Mindestlohn auch während Ruhezeiten - Berliner Gericht spricht Altenpflegerin 38.709 Euro zu

Di 06.09.22 | 14:26 Uhr
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Symbolbild: Eine Pflegefachkraft hilft einer Bewohnerin vom Seniorenheim (Quelle: dpa/Sina Schuldt)
Bild: dpa/Sina Schuldt

Pflegekräfte stehen oft nach Dienstende noch auf Abruf bereit - ohne dafür bezahlt zu werden. Dagegen klagte eine Pflegerin und bekam nun auch vom Landesgericht Berlin-Brandenburg recht. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben.

Pflegekräften, die Menschen in einer 24-Stunden-Pflege betreuen, muss auch während Bereitschaftszeiten der Mindestlohn gezahlt werden. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am Montag entschieden.

Eine Pflegerin, die eine über 90-jährige Frau in Berlin rund um die Uhr betreute, hatte geklagt. Ihr Arbeitsvertrag mit einem bulgarischen Unternehmen sah 30 Stunden pro Woche vor, vergütet mit 1.560 Euro pro Monat. Sie forderte eine Bezahlung mit Mindestlohn für die vollen 24 Stunden. In einem ersten Urteil aus dem Jahr 2020 gab das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg der Frau grundsätzlich Recht [gerichtsentscheidungen.brandenburg.de]. Der Fall ging in Revision und die Klägerin und Zeugen wurden deshalb nochmals vom Gericht angehört.

Einzelne Besuchsstunden von Arbeitszeit ausgenommen

Daraufhin bestätigte das Gericht am Montag das Urteil im Wesentlichen und sprach der Pflegekraft insgesamt 38.709 Euro für sieben Monate Arbeit zu. Von ihrem Arbeitgeber hatte sie zunächst 6.680 Euro bekommen. Lediglich einzelne Stunden, in denen die Seniorin Besuch hatte, nahmen die Berliner Richter von der Arbeitszeit aus.

Die Pflege rund um die Uhr kann bedeuten, dass Pflegekräfte bei den Betreuten wohnen und sich immer bereithalten müssen, auch nachts. Damit sich Familien das leisten könnten, schlössen sie oft Verträge mit günstigeren osteuropäischen Firmen ab, so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Er hatte die Klägerin juristisch vertreten.

Mit dem neuen Urteil steht nun fest: Pflegekräften steht der Mindestlohn während Arbeits- und Bereitschaftszeiten zu. "Die häusliche Pflege wird teurer, aber gerechter", schrieb der DGB auf seiner Webseite. Inwieweit die Sozialassistentin diese Forderung gegenüber ihrem bulgarischen Arbeitgeber durchsetzen kann, ist offen. Nicht zu entscheiden hatte das Gericht, ob das bulgarische Unternehmen hierbei auch die deutsche Vermittlungsagentur mit ins Boot nehmen kann, weil diese trotz des Arbeitsvertrags über nur 30 Wochenstunden eine 24-Stunden-Betreuung versprochen hatte.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.09.2022, 17 Uhr

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51 Kommentare

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  1. 51.

    Andrea, das ist ja alles schön und gut. Aber sind die Patienten auch bereit und in der Lage, die höheren Preise zu zahlen? Höhere Löhne und steigende Kosten lassen ja auch die Preise massiv steigen.

    Und natürlich muss ein deutlicher Unterschied zwischen examinierten und ungelernten Mitarbeitern bestehen. Auch arbeiten Hilfskräfte oft nur Teilzeit

  2. 50.

    So ist das halt. Auch ambulante Pflegedienste sind Wirtschaftsunternehmen und müssen die Gehälter der Mitarbeiter und alle anderen Kosten selbst erwirtschaften

    Ich halte viel von Kostentransparenz und setze mich alle 3 Monate mit meinen Mitarbeitern zusammen und nenne die Zahlen.

    Wenn ein Mitarbeiter ausfällt, müssen die anderen die Arbeit mitmachen.

    Letztlich muss jeder Mitarbeiter einen gewissen Betrag erwirtschaften, damit der Laden läuft und die Gehälter ect gezahlt werden können.

  3. 49.

    Paul, ich leite seit vielen Jahren einen ambulanten Pflegedienst und kenne die Problematik mehr als gut.

  4. 48.

    Andrea, Heiligabend ist ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag und kein Feiertag. Ebenso der 31.12.

    Übrigens bieten viele Pflegedienste den Hilfskräften Möglichkeiten zur Qualifikation an.

  5. 47.

    Ich persönlich würde auch Hilfskräften gerne mehr zahlen. Nur lässt das aktuelle System das nicht zu.

    Dazu muss man auch bedenken, dass alle Mehrkosten 1:1 an den Kunden weitergegeben werden müssen.

    Die Lösung wäre die lange versprochene Reform der Pflegeversicherung mit Umbau von Teilkasko zu Vollkasko. Dann würde sich der Beitrag um etwa den Faktor 3 erhöhen. Das Gejammer kann ich jetzt schön hören.

    Alle Pflegekräfte sollten kündigen? Die Heimbewohner säßen auf der Straße.

  6. 46.

    Es ist eben gewinnorientiert. Es geht nicht um die zu Pflegenden oder die Pflegenden. Es geht ums Geld.
    Solange solche Löhne Tarif sind, wird sich niemand um den Job reißen. Warum auch? Kaputte Knochen, wenig Zeit, Heilig Abend IKM wechseln und das für wenig Geld. Nicht reizvoll, aber ein wichtiger Beruf. So sollte er auch honoriert werden.

  7. 45.

    14,10 Euro die Stunde Tarif und das ist angemessen. Sie möchten über Angestellte 7 Tage in der Woche, an Sonn und Feiertagen verfügen? Und da meinen Sie in Ihrer Dreistigkeit, das sei angemessen? Sie sollten sich mal mit den Menschen unterhalten, die diese Arbeit verrichten. Das Familienleben leidet extrem unter der Schicht und Wochendarbeit. Mit dieser Einstellung wird es nie genug Pflegekräfte geben. Was halten Sie davon: Alle Pflegekräfte kündigen mal für 4 Wochen? Dann sind alle Heime usw. zu. Vielleicht kommen Sie dann zu einer anderen Wertschätzung dieses Berufs.

  8. 44.

    Natürlich kann man Verträge mit Patienten kündigen. Ebenso gibt's keine Pflicht eines Pflegedienstes, einen Patienten zu versorgen.

    Nicht nur Heime haben lange Wartelisten.

    Viele Patienten denken, dass das Pflegegeld für die ambulante Versorgung ausreicht. Falsch - auch hier sind hohe Zuzahlungen die Regel. Und diese steigen genauso wie in anderen Bereichen auch. Letztlich sind auch Pflegedienste Wirtschaftsunternehmen.

  9. 43.

    "14,10 Eur. Das ist Tarif und angemessen."
    Das es Tarif ist, unbestritten.
    Nicht mal 1 Euro Abstand zum Mindestlohn angemessen?

    Das ist eine Aussage.

  10. 42.

    Das sehe ich auch so. Dann gibts wohl Hauswirtschaftsdienste.
    14 € klingt anders als 20 oder 30. Aber wenn immer vermittelt wird, dass hier generell viel verdient wird, ist das falsch.
    Die Pflegenden denken, die 45 € pro Stunde haben wir. Auch in Pflegeheimen wird über die Lohnerhöhung gesprochen und nein, die 400 € Heimplatz-Erhöhung bekommen nicht die Mitarbeiter. Das wird einfach falsch kommuniziert, jede Erhöhung mit Lohnerhöhung gleichzusetzen.
    Ich habe vor 20 Jahren im Pflegedienst 11,50 € verdient. Nach 20 Jahren 2,50 € mehr ist wirklich nichts zum reich werden. War kein Vorwurf, sondern mal ein Einblick in die Lohnerhöhung des Pflegedienstes.

  11. 41.

    Die hauswirtschaftliche Versorgung werden viele Pflegedienste nicht mehr anbieten. Eigentlich ist dies auch nicht Aufgabe der Pflegedienste. Das hat sich irgendwann mal eingeschlichen.

    Wir haben jetzt den Preis für die hauswirtschaftliche Versorgung auf 45 Eur pro Stunde anheben müssen.

    Zukünftig werden immer mehr PD die Hauswirtschaft nicht mehr anbieten. Diese kann auch durch andere Firmen abgedeckt werden

  12. 40.

    Pflegehelfer bekommen bei uns 14,10 Eur. Das ist Tarif und angemessen.

  13. 39.

    Die Heime haben lange Listen und hatten fast alle Aufnahmestopp wegen Corona, da hat der Pflegedienst noch viel übrig. Sogar mehr, als sie arbeiten können.
    Andererseits können Angehörige froh sein, dass es Pflegeheime gibt, wir haben auch reichlich Corona Erkrankte gehabt. Dafür verbringen wir den Arbeitstag bis heute mit FFP2 und schwitzen im Sommer in Schutzkleidung.
    Auch Paliativpflege ist psychisch nicht für jeden geeignet. Viele Angehörige kommen in der Sterbephase nicht, sondern erst, um sich von den Verstorbenen zu verabschieden.

  14. 38.

    Ich entnehme diese Aussage meiner lebenslangen Arbeit im Gesundheitswesen.
    Mein erster Beitrag wurde nicht veröffentlicht.
    Die Pflege besteht nicht nur aus exam. Kräften, sondern Großteils aus Pflegehelfern, die eindeutig unterbezahlt sind. Und genau diese verbringen die meiste Zeit bei den zu Pflegenden.
    Sie haben nicht nur exam. Kräfte für 30 € eingestellt, sondern Pflegehelfer, die Körperpflege, Reinigung, Wäschepflege, Einkäufe, Arztbesuche und Betreuung abdecken. Was zahlen sie den Pflegehelfern, wäre die wichtigste Antwort von ihnen.
    Allerdings sagen Pflegedienste schon Anfragen ab und schließen Touren, da sich keine Pflegehelfer finden, das schon seit Jahren.
    Kann ich verstehen. Bei Wind und Wetter von Bewohner zu Bewohner, Bettlägerige mit über 100 kg allein Versorgen.
    Ich hab zu viel selbst erlebt, als dass mir hier jemand was erzählen will.

  15. 37.

    Ich rede von den Pflegehelfern, die den Großteil der Arbeit machen. Sie haben sicherlich nicht nur exam Kräfte eingestellt die alle Aufgaben übernehmen.
    Sie werden wissen, was Pflegehelfer verdienen.

  16. 36.

    "richtige Infos holen!"
    Sie bekommen von mir den +1 und Held des Tages verliehen.

    Ich versuch ja auch ab und an aufzuklären, wo es geht. Aber die wenigsten können damit was anfangen und zum Schluß werden Sie noch als Lügner bezeichnet.

  17. 35.

    ""Verhinderungspflege sind rund 1600 € p.a." und wie viel das pro Monat?? "
    Das genau beweist, das Sie NULL Ahnung haben, was Verhinderungspflegegeld ist!
    Aber Hauptsache motzen.
    Für Sie zum nachlesen: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/verhinderungspflege.html
    Ich gehe davon aus, das Sie @Rainerharald wenigstens zugestehen, sich getäuscht zu haben.

  18. 34.

    "Und der Pflegedienst ist, je nach Vertrag nur zeitweise bei den zu Pflegenden, nicht rund um die Uhr. "
    Nichts anderes habe ich geschrieben.
    Aber wenn niemand mehr zu Hause gepflegt wird, sondern sich nur noch alles in und um Aufbewahrungsanstalten dreht, sind die Pflegedienste ganz schnell Ihre Patienten los.
    Und dann wird das Geschrei des DGB noch größer sein.

  19. 33.

    Woher nehmen Sie die Erkenntnis, dass Pflegekräfte wenig verdienen? Examinierte Pflegekräfte verdienen aktuell schon mehr als 20 Eur. Bei mir liegen examinierte Pflegekräfte bei 31 Eur. Das ist also wenig??

  20. 32.

    Die Pflegedienste beinhalten die med. Betreuung. Und der Pflegedienst ist, je nach Vertrag nur zeitweise bei den zu Pflegenden, nicht rund um die Uhr.
    Teuer ist das schon jetzt, auch wenn Pfleger dabei zu wenig verdienen.
    Die Beiträge müssen steigen, für gerechte Löhne. Anders geht es nicht. Für viele unnütze Dinge wird Geld verschwendet, aber bei der Pflege wird gegeizt. Gute Versorgung der Angehörigen möchten trotzdem alle.
    Wer sparen will, pflegt selbst.

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