Sportförderung in der Landeshauptstadt - Behandelt Potsdam seine Vereine ungleich?
Kommunale Unternehmen retteten zuletzt den Volleyball-Bundesligist SC Potsdam vor der Insolvenz. Diese Hilfe hätte auch Turbine Potsdam vergangenen Sommer gut gebrauchen können. Wird in der Landeshauptstadt mit zweierlei Maß gemessen? Von Fabian Friedmann
"Für diese Saison haben wir es aus eigener Kraft hinbekommen", sagt Karsten Ritter-Lang. Vergangenen Sommer wäre eine solche Aussage des Präsidenten von Turbine Potsdam noch kühnes Wunschdenken gewesen. Damals hatte der Hauptsponsor des gerade in die 2. Liga abgerutschten Vereins die Unterstützung aufgekündigt. Das Ausscheiden des langjährigen Partners riss ein großes Loch in den Etat des sechsfachen Deutschen Meisters im Frauen-Fußball. Die Insolvenz drohte.
Lange habe man mit der Situation gehadert, erklärt Karsten Ritter-Lang, aber irgendwann habe man im Verein beschlossen, damit offensiv an die Öffentlichkeit zu gehen. Und dieser Mut zahlte sich aus. Kleinere Unternehmen aus der Region boten ihre Hilfe an, eine Crowdfunding-Kampagne wurde ins Leben gerufen, ein Wettanbieter konnte als Trikotsponsor gewonnen werden. Aus der lokalen Politik sei die damalige Resonanz auf den Hilferuf eher unterkühlt ausgefallen: "Da wurde mehr oder weniger gesagt: 'Das tut uns jetzt leid, wir wünschen euch aber viel Glück'", erinnert sich Ritter-Lang.
Finanzspritze städtischer Betriebe für den SC Potsdam
Ein Verein, der mit Hilfe städtischer Unternehmen zuletzt die drohende Zahlungsunfähigkeit abwenden konnte, ist der SC Potsdam. Die Mitteilungsverordnung des Potsdamer Sportdezernats skizzierte im Januar in der Stadtverordnetenversammlung das mögliche Risiko einer Pleite des Klubs. Fraktionsübergreifend wurde schnell und unbürokratisch ein Rettungsplan entworfen.
Am 25. Januar teilte der Verein mit, dass der Spielbetrieb seiner Volleyball-Bundesligamannschaft gesichert sei. Kommunale Sponsoren wie die Stadtwerke, die Stadtentsorgung, der stadteigene Unternehmensverbund ProPotsdam und der kommunale Immobilienservice (KIS) hätten die nötigen finanziellen Zusagen gegeben und ihre Zuwendungen um insgesamt 225.000 Euro erhöht.
Vorausgegangen war eine Betrugsaffäre, die den Verein in Geldnot gebracht und derentwegen er nur unter Auflagen eine Lizenz von der Volleyball-Bundesliga (VBL) erhalten hatte. Ohne die Erhöhung des Sponsorings der kommunalen Unternehmen hätte der Klub diese Auflagen wohl nicht erfüllen können und deshalb um einen Ligaausschluss bangen müssen. Die Finanzlücke hätte unter Umständen sogar zu einer kompletten Insolvenz des größten Vereins in Brandenburg führen können.
Stadtsportbund begrüßt die Rettung
Dass die Rettung des SCP alternativlos und äußerst wichtig gewesen sei, findet auch Anne Pichler. Die Geschäftsführerin des Stadtsportbundes, der Interessenvertretung der Vereine in der Landeshauptstadt, erklärt die Wichtigkeit des SC Potsdam für die Region: "Wir reden über einen Verein mit 5.300 Mitgliedern, darunter sind über 52 Prozent Kinder und Jugendliche." Der Breitensport des SCP sei eine wichtige Säule in der Stadt, zumal hier auch viel Integration und Inklusion betrieben werde. Pichler möchte nicht bewerten, wie es zur finanziellen Schieflage gekommen sei und wie die Hilfen zustande gekommen sind: "Für uns ist wichtig, dem Verein wurde geholfen."
Etwas differenzierter sieht es Karsten Ritter-Lang: "Es wäre wünschenswert, wenn alle Vereine das Gefühl haben, dass da eine Gleichbehandlung besteht." Der Turbine-Präsident sei sich der schwierigen Situation des SCP bewusst, "aber ich weiß nicht, ob es mit Geldgeschenken getan ist." Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, über zinslose Darlehen oder andere Konstrukte etwas zu machen. "Da gucken andere Vereine auch kritisch auf diese Situation, das sind nicht nur wir", meint Ritter-Lang, der letztlich aber auch froh ist, dass die städtischen Unternehmen sich engagieren. Sein Verein Turbine Potsdam profitiert auch von jenen kommunalen Sponsoren.
Transparenz gewährleistet
Fehlende Transparenz bei der Vergabe solcher Sport-Förderprogramme durch städtische Betriebe sieht Anne Pichler nicht – ganz im Gegenteil. Die Geschäftsführerin des Stadtsportbundes betont, dass die grundsätzlichen Rahmenbedingungen von allen großen Vereinen mitgetragen wurden. Über die Höhe der Summen entscheiden Kriterien wie Ligazugehörigkeit und ob der Verein zu einer Rand- oder Kernsportart zähle. Fast alle Vereine würden dadurch mehr oder weniger von den städtischen Unternehmen profitieren. Zur Debatte um die kurzfristig bereitgestellten Hilfen für den SCP sagt Pichler: "Da kann ich den Frust schon verstehen."
Ein weiteres Reizthema in Potsdam sei die Vergabe der Sportstätten, vor allem das Areal am Luftschiffhafen wecke Begehrlichkeiten. "Da stürzen sich alle drauf", meint Pichler. Ein Klub, der sich dort ansiedeln durfte, sind beispielsweise die Potsdam Royals. Der Deutsche Meister im American Football verfügt über kein eigenes Trainingsgelände und ist deshalb auf städtische Anlagen angewiesen. Vor dem Finale der Deutschen Meisterschaft im Oktober 2023 soll es eine fragwürdige Sportplatzfreigabe durch Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert gegeben haben. Die Causa beschäftigt nach Berichten der "Potsdamer Neuesten Nachrichten" mittlerweile sogar die Staatsanwaltschaft.
Schubert und die Rasenaffäre
Mike Schubert hatte laut eigener Aussage nach einer "Abwägungsentscheidung" darum gebeten, den Royals einen Rasenplatz der SG Bornim im Nord-Westen der Stadt fürs Training freizugeben – trotz großer Regenmengen und Sperrung der Fläche durch den Kommunalen Immobilienservice (KIS). Im Anschluss daran soll laut internen Mails, die den Potsdamer Neuen Nachrichten [Tagesspiegel] vorliegen, ein Schaden von rund 450.000 Euro entstanden sein. Schubert bestreitet die Vorwürfe. Die anstehenden Sanierungsarbeiten des Platzes seien laut eigner Aussage nötig gewesen, da dieser kein Entwässerungssystem besitze. Über die Kostenübernahme sollen die Stadtverordneten abstimmen.
Pikant: Bei der Staatsanwaltschaft Potsdam ist laut PNN mittlerweile eine gegen Schubert gestellte Strafanzeige von einer anonymen "Gruppe besorgter Mitarbeiter der Potsdamer Stadtverwaltung" eingegangen. Die Verfasser werfen dem Potsdamer Oberbürgermeister vor, sein Amt zum Vorteil seiner Beziehungen zu den Potsdam Royals missbraucht zu haben. Die Staatsanwaltschaft prüft nach eigenen Aussagen – wie bei allen Strafanzeigen üblich – momentan den Anfangsverdacht.
EWP lehnte Aufstockung ab
Hauptsponsor der Potsdam Royals ist im Übrigen der Versorger Energie und Wasser Potsdam (EWP) – gleichzeitig auch einer der Großsponsoren des SC Potsdam. Den Eindruck, dass manche Vereine ihre Kontakte in die Politik und zu städtischen Unternehmen etwas besser zu nutzen vermögen, teilt auch Turbines Präsident Karsten Ritter-Lang: "Es scheint schon so zu sein, dass der Grad der Vernetzung sehr unterschiedlich ist."
Die EWP hatte sich im Januar allerdings gegen eine Aufstockung der Sponsorengelder für den SC Potsdam entschieden. Hintergrund: Der Versorger ist kein rein städtisches Unternehmen, sondern gehört zum Teil dem Privatunternehmen Edis – hier soll es laut Märkischer Allgemeinen Zeitung [MAZ] Widerstand gegen das schnelle Absegnen des ungeplanten Zuschusses gegeben haben.
Rathaus verweist auf Unternehmen
Eine Interviewanfrage von rbb|24 zur Transparenz und Vergaberichtlinien im Sponsoring der städtischen Unternehmen lehnte die Pressestelle des Potsdamer Rathauses ab, weil kurzfristig kein Interviewpartner gefunden werden konnte, wie es hieß. Ein Fragenkatalog wurde zwar schriftlich beantwortet, aber jeweils mit dem Hinweis versehen, dass die städtischen Unternehmen völlig unabhängig die Entscheidungen zur Förderung und Sponsoring treffen würden.
Dass der Rettungsplan und die damit einhergehende Aufstockung der Sponsorengelder von mindestens drei kommunalen Partnern zugunsten des SC Potsdam eine Entscheidung gewesen ist, die von den politischen Mandatsgsträgern der Stadt mitgetragen wurde, und dass die Stadt mit der Übernahme von Kredittilgungen sogar direkt zur Deckung der Finanzlücke des Vereins eingesprungen ist, gehört aber auch zur Wahrheit dazu.
"Man sollte so fair sein zu erkennen, dass auch schon anderen Vereinen, die in Schwierigkeiten gesteckt haben, geholfen wurde", sagt Anne Pichler vom Stadtsportbund: "Wir finden es etwas traurig, dass man momentan das Gefühl hat, dass man gegenseitig aufgehetzt wird."
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.02.2024, 12:15 Uhr