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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 05.09.2022 | Daniel Gaesche | Quelle: pressefoto_korb

Kindergeld, Bürgergeld, Heizgeld

Ampelkoalition legt neues Entlastungspaket über 65 Milliarden Euro vor

Zuschüsse für Rentner und Studierende, ein Nachfolger für das 9-Euro-Ticket: Die Bundesregierung hat ein neues Entlastungspaket für Bürger und Unternehmen beschlossen. Die Reaktionen aus der Region sind in weiten Teilen positiv.

Angesichts der stark gestiegenen Energiepreise hat die Bundesregierung ein neues Maßnahmenpaket beschlossen, mit dem Bevölkerung und Unternehmen um rund 65 Milliarden Euro entlastet werden sollen. Erste Zahlungen sollen bis Jahresende auf den Konten sein - weitere ab Januar. Dazu kommen Änderungen, die sich auszahlen:

ÖPNV-TICKET

Als Nachfolge für das Neun-Euro-Ticket soll es ein bundesweites Nahverkehrsticket für 49 bis 69 Euro im Monat geben. Der Bund will dafür 1,5 Milliarden Euro jährlich geben - falls die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen. Für den Schienenverkehr will der Bund zudem ab 2023 zusätzlich 1,5 Milliarden Euro ausgeben.

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ENERGIEPAUSCHALE FÜR RENTNER UND STUDIERENDE

Rentnerinnen und Rentner erhalten zum 1. Dezember eine Energiepreispauschale von 300 Euro - sie waren bei der Energiepauschale im zweiten Entlastungspaket vergessen worden. Die Regierung beziffert die Kosten hier auf insgesamt rund sechs Milliarden Euro. Die Einmalzahlung ist einkommensteuerpflichtig.

Studierende sowie Fachschülerinnen und -schüler sollen "schnell und unbürokratisch" eine Einmalzahlung von 200 Euro bekommen. Für die Auszahlung sind die Länder zuständig.

HEIZKOSTENZUSCHUSS FÜR WOHNGELDBERECHTIGTE

Wohngeldberechtigte sollen einmalig für die Heizperiode September bis Dezember einen Heizkostenschuss von 415 Euro erhalten. Ein Zweipersonenhaushalt soll 540 Euro bekommen, für jede weitere Person im Haushalt gibt es 100 Euro. Einen Heizkostenzuschuss gibt es bereits im zweiten Entlastungspaket - ausgezahlt werden aktuell einmalig 270 Euro. Den Zuschuss bekommen laut Regierung 710.000 Haushalte.

SCHUTZ FÜR MIETERINNEN UND MIETER

Kann jemand die hohen Preise für Gas und Strom nicht zahlen, sollen Sperren dennoch vermieden werden. Dem Papier zufolge das Energierecht angepasst werden, um Mieterinnen und Mieter vor dem Abschalten von Energie zu schützen.

WOHNGELDREFORM

Das Wohngeld soll zum 1. Januar reformiert werden. Der Kreis der Berechtigten soll auf zwei Millionen Haushalte steigen. Die Zahlung soll eine dauerhafte Heizkostenkomponente und eine dauerhafte Klimakomponente enthalten.

MEHR KINDERGELD

Ab Januar wird das Kindergeld um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind erhöht: auf dann 237 Euro monatlich. Der Kinderzuschuss für Familien mit niedrigem Einkommen wurde schon ab Juli auf 229 Euro monatlich erhöht, ab Januar steigt er auf 250 Euro. Den Zuschlag gibt es zusätzlich zum Kindergeld.

RUND 500 EURO BÜRGERGELD STATT HARTZ IV

Empfängerinnen und Empfänger des neuen Bürgergelds sollen ab Jahreswechsel rund 500 Euro im Monat bekommen. Der Betrag liegt deutlich über dem aktuellen Hartz-IV-Regelsatz von 449 Euro für Alleinstehende ohne Kinder. Die Ampel will das Hartz-IV-System ab Januar 2023 durch das Bürgergeld ablösen.

NEUER EINKOMMENSTEUERTARIF GEGEN DIE KALTE PROGRESSION


Ab Januar sollen neue Tarifeckwerte im Einkommenssteuertarif gelten. Davon profitieren laut Regierung rund 48 Millionen Steuerpflichtige. Mittel der Wahl ist ein steuerlicher Ausgleich für die kalte Progression - also den Effekt, dass jemand durch eine Lohnerhöhung, die höchstens die Inflation ausgleicht, in einen höheren Steuertarif kommt und somit letztlich bezogen auf die Kaufkraft weniger Geld in der Tasche hat. Laut Finanzminister Christian Lindner (FDP) beträgt die Entlastung zehn Milliarden Euro.

Energie, Pflege, Straßengesetz

Das ändert sich im September

Energiepauschale, -kosten und -einsparungen: Der September steht vor allem im Zeichen steigender Energiepreise und den damit verbundenen Auswirkungen. Es gibt aber auch mehr Geld - zumindest für einige Beschäftigte.

HÖHERE OBERGRENZE FÜR MIDI-JOBS

Die Höchstverdienstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich steigt im Oktober von 1300 auf 1600 Euro und im Januar auf 2000 Euro brutto. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Lohnbereich müssen dadurch weniger Beiträge für ihre Sozialversicherung zahlen. Die Regierung beziffert das Gesamtvolumen mit rund 1,3 Milliarden Euro jährlich.

EINGRIFF IN DEN STROMMARKT - "STROMPREISDECKEL"

Die Koalition will die durch die nicht bei jedem Unternehmen gerechtfertigte Verbindung von Gas- und Strompreis entstehenden hohen Preise für Strom begrenzen beziehungsweise hohe Gewinne abschöpfen. Gelingen soll dies laut Papier mit einer Preisobergrenze für Strom von Erzeugern, die nicht auf Gas angewiesen sind. Das soll für niedrigere Preise sorgen.

Bleibt es bei hohen sogenannten Zufallsgewinnen, sollen diese abgeschöpft werden. Die Einnahmen sollen zudem dafür sorgen, dass Privathaushalte einen "Basisverbrauch" an Strom zu einem vergünstigten Preis bekommen.

ANHEBUNG CO2-PREIS WIRD VERSCHOBEN

Um den Strompreis möglichst niedrig zu halten, wird zudem die zum 1. Januar 2023 geplante Erhöhung des CO2-Preises, der die Klimakosten von Energienutzung widerspiegeln soll, um ein Jahr verschoben. Die eigentlich anstehende Erhöhung des CO2-Preises von derzeit 30 Euro pro Tonne auf 35 Euro wird um ein Jahr verschoben. Eigentlich sollte der Preis für CO2, das beim Verbrennen von Heiz- und Kraftstoffen entsteht, bis 2025 auf 55 Euro klettern. Dies soll jetzt 2026 erreicht sein.

Reaktionen aus Berlin und Brandenburg

Franziska Giffey, Reg. Bürgermeisterin Berlin (SPD)

Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey (SPD), zeigte sich am Sonntag auf Instagram zuversichtlich, dass die Maßnahmen in der Breite "spürbar helfen". Gut sei, dass Rentner und Studierende berücksichtigt würden. Auch die Abschöpfung von Übergewinnen von Energieunternehmen sei richtig und "ein starkes Signal für mehr Gerechtigkeit".

Der Beschluss für ein weiteres bundesweites ÖPNV-Tickt sei "ein guter Schritt in die richtige Richtung, aber das reicht noch nicht. Die Preisspanne von 49 bis 69 Euro ist innerhalb eines Bundeslandes zu hoch", so Giffey. Der Ausbau eines bezahlbaren ÖPNV sei eine nationale Zukunftsaufgabe, betonte Giffey. "Berlin arbeitet weiter an einer Überbrückungslösung, die den Berlinerinnen und Berlinern noch in diesem Jahr zugute kommen soll", betonte sie.

Dietmar Woidke, Brandenburger Ministerpräsident (SPD)

Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) lobte eine Entlastung vor allem für Menschen ohne oder mit nur geringem Einkommen wie Rentner und Studierende. Auch ein bundesweites ÖPNV-Ticket begrüßte er, wobei der Bund in der Finanzierung "in der Verantwortung" sei, wie er betonte. Nötig sei allerdings noch eine Entlastung für Betriebe bei den Energiekosten, forderte der Politiker.

Bettina Jarasch, Berliner Verkehrssenatorin (Grüne)

Die Berliner Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) begrüßte am Sonntag, dass der Bund eine Anschlusslösung für das vergünstigte ÖPNV-Ticket plant. Wenn die vom Bund angekündigten 1,5 Milliarden für das neue Nahverkehrsticket zusätzlich zu den bereits zugesagten Ausbaumitteln für die Schiene fließen würden, dann fände sie es richtig, auch über einen adäquaten Länderbeitrag zu verhandeln, sagte Jarasch. In Berlin war in den vergangenen Tagen über eine regionale Anschlusslösung des Ende August ausgelaufenen 9-Euro-Tickets beraten worden.

Guido Beermann, Brandenburger Verkehrsminister (CDU)

Das Brandenburger Verkehrsministerium begrüßte das Paket im Grundsatz, fordert aber eine Nachsteuerung beim Öffentlichen Personennahverkehr. Der sei wie die Energiekosten ebenfalls von Preissteigerungen betroffen, erklärte Ressortchef Guido Beermann (CDU) am Sonntag. "Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung die Länder bei den enorm gestiegenen Energiekosten im ÖPNV im Regen stehen lässt." Um seine Qualität zu erhalten und finanziell winterfest zu machen, müsse der Bund nachsteuern und zunächst die erheblichen Mehrkosten über Regionalisierungsmittel in Höhe von 1,6 Milliarden Euro ausgleichen.

Katja Kipping, Berliner Sozialsenatorin (Linke)

Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) bemängelte am Sonntag: "Schon vor der Explosion der Energiepreise hätten die Hartz-IV-Sätze um 200 Euro im Monat höher ausfallen müssen. Nun plant die Ampel-Regierung angesichts der Energiepreis-Explosion eine Erhöhung um nur 50 Euro. Armutsfeste Sozialleistung geht anders." Das Entlastungspaket enttäusche, so Kipping.

Sebastian Czaja, Berliner FDP-Fraktionschef

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, zeigte sich grundsätzlich positiv gegenüber den beschlossenen Maßnahmen. Die "arbeitende Mitte", sowie Menschen ohne oder mit sehr kleinem Einkommen würde geholfen. Es sei auch begrüßenswert, dass jetzt auch Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende eine Energiepreispauschale erhalten. Der Senat müsse jetzt allerdings "den viel zu teuren Alleingang bei der Fortführung des Neun-Euro-Tickets unterlassen".

Kristin Brinker, Berliner AFD-Fraktionschefin

Die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Kristin Brinker, kritisiert das Entlastungspaket als "Augenwischerei". Sie bezweifelt, dass die Maßnahmen dauerhaft Wirkung zeigen. Es reiche nicht, Symptome zu bekämpfen, ohne die Ursachen anzugehen, so Brinker, und fügte hinzu, dass die Regierung selbst eine "im Energiebereich geradezu fatale Politik" zu verantworten habe.

Sendung: Abendschau, 04.09.2022, 19:30 Uhr

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