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Video: Brandenburg Aktuell | 30.08.2019 | Andreas Rausch im Studio | Quelle: dpa/Patrick Pleul

Keine Fristverlängerung

Tagebau Jänschwalde muss Betrieb vorerst einstellen

In Jänschwalde darf ab Sonntag keine Kohle mehr abgebaggert werden, denn es fehlt die Umweltverträglichkeitsprüfung. Das Verwaltungsgericht Cottbus hat eine Fristverlängerung für die Prüfung abgelehnt. Die Leag bereitet sich auf zehn bis zwölf Wochen Stillstand vor.

Der Braunkohle-Tagebau Jänschwalde (Spree-Neiße) muss ab dem 1. September vorläufig seinen Betrieb einstellen. Das geht aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus vom Freitag hervor, wonach der Betreiber keine längere Frist für eine Umweltverträglichkeitsprüfung als Voraussetzung für den Weiterbetrieb bekommt.

Beschwerde der Leag möglich

Die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) habe keine Gründe vorgebracht, die eine Änderung der Ende Juni vom Gericht getroffenen Entscheidung rechtfertigen würden, so das Verwaltungsgericht. Die beantragte Verlängerung würde darauf hinauslaufen, dass der Jahresbetriebsplan für den Tagebau de facto vollständig unter Verstoß gegen zwingendes Recht vollzogen würde.

Unterstützung für diese Entscheidung hatte das Verwaltungsgericht von einer höheren Instanz bekommen: Erst am Donnerstag hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) bestätigt, dass ein Stopp des Tagebaus zum 1. September rechtmäßig wäre. Damit reagierte das OVG auf eine Beschwerde der Deutschen Umwelthilfe und der Grünen Liga, die im Juli einen sofortigen Stopp der Arbeiten im Tagebau Jänschwalde gefordert hatten.

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Umweltverträglichkeitsprüfung fehlt

Gericht bekräftigt möglichen Stopp von Tagebau Jänschwalde

   

Die Leag könne gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Beschwerde einreichen, erklärt Gerichtssprecher Gregor Nocon. "Allerdings bräuchte das Bergbauunternehmen, um die Verlängerung zu erreichen, eine positive Entscheidung - und eine solche hat es nicht", sagt Nocon mit Blick auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes.

Leag geht von zehn bis zwölf Wochen Stillstand aus

Die Leag teilte am Freitagmittag mit, dass ein zeitweiser Sicherheitsbetrieb des Tagebaues Jänschwalde vorbereitet werde. Zunächst richte man sich auf einen Stillstandszeitraum von "nicht mehr als zehn bis zwölf Wochen" ein. Damit müssten in jedem Fall die Arbeit der Abraumförderbrücke sowie die Kohleförderung unterbrochen werden. "Unabhängig vom dadurch eintretenden wirtschaftlichen Schaden ist eine solche Situation den Bergleuten aber nicht unbekannt", sagte Uwe Grosser, Bergbau-Vorstand der LEAG: "Von den geotechnischen und technologischen Voraussetzungen ist sie ungefähr vergleichbar mit einem planmäßigen Stillstand wie etwa bei einer großen Generalinstandsetzungsmaßnahme."

Die Versorgung des Kraftwerkes Jänschwalde wäre für einen kurzen Zeitraum weiterhin möglich, so Grosser weiter. Die Auswirkungen auf die Mitarbeiter im Tagebau Jänschwalde will die Leag demnach über Arbeitszeitkonten oder Umsetzungen an andere Standorte geringhalten. In dem Tagebau in Südbrandenburg arbeiten laut Betriebsrat etwa 700 Menschen.

Auch wenn in der Nacht zum 1. September die Kohlebagger und Abraumbagger ihre Tätigkeit einstellen werden, muss das Grundwasser aus Sicherheitsgründen weiter abgesenkt, also "gehoben" werden, erklärt Leag-Sprecher Thoralf Schirmer. "Wir müssen das Grubenwasser weiter heben, um Rutschungen und Beeinträchtigungen für Natur, Umwelt oder sogar umliegende Ortschaften zu vermeiden." Gleichzeitig sei das Grubenwasser wichtig, "gerade um Naturschutzgebiete mit zusätzlichem Wasser weiter zu versorgen.“

Umweltverbände sind mit Entscheidung zufrieden

Die Deutsche Umwelthilfe DUH und der Umweltverband Grüne Liga begrüßten in einer gemeinsamen Mitteilung die Gerichtsentscheidung. "Der Stopp der Braunkohleförderung schützt unmittelbar Pflanzen und Tiere in der Nähe des Tagebaus Jänschwalde", sagte der Bundesgeschäftsführer der DUH, Sascha Müller-Kraenner.

Rechtsanwalt Dirk Teßmer, der die Umweltverbände in den Verfahren vertritt, erklärt, dass es abzuwarten bleibe, wann die fehlende Verträglichkeitsstudie vorgelegt werde. "Dass festgestellt werden kann, dass der Tagebau mit der Erhaltung der Moore und Feuchtgebiete vereinbar ist, kann ich mir kaum vorstellen."

Kohlekumpel sind verunsichert

Kurz nachdem am Freitag die Entscheidung des Verwaltungsgericht bekannt wurde, reagierten Kohlekumpel am Tagebau Jänschwalde verunsichert. Einer erklärt dem rbb, es gehe ihm "beschissen. Ich meine: Was hier abgeht, ist nicht mehr feierlich. Man lässt uns eiskalt über die Klinge springen. Man kann nur hoffen, dass die Region mal ein bisschen aufsteht.“ Ein anderer hofft, "dass in Nochten Leute übernommen werden.“ Ein dritter ist frustriert, weil sich seiner Ansicht nach jedes Jahr etwas zu Ungunsten der Kumpel ändere. "Ich bin zum Beispiel vor einigen Jahren zurückgekommen, weil ich Deutschlandweit gearbeitet habe, habe hier wieder in der Region bei einem großen Arbeitgeber meinen Platz gefunden. Man will ja hier vor Ort bleiben… geht nicht.“  

Wirtschaftsministerium bedauert Stopp - und hofft

Das Brandenburger Wirtschaftsministerium nimmt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts "mit Bedauern zur Kenntnis",  auch, wenn sie nicht ganz überraschend gekommen sei. "Wir haben aber sehr, dass nach der nun gegebenen Zeit von zehn bis zwölf Wochen die notwendigen Untersuchungen und Antragsunterlagen beigebracht werden können – und der Tagebau dann auch weitergeht", sagt Ministeriumssprecherin Andrea Beyerlein.

Umweltverbände befürchten Umweltschäden

Hintergrund des Streits ist eine Klage der Deutschen Umwelthilfe und der Grünen Liga gegen den Hauptbetriebsplan für den Tagebau. Sie haben beanstandet, dass für den Plan, der ab Sonntag gilt, keine ausreichende Umweltverträglichkeitsprüfung vorliegt. Daraufhin hatte Gericht die Frist bis Ende August eingeräumt.

Sowohl die Leag als auch das Landesbergamt in Cottbus hatten erklärt, dass die Zeit, die das Gericht vorgeben hatte, nicht für eine Prüfung bis Monatsende reiche. Die Leag hatte eine Fristverlängerung bis Mitte oder Ende November beantragt. Die Deutsche Umwelthilfe, die gemeinsam mit dem Umweltverband Grüne Liga wegen der fehlenden Prüfung geklagt hatte, erklärte hingegen, der Tagebau Jänschwalde werde "im Grunde schon seit Anfang des Jahres ohne die notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung" betrieben.

Die Umweltorganisationen befürchten, dass Filterbrunnen im Bereich des Tagebaus besonders geschützte Gebiete wie Moore gefährden. Mit der Klage wollen sie eine weitere Ausbreitung des Tagebaus in Richtung Norden verhindern und die Landschaften in der Umgebung vor dem Austrocknen schützen.

Sendung: rbb24, 30.08.2019, 16 Uhr

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