Vorbereitungen auf Gasmangellage - Wie sich Brandenburger Landkreise auf einen harten Winter einstellen

Sa 23.07.22 | 11:10 Uhr | Von Laura Kingston
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Archivbild: Schnee liegt auf der Hegelallee am 07.02.2021 (Quelle:dpa/Soeren Stache)
Audio: rbb24 Inforadio | 22.07.2022 | Philip Brost | Bild: dpa/Soeren Stache

Aus Russland fließt nach der Wartung der Pipeline Nordstream 1 wieder Gas - doch von Entwarnung kann keine Rede sein. Der Winter könnte hart werden, wissen auch die Brandenburger Landkreise - und stellen sich auf die Versorgung ihrer Bevölkerung ein. Von Laura Kingston

Über den Köpfen der Deutschen hängt gerade ein Damoklesschwert - mit einem sehr bürokratischen Namen: Gasmangellage. Also der Zustand, in dem es zu wenig Gas gibt, um die Industrie am Laufen und Häuser warm zu halten.

Bundesnetzagentur: "Es fehlen 60 Prozent"

Zwar fließt seit vergangenem Donnerstag wieder Gas durch die Pipeline Nordstream 1, aber laut dem Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, gibt es noch keine endgültige Entwarnung. In einem Interview mit Tagesschau.de sagte er: "Bei aller Erleichterung, die man vielleicht verspüren mag mit den 40 Prozent: Uns fehlen 60 Prozent, die in den Verträgen der Energieimporteure, in den Kalkulationen der Industrie, für die privaten Haushalte eigentlich vorgesehen waren"

Deswegen ist auch in Berlin und Brandenburg die Diskussion um mögliche Energie-Einsparungen, die während der Wartung der Gaspipeline entbrannte, immer noch aktuell. Wenn es ernst werden und eine sogenannte Gasmangellage eintreten sollte, fällt diese unter den Katastrophenschutz. Der ist Ländersache, wird aber von Kommunen bzw. Landkreisen umgesetzt. Wie gut sind die Landkreise Brandenburgs auf einen Ernstfall eingestellt?

Energiesparmaßnahmen

Von Energiespaßnahmen sprechen auf Anfrage des rbb fast alle der 14 Landkreise und kreisfreien Städte in Brandenburg - so auch die Bezirke in Berlin. Meist bezieht sich dieses Vorhaben auf Schulen, Verwaltungsgebäude, oder aber Schwimmbäder. Etwa in Potsdam, wo sowohl Schwimmbad- als auch Saunatemperaturen schon gesenkt wurden.

Eine Sprecherin der Stadt Brandenburg an der Havel verweist darauf, dass man aufpassen müsse, dass "Kita-Kinder oder andere Nutzer von Gebäuden frieren". Die Kreisverwaltung Oberhavel erwägt ausgeweitete Home-Office-Regelung und Energie in den Verwaltungsgebäuden zu sparen. Alle Maßnahmen seien "aber auch abhängig von der Coronalage im Herbst", so eine Sprecherin.

Maßnahmen für den Fall einer Gasmangellage

Auf die Eventualität einer Gasmangellage blicken die einzelnen Landkreise unterschiedlich - diskutiert wird sie nach rbb|24-Anfrage überall. Die Stadtverwaltung von Brandenburg an der Havel wolle einen Notfallplan erstellen, um ihre "Bürger zu schützen". Dazu berate sich die Verwaltungsleitung wöchentlich und ziehe andere Expert:innen hinzu.

Der Landkreis Teltow-Fläming etwa stellt sich auf mögliche Auswirkungen auf den Strommarkt ein. Man erweitere die Strom-Notfallreserve "für den Betrieb der systemrelevanten Bereiche der Kreisverwaltung von aktuell 24 Stunden auf 70 Stunden".

Daseinsvorsorge mit Wärmeräumen

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat vergangene Woche darauf hingewiesen, dass Kommunen sich in Form von offen zugänglichen Wärmeräumen auf einen Ernstfall vorbereiten sollten. Auf rbb|24-Anfrage sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg, Jens Graf: "Das ist gerade in ländlichen Gebieten in Brandenburg nicht vorstellbar. Wie sollen die Leute denn dahin kommen?"

Dennoch diskutieren einige Landkreise die Einrichtung solcher Wärmeräume: In Teltow-Fläming könnten diese zum Beispiel in Dorfgemeinschaftshäusern eingerichtet werden. Diese erwägt auch Ostprignitz-Ruppin, ebenso wie Turnhallen oder Schulen als Aufwärmpunkte. Und auch der Landkreis Havelland befinde sich gerade in der "Akquise und Überprüfung von kreiseigenen Objekten).

Der Landkreis Märkisch-Oderland hat nach eigener Aussage schon eine Liste mit Wärmeräumen im "nicht öffentlichen Gefahrenabwehrplan" des Kreises zusammengestellt. Diese sollen jeweils mit einem Notstromaggregat versorgt werden.

Die Kreisverwaltung Oberhavel hält diese Maßnahme für eine "Ultima Ratio", also die letzte Maßnahme, wenn gar nichts mehr gehe. Deswegen seien Wärmeräume hier noch nicht in der Diskussion.

Zugriff auf alternative Energiequellen

Auch der Landkreis Elbe-Elster befasst sich mit einem "Worst-Case-Szenario", wobei dort nicht alle Wohngebiete abhängig seien von Gas. Gerade laufe die Ermittlung, inwiefern öffentliche Einrichtungen mit anderen Energiequellen als Gas versorgt werden könnten.

Cottbus greift nach rbb|24-Informationen ebenso auf Gas-Alternativen zurück. Man arbeite dort langfristig "im Zuge der Entwicklung des Cottbuser Ostsees an einer Wärmepumpen-Lösung, mit deren Hilfe weite Teile der Stadt versorgt werden können." Zudem komme "ca. 50 Prozent der Fernwärme für Cottbus aus dem Kraftwerk Jänschwalde" und sei damit weitgehend Gas-unabhängig. Diese Lieferung sei langfristig vertraglich vereinbart.

Barnim: Die zentralen Fragen sind bislang [von Bund und Ländern] nicht beantwortet worden

Mehrere Brandenburger Landkreise bemängelten, dass es zu wenig Weisung von Seiten des Bundes und Landes gebe. So auch die Barnimer Verwaltung: "Um angemessen und zielgerichtet auf eine mögliche Bedrohungslage bundesweiten Ausmaßes reagieren zu können" seien "Führung und Steuerung auf Bundes- und Landesebene erforderlich: Wie ist die Lage? Was ist der konkrete Auftrag? Und wer führt? Die zentralen Fragen, die es für ein effizientes Krisenmanagement zu klären gilt, sind bislang nicht beantwortet worden."

Der Landkreis habe "bis heute keine offizielle Information über eine Gasmangellage".

Oder-Spree: "Katastrophenschutz kann flächendeckend keine Ausfälle kompensieren"

Die Kreisverwaltung des Landkreises Oder-Spree zeigt sich wenig optimistisch, sollte es zu einer Gasmangellage kommen: "Katastrophenschutz kann flächendeckend keine Ausfälle kompensieren", sagte ein Sprecher auf Anfrage von rbb|24. Der Landkreis bekomme derzeit eine verstärkte Anfrage von Institutionen und Einrichtungen, die in einer Mangelsituation auf Unterstützung vom Landkreis hoffen.

Diese angemeldeten Bedarfe zu gewichten, werde eine Aufgabe der kommenden Wochen sein, wobei nach Aussagen des Sprechers abzusehen sei, dass die Kreisverwaltung nicht alles abdecken könne.

Und auch die Kreisverwaltung Havelland gab an, dass die personelle und sächliche Ausstattung des Katastrophenschutzes [...]nicht dafür gewappnet" sei, die gesamte Bevölkerung des Landkreises Havelland in einer vergleichbaren Situation ohne spürbare Einschränkungen zu versorgen. Diese Krise könne "daher nur gesamtgesellschaftlich getragen und gemeinsam unter Mitwirkung der Bevölkerung bewältigt werden. Ein erster Schritt ist es, sehr kritisch die eigenen Energieverbräuche zu hinterfragen und auf das notwendige Maß zu reduzieren."

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.07.2022, 17:20 Uhr

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Beitrag von Laura Kingston

35 Kommentare

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  1. 35.

    Wenn Weihnachten nach ihrem Denken so aussehen so,lte, dann brauchen wir Sie auch nicht mehr Herr Santa Claus ;-))

  2. 34.

    Tag für Tag treibt die Politik eine neue "Sau" durchs Dorf. Dabei werde die Szenarien immer gruseliger. Das Embargo war von der Politik und der EU gewollt, angeblich mit breiter Zustimmung aus der Bevölkerung. Wir wollten bestimmen wann das Embargo beginnt, wann es uns am angenehmsten ist. Nun sagt uns Putin den Termin und plötzlich sind alle ganz aufgeregt, dass ei im Winter kalt werden könnte. Etwas mehr Weitsicht und Verstand hätte ich von der Politik schon erwartet.

  3. 33.

    Ha, Wärmehallen/-stuben. Wie war das da noch mal mit den angebl. sozialistischen ? Nun, Politik/Politiker scheinen offenbar eine niedrige Hemmschwelle zu haben. Aber ist doch schau: Werden eigerichtet-- und keiner geht hin! Ich habe als Studioso ein sog. Wetterhüttenprak-tikum absolvieren müssen. Abgesehen von den doch beachtlichen Anfahrtswegen (heutezutage:ÖPNV) war das sehr interessant & aufschlussreich & hat mir das Interesse beschert, s. zu derartigen Fragestellungen zu belesen. Man war/ist also schon eniges gewöhnt. Dass der Golfstrom "stottert" war schon länger bekannt, Verlust an Tropenwaldflächen, man schaue nur auf Brasilien, wo es nun besonders rasant zugeht, alles wirkt im Stillen. Möchte nicht wissen, was so ein Wissenschaftler so nebenbei denkt, über uns, die wir hier fröhlich witzeln: Zieht euch warm an, dieSommer werden heiß... sollte sich jeder mal zu Gemüte führen. Ich ziehe mich warm an u. bleibe zu Hause! Dafür kriegt Politik hohe Renten für Unsinn.

  4. 32.

    Der letzte gefühlte kalte Winter war 2013 soweit ich mich erinnere. So um 17 bis 18 Grad minus nachts. Und natürlich Schnee noch dazu. Trieb die Heizkosten ganz schön in die Höhe. Was solls, da muss man durch. Kann ja mal immer wieder kommen.

  5. 31.

    "Einfach mal unsere Aussenministerin fragen, wie das nochmal mit den "großen Speichern war,...."
    Steigerung möglich.
    Wir bohren jetzt an der Nordseeküste nach Strom. Dort soll es ganz viel Watt geben....

  6. 30.

    Weihnacht, das Fest der Freude, Liebe, aber vor Allem der Wirtschaft und Stromkonzerne.
    Hier laege enormes Einsparpotential, wenn zumindest die Aussenillumination in den Straßen verboten werde. Festbeleuchtung auf Balkonen, in Fenstern und Gärten sollte ebenfalls verzichtet werden. Unisono an den Christbaeumen im Wohnzimmer.
    Nach sechs Tassen Glühwein mit Schuss ueber Lagerfeuer ist das Fest und die Besinnung sowie vorbei.

  7. 29.

    >“ Die Einrichtung von Wärmeräumen ist der größte Blödsinn.“
    Aber wirklich! Praktisch ist besser, wenn jeder zu Hause mind. eine warme Stube hat. Ich denke diesen politischen Gedanken mal weiter in den dann Alltag… in unserem Wohnkomplex leben ca. 2000 Menschen. Wo bitte soll diese große Wärmestube inkl. den erforderlichen Hygieneräumen wie Toiletten für alle Geschlechter herkommen?
    Dieser Gedanke ist also absoluter Quatsch. Wärmestuben für Leute ohne Hütte gibts ja schon bei den carritativen Organisationen. Und: Der Katastrophenschutz in jedem Landkreis hat immer schon Möglichkeiten in der Schublade, einige Menschen gesammelt für paar Stunden unterzubringen. Aber doch nicht alle!

  8. 28.

    Prima! Machen wir uns doch bitte als nächstes vollständig abhängig vom Strom! Sehr weitsichtig ist auch das nicht, oder? Wird ja komplett "nachhaltig" erzeugt... Oder wie wär's mit vorbildlich umweltfreundlichem Fracking-Gas? Oder weiteren fossilen Energieträgern aus vorbildlichen Demokratien dieser Erde? Weniger Panikmache wäre vonnöten! Und mehr Ehrlichkeit. Wer steckt sich da bloß wo gerade dreist die Taschen voll auf unser aller Kosten??

  9. 27.

    Vorbeugen ist besser als heilen. Haben besser als brauchen. Grundregeln in der allgemeinen Grundversorgung.

  10. 26.

    Mein Gott, die 0,5 Watt LEDs sind nun wirklich keine Stromfresser. Verabschieden Sie sich lieber von Ihrem Gefrierfach.

  11. 25.

    Meinetwegen kann der Winter kommen. Ich hab in jedem Zimmer einen Ofen und Holz und Kohle hab ich auch reichlich.

  12. 24.

    Wie Recht Sie haben erst in Wärmestuben aufwärmen zu Hause frieren und Schimmel in der Wohnung und Häusern SUPER IDEE.

  13. 23.

    Wernero, weil schlechte "Horrormeldungen" sich am besten verkaufen und Umsatz, Klicks etc. bringen. Die Menschen sind eben so veranlagt, dass sie am liebsten negatives "lesen" wollen. Die Journalist*innen bedienen nur das Bedürfnis nach schlechten Nachrichten.

  14. 22.

    Nun ist ja die Gaslieferung "leider" wieder angelaufen und trotzdem wird mit der Berichterstattung so weitergemacht wie vorher. Was soll das? Wie wäre es mal mit etwas Selbstreflektion?

  15. 21.

    Ich frage mich jetzt was dieser Artikel bewirken soll Panik Mache das Problem ist doch Hausgemacht da EU UND BUNDESREGIERUNG von Russland kein Gas mehr beziehen wollen aus Gründen Ukraine. Wir haben doch genügend Braunkohle also diese einsetzen daß keiner im Winter frieren muß.

  16. 20.

    So schlimm kann es ja gar nicht sein, lt. Plusminus, konnte Deutschland zumindest noch bis Mai, massiv Strom aus Gaskraftwerken exportieren. Textausschnitt: "Fast jeden Tag gibt es Appelle zum Gas-Sparen und sich im Winter warm anzuziehen, schließlich droht ein Engpass. Aber das gilt offenbar nur für Normal-Verbraucher*innen, nicht für Kraftwerksbetreiber: "Derzeit laufen in Deutschland die Gaskraftwerke zur Stromerzeugung auf vollen Touren, Kohlekraftwerke dagegen stehen oftmals still, beobachten unabhängige Experten."

  17. 19.

    Klimawandel heißt nicht automatisch, dass die Winter wärmer werden, sondern, dass die extremen Wetterlagen zunehmen können. Das kann im Sommer, aber auch im Winter sein. Hier ist nicht nur die Politik gefragt, sondern vorrangig jeder Einzelne. Sich nur auf andere zu verlassen, funktioniert nicht. Wichtig ist, dass diejenigen dann Unterstützung erhalten, die diese dringend brauchen. Ich habe meine Wintersachen und dazu noch 1-2 Decken. Auf warmes Wasser könnte ich auch eine Weile verzichten.

  18. 18.

    Sie sind der Einzige, der das Bild vom bösen Russen malt. Im Beitrag finde ich keinen Hinweis über böse Russen. Haben Sie zu viel der russischen Fake Propaganda konsumiert und sind in den Wahn verfallen, der Russe wäre schlecht, weil er gegen Deutschland hetzt? Die Demokratie ist ein hohes Gut und wir können es uns hier leisten, ohne Hass und ohne Falschinformationen sachlich über Krieg, Hass und Hetze zu sprechen, wir haben die Freiheit, niemanden hassen zu müssen, wir hassen keine Menschen. Wir haben etwas gegen Gewalt, Unrecht, Hass und Hetze und Krieg und hier beginnt unsere Freiheit, wir gehen mit der Situation sachlich um, Sie aber polarisieren.

  19. 17.

    Qed, was die Schnittmenge zwischen Putin-Freund*innen und Klimawandel-Leugner*innen betrifft.
    (Bonus gibt's vorab natürlich für: "Ich habe den Klimawandel doch gar nicht geleugnet?! Natürlich gibt es Klimawandel. Gab es schon immer. Auch vor den Menschen. Außerdem war es früher auch schon heiß(TM) und die Erde dreht sich trotzdem noch. Komisch, oder?")

  20. 16.

    Ein beleuchtetes Privathaus schreckt Einbrecher ab. Kenne ich aus eigener Erfahrung. Außerdem mit unserer Solaranlage auf dem Dach und unserer neuen wärmepumpe kann ich leuchten und Heizen wie ich will. Wir sind zum Glück seit 2 Jahren von stromlieferungen, Gas, Heizöl nicht mehr abhängig. Ich rate jeden es nach und nach genauso zu machen sobald man wieder handwerkertermine bekommt.

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