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Audio: Antenne Brandenburg | 18.08.2022 | Tobias Hausdorf | Quelle: dpa/Marcin Bielecki

Fischsterben in der Oder

Lebende Fische und Flusskrebse in der Oder nachgewiesen

Es ist ein erstes Hoffnungszeichen nach der Katastrophe: In der Oder wurden wieder lebende Fische nachgewiesen. Die Suche nach Ursache für die Katastrophe wird derweil konkreter. Verantwortlich könnten giftige Algen aus einen Klärbecken in Polen sein.

Nach dem großen Fischsterben in der Oder gibt es wieder Anzeichen von Leben im Fluss: Bei einer ersten Probefischung bei Brieskow-Finkenheerd (Oder-Spree) haben Wissenschaftler des Potsdamer Instituts für Binnenfischerei am Freitag zahlreiche lebende Fische verschiedener Arten nachgewiesen, wie der Landesfischereiverband Brandenburg/Berlin mitteilte. Auch Flusskrebse und Muscheln seien wieder in der Oder unterwegs und wirkten gesund.

Der Landesanglerverband sprach von einer guten Nachricht, die Hoffnung mache. Die Schäden seien angesichts der Massen verendeter Fische aber sehr groß, sagte der Hauptgeschäftsführer des Landesanglerverbands, Andreas Koppetzki. "Die heutigen Ergebnisse sprechen dennoch für eine eher rasche Erholung dieses sensiblen Ökosystems", so Koppetzki.

Giftige Alge könnte in Klärbecken in Polen gewachsen sein

Die Ursache des Oder-Fischsterbens könnte einem polnischen Medienbericht zufolge in einem Klärbecken im polnischen Glogau liegen. Das Klärbecken gehöre dem polnischen Bergbauunternehmen KGHM, schreibt die in Breslau erscheinende "Gazeta Wyborcza".

Laut Martin Pusch vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei könnte die Alge, die für das Fischsterben in der Oder verantwortlich sein soll, in diesem Klärbecken gewachsen sein, weil dort salziges Wasser über lange Zeit stillsteht.

Unternehmen weist Vorwürfe zurück

Wie die Zeitung weiter schreibt, soll das Unternehmen KGHM zwischen dem 29. Juli und dem 10. August salziges Wasser aus dem Klärbecken in die Oder geleitet haben. Dabei könnte die für Fische und Muscheln tödliche Alge in den Fluss gelangt sein.

Das staatliche Bergbau-Unternehmen hat nach Angaben des oppositionellen Parlamentsabgeordneten Piotr Borys (Bürgerkoalition) die entsprechende Genehmigung der Wasserbehörde und leitet regelmäßig salzhaltiges Abwasser aus dem Klärbecken in die Oder ein. Das Klärbecken "Zalazny Most" ist etwa so groß wie der Berliner Müggelsee und liegt zehn Kilometer südlich von der polnischen Stadt Glogau.

Inzwischen hat KGHM die Vorwürfe zurückgewiesen. In einer Presseerklärung sprach das Unternehmen am Freitag von "falschen Informationen". Die Einleitung von Wasser in die Oder finde in der Nähe von Guoguw Głogów statt. KGHM teste das Wasser davor und danach. Die Kontamination der Oder sei aber mehr als 100 Kilometer flussaufwärts bei Owawa Oława festgestellt worden. Im Juli und August sei vor dem Einleitungsort des Unternehmens bereits ein erhöhter aber zulässiger Salzgehalt festgestellt worden, teilte das Unternehmen mit.

Umweltkatastrophe in Brandenburg

Das Fischsterben in der Oder: Was bisher bekannt ist - und was nicht

In der Oder sind tausende Fische verendet. Die Umweltschäden sind massiv, die Folgen nicht absehbar. Wasserproben haben einen ungewöhnlich hohen Salzgehalt ergeben. Doch das ist wohl nicht die einzige Ursache.

Alge wächst in Gewässern mit hohem Salzgehalt

Ein weiterer Experte sah am Donnerstag die massive Vermehrung bestimmter Algen als entscheidenden Faktor. "Für mich stellt sich das relativ plausibel so dar, dass es zu dieser massiven Vermehrung von Algen gekommen ist – und im Zusammenhang ist die Abgabe von toxischen, von diesen Algen produzierten Substanzen gut dokumentiert", sagte Jörg Oehlmann, Leiter der Abteilung Aquatische Ökotoxikologie an der Goethe-Universität Frankfurt.

"Von diesen Toxinen wissen wir auch, dass sie schon bei recht niedrigen Konzentrationen derartiges Fischsterben verursachen können." Ob dies letztlich Blaualgen seien oder etwa die zuletzt in der Oder identifizierte giftige Algenart Prymnesium parvum, bleibe aber erst noch zu klären, so Oehlmann.

Diese Algenart komme eigentlich ausschließlich im Brackwasser vor. Sie benötigt erhöhte Salzgehalte, die es auf der betroffenen Oderstrecke normalerweise nicht gibt. An der offiziellen Messstation des Landesamts für Umwelt in Frankfurt an der Oder wurden aber rund zwei Wochen lang massiv erhöhte, unnatürliche Salzfrachten gemessen, die laut dem Forscher ihren Ursprung stromaufwärts haben müssen.

Öko-Katastrophe an und in der Oder

Ministerium meldet keine auffälligen Metallwerte - Algentheorie macht die Runde

Was das massive Fischsterben in der Oder verursacht hat, ist noch nicht klar. Erste Resultate aus Brandenburg lassen nicht auf eine Quecksilber-Vergiftung schließen. Derweil bringen Forscher eine giftige Algenart als Ursache ins Gespräch.

Suche nach Substanz kann Wochen dauern

Das Phänomen des massenhaften Algenwachstums ist Oehlmann zufolge entweder auf die hohen Temperaturen und die starke Sonneneinstrahlung oder die menschengemachte Einführung bestimmter Substanzen zurückzuführen.

Die Ursachenforschung zu der Katastrophe durch Analyse der Stoffe in der Oder sei laut Oehlmann nun eine wahre Sisyphusarbeit, da in einer Wasserprobe potenziell etwa 350.000 Substanzen vorhanden sein könnten - und auch eine ausführliche Diagnostik nie alle abdecke. "Es kann Wochen dauern, bis man die dahintersteckende Substanz auch wirklich identifiziert hat und beim Namen nennen kann", sagte Oehlmann.

Das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) untersucht weiterhin Wasserproben verschiedener Tage und Messpunkte sowie Fische. Nach Angaben des Brandenburger Umweltministeriums gestaltet sich die Suche nach der Ursache für das Fischsterben auch schwierig, weil Informationen von polnischer Seite fehlen, etwa zu eventuellen Einleitungen oder konkreten Anlässen für die Umweltkatastrophe.

Bundesumweltministerin kündigt Hilfen für die vom Fischsterben betroffenen Betriebe an

Bei einer aktuellen Untersuchung der Proben aus dem automatischen Wassergütemessnetz vom 7. bis 9. August wurde ein Pestizid mit dem Wirkstoff 2,4-Dinitrophenylhydrazin gefunden, teilte das Brandenburger Umweltministerium am Freitag mit. Am 8. August überstiegen die Werte die erlaubte Höchstgrenze um das Neunfache. Ein Tag danach hatten sich die Werte wieder halbiert. Es sei davon auszugehen, dass die nachgewiesene Dosis keine tödliche für Fische unmittelbar sei. Es werde noch untersucht, in welchem Zusammenhang das Pestizid mit den gefundenen Algen steht.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte Hilfen für die vom Fischsterben in der Oder betroffenen Betriebe an. Zudem werde der Bund das Land Brandenburg "bei den laufenden Analysen zur Schadensursache" unterstützen, sagte sie dem Magazin "Der Spiegel". Von der Bundesanstalt für Gewässerkunde seien bis Ende August Ergebnisse zu erwarten.

Satellitenbilder könnten bei Aufklärung helfen

Nach Aussage von Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) könnten Satellitenaufnahmen bei der Erklärung des Fischsterbens helfen. Sie könnten möglicherweise einen Eintrag in die Oder zeigen, sagte Backhaus am Freitag in Ueckermünde. Man wolle deshalb mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Neustrelitz zusammenarbeiten.

Backhaus zeigte sich überzeugt, dass es zu einer Einleitung in den Fluss gekommen sei. "Meine Theorie lautet, es muss irgendwo zwischen Anfang Juli und Mitte Juli zu einem Eintrag gekommen sein." Das könne eventuell auch etwas später passiert sein. Es habe ohne erheblichen Niederschlag ein deutliches Ansteigen der Oder um 30 Zentimeter und einen starken Anstieg des Salzgehaltes gegeben. "Da muss irgendwas passiert sein, und das muss aufgeklärt werden."

Erste Ergebnisse aus Polen

Inzwischen wurden auch erste Laborergebnisse aus Polen gemeldet: Umweltministerin Anna Moskwa von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gab am Donnerstagabend bekannt, dass in Wasserproben toxische Algen entdeckt worden seien. Es handele sich um sogenannte Goldalgen, die für Fische und Muscheln tödlich seien. Es handele sich um die Art Prymnesium parvum, sagte Agnieszka Napiorkowska-Krebietke vom zuständigen Institut für Binnenfischerei in Olsztyn am Freitag.

Ermittler überprüfen derzeit auch Industriebetriebe, die in der Nähe des Flusses liegen. In den Tagen nach den ersten Hinweisen auf das Fischsterben wurde in sozialen Medien in Polen eine Papierfabrik im niederschlesischen Olawa südlich von Breslau beschuldigt. Das Unternehmen dementiert. Das Werk habe "weder etwas mit der Umweltkatastrophe an der Oder zu tun noch in irgendeiner Weise dazu beigetragen", hieß es in einer Erklärung vergangene Woche.

Die polnische Polizei hat derweil eine Belohnung von umgerechnet 210.000 Euro für Hinweise auf den Täter ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft hat bislang mehr als 200 Zeugen gehört und zwölf Ortstermine an der Oder absolviert - eine heiße Spur war bislang nicht dabei.

Sendung: Antenne Brandenburg, 18.08.2022, 16:12 Uhr

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