Tiny Houses in Berlin - Wohnen auf 6,4 Quadratmetern
Wohnmobil war gestern, heute bieten die Tiny Houses Wohnen to go. Die Visionäre der Mini-Häuser wollen aber mehr: den Wohnraummangel in Großstädten lösen. Aber wie lebt es sich auf allerkleinstem Raum? Von Sylvia Tiegs
Freunde des kleinen Wohnens pilgern seit einem Dreivierteljahr nach Berlin-Tiergarten - auf das Gelände am Bauhaus-Archiv. Denn ein halbes Dutzend Tiny Houses steht hier: kleine Holzhäuschen, nicht größer als höchstens zehn Quadratmeter, auf Anhängern. Manche sind naturfarben, andere bunt angestrichen. Von außen sind sie eine Mischung aus schickem Bauwagen und nordische Blockhütte, von innen Wohnungen im Mini-Format.
Van Bo Le-Mentzel hat die Tiny-House-Schau ins Leben gerufen. Der Berliner Architekt mit Wurzeln in Laos kann sich seitdem vor Anfragen kaum retten. In einem der Tiny Houses wartet er auf den nächsten Interessenten. Ein Gasofen wärmt das Mini-Haus schnell auf, rund um den Esstisch ist gut Platz für zwei Erwachsene. Die großen Fenster lassen viel Wintersonne ins Mini-Häuschen rein. "Tiny Häuser sind in der Regel bei fast allen Menschen unterschiedlicher Couleur und Schicht beliebt", sagt er.
Reduziert auf das Wesentliche
Ein Tiny House kann ein eigenes, kleines Reich auf Rädern sein, mit dem man jederzeit weiterfahren kann. Oder eine feste Mini-Wohnung auf Zeit - als günstige Alternative zum Immobilienwahnsinn. Oder: eine ganz andere Art zu leben, reduziert auf das Wesentliche.
"Du brauchst unbedingt so eine gewisse Kultur, dass Du zum Beispiel Deine Jacke und Deinen Rucksack nicht auf die Stühle legst, weil damit wäre schon ein Viertel aller Sitzmöglichkeiten belegt", sagt Le-Mentzel. Außerdem lerne man, Wasser nicht zu verschwenden, denn man habe nur rund zehn Liter am Tag. "Du wirst anders kochen, anders abwaschen, anders duschen."
Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Land
Auch für große Mengen an Besitz ist im Tiny House kein Platz. Inzwischen ist Michael Gehrig dazugekommen - einen Laptop unterm Arm und große Pläne im Kopf. Die will Gehrig mit Le-Mentzel besprechen, denn er plant im brandenburgischen Großbeeren ein Natur- und Gesundheitszentrum mit Übernachtungsmöglichkeiten.
"Tiny Houses sind für uns interessant, weil Blockhütten sehr mit Aufwand verbunden sind, auch hinsichtlich der Baugenehmigung", erklärt Gehrig. "Eine kleine Blockhütte von vielleicht 50 Quadratmetern, sagte mir ein Bauanbieter in Berlin, kostet um die 100.000 Euro." Die kleinen Tiny Houses lägen dagegen zwischen 10.000 und 40.000 Euro.
"Der Tesla unter den Tiny Houses"
Le-Mentzel verkauft selbst keine Tiny Houses, dafür müsste Gehrig sich Baufirmen suchen. Aber der Architekt Le-Mentzel unterstützt das Konzept der kleinen Häuser - diese Art zu bauen und zu leben.
Er führt Gehrig auf das Ausstellungsgelände, das Le-Mentzel den "Campus" nennt. Jeder, der mag, soll hier an Tiny Houses mitbauen und mitdenken können - oder sie einfach nur angucken. Zum Beispiel das erste italienische Winzighaus. Hier steht es: mit Einbaubett und -schränken in edlem Design, ultramoderner Toilette und Dusche - todschicke neun Quadratmeter. "Der Tesla unter den Tiny Houses", meint Le-Mentzel lachend. Das Kontrastprogramm dazu steht gleich gegenüber: das TINY 100, ein günstiges Winzighaus, entworfen von Le-Mentzel selbst. Hier wohnt der Flaschensammler Heiko auf 6,4 Quadratmetern. "Den haben wir jetzt von der Straße geholt", sagt Le-Mentzel. "Wir wollen bezahlbare Wohnungen in der Stadt schaffen, und ich bin der Meinung, es muss eine Wohnung geben, die 100 Euro im Monat kostet."
Ein Haus für Weltenbummler
Tiny Houses als soziale Wohnidee - Le-Mentzel glaubt, dass darin die Zukunft liegt in Großstädten wie Berlin: Wenn Wohnraum immer knapper und immer teurer wird, müssen mehr Leute kleiner wohnen. Erzwingen aber, sagt er, könne man das natürlich nicht. Wer viel und gerne zu Hause ist und dort Platz braucht, der werde nicht in einem Tiny House wohnen. "Für diejenigen, die aber sehr, sehr viel draußen in der Welt sind, für die ist ein Tiny House geeignet, denn sie haben wenig Lebenserhaltungskosten und es ist für die Umwelt gut und es ist einfach auch befreiend."