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Audio: rbb24 Inforadio | 15.08.2022 | Martin Polansky | Quelle: Frank Hoermann/Sven Simon

Hohe Mehrkosten für Verbraucher

Gasumlage soll zunächst 2,419 Cent pro Kilowattstunde betragen

Ab Oktober wird eine Gasumlage in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde fällig. Sie soll helfen, die Versorgung mit Gas zu sichern und die Kosten der Importeure zu stützen. Die Bundesregierung plant nun ein drittes Entlastungspaket.

Auf die Gaskunden in Deutschland kommen ab Herbst wegen einer staatlichen Umlage für Importeure zum Teil erhebliche Preissteigerungen zu - es wird zunächst aber nicht so teuer wie befürchtet. Die Höhe der Gasumlage wird bei 2,419 Cent pro Kilowattstunde liegen. Das teilte die Firma Trading Hub Europe, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber in Deutschland, am Montag in Ratingen mit.

Mit der Umlage werden erhöhte Beschaffungskosten von Importeuren an die Kunden weitergegeben. Das Wirtschaftsministerium ging zuletzt von einer Spanne von 1,5 bis 5,0 Cent je Kilowattstunde aus.

Gestiegene Beschaffungskosten

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Auch Arbeitspreise sind gestiegen

Die Höhe der Umlage gilt bis zum 1. April 2024 und kann alle drei Monate angepasst werden - nach oben oder unten. Da insbesondere seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine Ende Februar auch der Arbeitspreis enorm gestiegen ist, drohen vielen Kunden beim Abschluss eines neuen Vertrags bei ihrem Gas-Anbieter sogar Preiserhöhungen von mehr als 100 Prozent.

Für Verbraucher können - je nach Größe der Wohnung - allein durch die Umlage mehrere Hundert Euro Mehrkosten im Jahr dazu kommen. Auf einen Familienhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden sind das laut Berechnungen der Vergleichsportale Check24 und Verivox Mehrkosten von 576 Euro im Jahr. Ohne die Mehrwertsteuer wären es demnach 484 Euro im Jahr.

Die Bundesregierung will die Umlage von der Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent befreien, das ist aber rechtlich nicht einfach. Laut Finanzministerium sind solche Ausnahmen im Europarecht nicht vorgesehen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat aber auf EU-Ebene um eine Ausnahme gebeten.

Die Umlage gilt ab Anfang Oktober - sie werde aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar werden, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Wirtschaftsministerium. Es gebe aus Verbraucherschutzgründen Ankündigungsfristen im Energiewirtschaftsgesetz von vier bis sechs Wochen, die eingehalten werden müssten. Daher werde die Umlage mit etwas Zeitverzug wahrscheinlich erstmals im November/Dezember auf den Rechnungen ausgewiesen werden.

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Scholz kündigt drittes Entlastungspaket an

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte derweil weitere Entlastungen in Aussicht. Seine Regierung werde ein drittes Entlastungspaket verabschieden, "das nicht nur die Kosten der Umlage addressiert, sondern darüber hinausgeht", sagte Scholz am Montag bei einem Besuch in der norwegischen Hauptstadt Oslo.

Die Umlage sei nur eine von vielen Belastungen, mit denen die Menschen derzeit zu tun hätten: "Die Herausforderungen für die Bürgerinnen und Bürger sind viel größer und beschränken sich nicht auf diesen Teil", sagte er. Seine Regierung wolle die Menschen damit nicht alleine lassen.

Wirtschaftsministerium: Russland sorgt für "externen Schock"

Das Wirtschaftsministerium sieht die Umlage als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Der habe die ohnehin angespannte Lage auf den Energiemärkten drastisch verschärft. Russland habe seit Mitte Juni seine Gasimportmengen nach Deutschland in unberechenbarer Weise reduziert, damit eine künstliche Energieknappheit geschaffen und die Preise in die Höhe getrieben. Dieser "externe Schock" treffe Deutschland, das bislang stark von günstigem Gas aus Russland abhängig war, besonders. Viele Gaslieferungen aus Russland, die bisher vertraglich zugesichert waren, fielen weg.

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Gasimporteure aber haben Lieferpflichten gegenüber ihren Kunden, vor allem gegenüber Stadtwerken. Die Importeure können diesen Lieferpflichten nur gerecht werden, indem sie die ausgefallenen Mengen aus Russland durch den Kauf deutlich teurerer Mengen am Kurzfristmarkt ersetzen. Bisher können diese Mehrkosten nicht weitergegeben werden.

Die Folge: Bei Importeuren sind erhebliche Verluste entstanden. Deswegen hat der Bund mit dem Versorger Uniper ein milliardenschweres Rettungspaket vereinbart [tagesschau.de] - und im Zuge dessen auch die Gasumlage. Diese kommt zusätzlich zu marktbedingten Preissteigerungen, die schrittweise bei den Kunden ankommen.

Wirtschaft sorgt sich um Betriebe - Sozialverbände warnen

Wirtschaft, Sozialverbände und Gewerkschaften rufen derweil angesichts der Mehrkosten nach mehr staatlicher Hilfe. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft wird die Gasumlage die Unternehmen rund 5,7 Milliarden Euro kosten. Für einige Firmen werde es existenzgefährdend, sagte Barbara Nitsche von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam am Montag Antenne Brandenburg vom rbb.

Sozialverbände warnen vor Gassperren und einer neuen Armutsspirale bis hin zu Wohnungsverlust, sollten nicht unverzüglich Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden. "Wir nehmen die Bundesregierung beim Wort und erwarten umfassende Hilfen für alle, die sie benötigen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. Konkret fordere der Verband eine Anhebung des Regelsatzes auf 678 Euro und eine Ausweitung des Wohngeldes.

Auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) blickt mit Sorge auf die Folgen der geplanten Gasumlage. "Die Gasumlage wird viele Menschen vor allem mit niedrigen und mittleren Einkommen in große, zum Teil existenzielle Schwierigkeiten stürzen", warnte Gewerkschaftschef Frank Werneke. "Das muss verhindert werden."

Sendung: rbb24 Abendschau, 15.08.2022, 19:30 Uhr

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