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Video: rbb|24 | 23.10.2022 | Material: rbb24 Abendschau | Quelle: Robert Ackermann/rbb

Berliner Wirte boykottieren WM

Kein Fußball aus Katar

Ausbeutung von Arbeitsmigranten, Korruption, Menschenrechtsverletzungen – schwerwiegende Vorwürfe überschatten die Fußball-WM in Katar. Mehrere Berliner Fußballkneipen haben angekündigt, die Spiele nicht zu zeigen. Von Robert Ackermann

Wenn bei Lennart Kloehn – genannt Lenny – an einem Samstagnachmittag Bundesliga läuft, zapft er Biere im Sekundentakt. Auf zwei Leinwänden laufen Spiele. Beinahe alle Tische sind besetzt. An der Wand: Trikots und Fanschals vom FC St. Pauli, vom Nottingham Forrest FC, von Celtic Glasgow.

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Seine Kneipe, das Fargo am Boxhagener Platz in Friedrichshain, ist eine typische Kiezkneipe. Hier treffen sich fußballverrückte Nachbarn aus dem ganzen Viertel. Willkommen sind Fans von allen Vereinen. Mehrmals pro Woche läuft Fußball. Nur bei der WM werden die Gäste in diesem Jahr darauf verzichten müssen. Lenny hat beschlossen, das Turnier in Katar zu boykottieren.

"Es ist ein Event, das uns aufgedrückt wird", so Lenny. "Eigentlich soll Fußball Spaß machen, aber diesmal kann ich einfach nicht guten Gewissens sagen: So, wir setzen uns jetzt hin und jubeln alle. Der Anlass stimmt einfach nicht."

Immer größerer Ärger wegen der WM-Vergabe

Menschenrechtsverletzungen, mangelnde Nachhaltigkeit, Korruption – Lenny verfolgt die Diskussionen um die WM schon seit der Vergabe. Sein Ärger wurde mit der Zeit immer größer: "Die FIFA hat sich immer noch weiter von den Menschen entfernt. Es geht nur noch um Geld. Also gar nicht mehr um den Fußball. Und jetzt ist für mich der Punkt gekommen, an dem ich nicht mehr mitmache", sagt er.

Zustimmung von Kneipen-Besuchern

Die meisten von Lennys Gästen an diesem Tag in der Kneipe finden seine Entscheidung richtig, sagen sie: "Ich finde es großartig, dass eine Bar, die dann wirklich kommerziell Verluste macht, Menschenrechte und gesellschaftliche Werte wichtiger findet", sagt beispielsweise Stefan, blonde Haare, Brille, Dortmund-Trikot unter dem Kapuzenpulli. Andere wollen nicht ganz auf das Fußball-Event verzichten: "Ich verstehe es total, dass man hier in der Bar die WM nicht zeigt, einzelne Spiele werde ich mir aber vermutlich zu Hause anschauen", sagt Peter, der mit Stefan an einem Tisch sitzt.

Die Vorfreude hält sich in Grenzen

So richtig auf die WM zu freuen scheinen sich dieses Mal wenige: Eine repräsentative Umfrage von Infratest-Dimap aus dem vergangenen Jahr hat ergeben, dass es zwei Drittel der Bundesbürger besser fänden, wenn die deutsche Nationalmannschaft gar nicht erst nach Katar fahren würde. Und Lenny ist mit seinem Boykott nicht der einzige Wirt.

Das Katapult-Magazin und die Initiative "Boycott Qatar" haben gesammelt und kommen deutschlandweit auf 53 Kneipen, die angekündigt haben, die WM diesmal nicht zu zeigen, davon sechs in Berlin. Eine kurze Stichprobe zeigt aber: Offenbar sind es noch viel mehr Wirte, die den Boykott unterstützen. Das "Oberbaum Eck" oder "Zum Franziskaner" in Kreuzberg tauchen in der Zählung beispielsweise nicht auf, obwohl auch sie keine WM-Spiele zeigen werden.

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Nicht alle wollen sich am Boykott beteiligen

Aber es gibt auch viele Sportbars, die auf die zusätzlichen Einnahmen durch die WM nicht verzichten wollen. Nicht jeder Gastronom ist politisch. Bei "Vogt's Bierexpress" am Mehringdamm oder im "Brinks" am Herrmannplatz sollen die Spiele laufen wie bei vorherigen WMs auch.

Andere Kneipen zeigen die Spiele, tun sich damit aber schwer: "Der Mensch in mir schreit 'Nein', aber der Gastronom sagt, 'Ich brauch das Geld'", sagt die Wirtin Mascha aus der "Bar 11" in der Wiener Straße. "Corona hat uns genug gegeißelt. Am Ende müssen wir uns das ausrechnen. Und es kann sich kein Gastronom leisten, auf die Einnahmen zu verzichten."

Mascha glaubt, dass nicht alle Kneipen den Boykott durchhalten werden, sagt sie. Der wirtschaftliche Druck sei einfach viel zu groß. Lenny, der Chef des "Fargo", will beim Boykott auf jeden Fall konsequent bleiben, wie er erzählt. Er plant Ausflüge mit seinen Gästen zu Amateurspielen und will Bands einladen oder Pub-Quizze veranstalten, um damit seine Kneipe auch ohne Public Viewing voll zu kriegen. Der Boykott könnte also für ihn funktionieren – mit den richtigen Ideen.

Sendung: rbbUm6, 23.10.2022, 18:00 Uhr

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Beitrag von Robert Ackermann

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