Mindestlohn auch während Ruhezeiten - Berliner Gericht spricht Altenpflegerin 38.709 Euro zu

Pflegekräfte stehen oft nach Dienstende noch auf Abruf bereit - ohne dafür bezahlt zu werden. Dagegen klagte eine Pflegerin und bekam nun auch vom Landesgericht Berlin-Brandenburg recht. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben.
Pflegekräften, die Menschen in einer 24-Stunden-Pflege betreuen, muss auch während Bereitschaftszeiten der Mindestlohn gezahlt werden. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am Montag entschieden.
Eine Pflegerin, die eine über 90-jährige Frau in Berlin rund um die Uhr betreute, hatte geklagt. Ihr Arbeitsvertrag mit einem bulgarischen Unternehmen sah 30 Stunden pro Woche vor, vergütet mit 1.560 Euro pro Monat. Sie forderte eine Bezahlung mit Mindestlohn für die vollen 24 Stunden. In einem ersten Urteil aus dem Jahr 2020 gab das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg der Frau grundsätzlich Recht [gerichtsentscheidungen.brandenburg.de]. Der Fall ging in Revision und die Klägerin und Zeugen wurden deshalb nochmals vom Gericht angehört.
Einzelne Besuchsstunden von Arbeitszeit ausgenommen
Daraufhin bestätigte das Gericht am Montag das Urteil im Wesentlichen und sprach der Pflegekraft insgesamt 38.709 Euro für sieben Monate Arbeit zu. Von ihrem Arbeitgeber hatte sie zunächst 6.680 Euro bekommen. Lediglich einzelne Stunden, in denen die Seniorin Besuch hatte, nahmen die Berliner Richter von der Arbeitszeit aus.
Die Pflege rund um die Uhr kann bedeuten, dass Pflegekräfte bei den Betreuten wohnen und sich immer bereithalten müssen, auch nachts. Damit sich Familien das leisten könnten, schlössen sie oft Verträge mit günstigeren osteuropäischen Firmen ab, so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Er hatte die Klägerin juristisch vertreten.
Mit dem neuen Urteil steht nun fest: Pflegekräften steht der Mindestlohn während Arbeits- und Bereitschaftszeiten zu. "Die häusliche Pflege wird teurer, aber gerechter", schrieb der DGB auf seiner Webseite. Inwieweit die Sozialassistentin diese Forderung gegenüber ihrem bulgarischen Arbeitgeber durchsetzen kann, ist offen. Nicht zu entscheiden hatte das Gericht, ob das bulgarische Unternehmen hierbei auch die deutsche Vermittlungsagentur mit ins Boot nehmen kann, weil diese trotz des Arbeitsvertrags über nur 30 Wochenstunden eine 24-Stunden-Betreuung versprochen hatte.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.09.2022, 17 Uhr