Museum Utopie und Alltag in Eisenhüttenstadt - Wie der Reiselust im Sozialismus gefrönt wurde

Do 30.06.22 | 15:45 Uhr | Von Robert Schwaß
Die neue Ausstellung m Museum "Utopie und Alltag". (Foto: Robert Schwaß/rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 30.06.2022 | Robert Schwaß | Bild: Robert Schwaß/rbb

Reisen gehörte zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der DDR-Bürger - Polen und oder die ČSSR. Die neue Ausstellung in Eisenhüttenstadt thematisiert den Tourismus innerhalb der damals sozialistischen Staaten. Von Robert Schwaß

Schallplatten aus Polen, Konsumgüter aus der ČSSR, unzählige Postkarten, Reisekataloge, Fotoalben, Wander- und Campingausrüstungen zieren die Ausstellungsräume im Museum "Utopie und Alltag". Die neue Sonderausstellung "Grenzen der Freundschaft" zeugt von einer großen Reiselust der DDR-Bürger. Dabei waren Reisen ins Ausland für die Menschen der noch jungen Republik zunächst keine Selbstverständlichkeit. "In der Nachkriegszeit waren die finanziellen Möglichkeiten nicht da, zudem war das Misstrauen gegenüber den Deutschen in den Nachbarländern noch groß", weiß Kurator Axel Drieschner. Selbst Reisen in die sogenannten "Sozialistischen Bruderstaaten" waren meist nur mit staatlicher Genehmigung möglich. Das änderte sich 1972. Ein Abkommen zwischen der DDR, der damaligen Tschechoslowakei und der Volksrepublik Polen ermöglichten pass- und visafreie Reisen zwischen den drei Nachbarländern. Nach der Öffnung der Grenzen, sei "ein regelrechter Massentourismus entstanden", ergänzt Drieschner.

Urlaub zwischen Kennenlernen und Einkaufstourismus

Die Ausstellung möchte auch mit Klischees aufräumen. "Oft heißt es ja, die DDR-Bürger konnten nirgendwo hinreisen", sagt Co-Kurator Mark Keck-Szajbel. Der Viadrina-Historiker schrieb seine Dissertation über das Reiseabkommen. "Rund ein Drittel der DDR-Bürger war danach mindestens einmal im Jahr im Ausland", so Keck-Szajbel. Doch auch umgekehrt wurden die offenen Grenzen genutzt. So kamen Bürger aus der CSSR zum Urlaub gerne an die deutsche Ostseeküste, DDR-Bürger schwärmten dagegen vom Trampen in Polen und der liberaleren Kulturszene im Nachbarland. Gut dokumentiert ist auch der Einkaufstourismus. Was im eigenen Land nicht oder nur wenig vorhanden war, wurde aus dem Urlaub mitgebracht, teilweise auch geschmuggelt, erklärt Keck-Szajbel. Weil der Reiseverkehr zwischen den Ländern größer war, als angenommen wurden die Zollvorschriften in den Jahren nach Eintreten des Abkommens teilweise wieder verschärft. Mit Aufkommen der Solidarność-Bewegung in Polen Anfang der 80er wurde die Grenze wieder undurchlässiger.

Viadrina-Forschende sammeln Urlaubsgeschichten

Für die Ausstellung hat das Museum Utopie und Alltag mit der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) zusammengearbeitet. Studierende und Forschende sammelten Reiseberichte von DDR-Bürgern, welche in die Ausstellung mit eingeflossen sind. Museumsleiterin Florentine Nadolni hofft, dass Besucherinnen und Besucher noch weitere Geschichten mit den Ausstellern teilen. Ein offenes Regal sei für Leihgaben eingerichtet, um "eigene Souvenirs und Urlaubsutensilien von damals zu zeigen und bestenfalls auch noch eine Geschichte dazu zu erzählen", so Nadolni.

Zu sehen ist die Ausstellung "Grenzen der Freundschaft" noch bis Ende April kommenden Jahres.

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.06.2022, 15:10 Uhr

Beitrag von Robert Schwaß

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