Der Weg ist sehr klar, auch wenn es immer mal wieder Abweichungen geben wird. Da steht er komplett hinter. Wir werden sicherlich wirtschaftliche Abstriche machen und uns hinterfragen müssen, aber mit jungen Leuten eine konkurrenzfähige Mannschaft auf dem Platz stehen haben, die wir auch finanzieren werden können.

Ist der direkte Wiederaufstieg das Ziel für die nächste Saison?

Wir wollen einfach gute Arbeit leisten. Wenn man das macht, wird man irgendwann auch gute Ergebnisse erzielen. Das Wichtigste wird aber zunächst sein, eine gewisse Stabilität aufzubauen. Ich bin aber natürlich Sportsmann durch und durch und möchte deshalb erfolgreich sein. Das Ziel muss es sein, das nächste Level zu erreichen. Dafür müssen wir aber gewisse Basics wie die Infrastruktur, die personelle Struktur und die Vermarktung voranbringen. Damit wir, wenn wir mal wieder in der dritten Liga sind, auch wieder konkurrenzfähig sind. Ob das in diesem, im nächsten oder in drei Jahren ist, können wir nur bedingt beeinflussen, weil ich andere Mannschaften - insbesondere in der nächsten Spielzeit - weiter vorne sehe.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jonas Bürgener.

Sendung: Himmelblaue Fußballträume, 25.05.22, 22:15 Uhr

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