Traditionsmarke in der Prignitz - Wie der Senf ins Perleberger Stadtzentrum zurückkehrte

Der Perleberger Senf begeisterte schon bei der Weltausstellung 1889 in Paris. Vor zwei Jahren drohte die Traditionsmarke zu verschwinden. Eine Prignitzer Unternehmerfamilie übernahm und brachte die Manufaktur zurück in die Stadt. Von Björn Haase-Wendt
Ein leichter, scharfer Geruch liegt in der Luft innerhalb der Senfmanufaktur am Großen Markt in Perleberg. Hier, direkt am Marktplatz, nur ein paar Meter vom Rathaus entfernt, wird das Perleberger Traditionsprodukt wieder von Hand produziert. "Wir setzen eine Maische an bestehend aus gelbem und braunem Senfmehl, Wasser, Essig, Salz, Zucker und unserem Spezialgewürz", sagt Inhaber Patrick Lange.
Die Masse wird zwei Tage lang stehen gelassen, immer mal wieder gerührt und dann in die Mühle gepumpt, wo sie mit sechs bis neun Bar Druck zerkleinert wird. "So, dass der Senf eine Zahnpasta ähnliche Konsistenz hat."
Gut 200 Liter Senf werden pro Durchgang produziert. Das ermöglicht einen schnellen Wechsel der Sorten. Acht sind derzeit im Angebot von den Klassikern dem mittelscharfen und extrascharfen Senf über Chili- und Honig-Dill- bis zum Thermalsenf. "Der entsteht in Kooperation mit der Therme in Bad Rodach und ist mit Thermalwasser angesetzt. Anstatt Zucker nutzen wir dort Honig und es ist ein süßer Senf", erklärt Lange.
Für die Senfherstellung wird allerdings Senfmehl aus Bayern genutzt. Denn bislang haben die Produzenten noch keinen regionalen Anbieter gefunden, der die gemahlenen Senfkörner auch wirtschaftlich anbieten kann. "Wenn aber jemand dazu bereit ist, sind wir offen für Kooperationen", sagt er.

Von der Glanzwichse zum Senf
Lange und seine Familie haben vor gut zwei Jahren die Traditionsmarke gerettet, als die Marke Perleberger Senf zum Verkauf stand. Aus der Region gab es zunächst keine Interessenten, nur ein großer Produzent zeigte Interesse. "Wir haben gesagt, wir können die älteste Lebensmittelmarke der Prignitz nicht verschwinden lassen", erinnert er sich. Gemeinsam mit seinem Vater Lutz und Bruder Jan übernahm er die Marke und baute in einem ersten Schritt eine kleine Produktion in Perleberg auf. Doch der Senf sollte stärker ins Stadtzentrum rücken, schließlich gibt es ihn seit 1835.
Allerdings war der Senf damals zunächst nur ein Nebenprodukt. Eigentlich stellte Carl Ludwig Beutel einen anderen Perleberger Klassiker her: die Glanzwichse, einen Vorgänger der Schuhcreme. Um die Arbeiter und Maschinen weiter auszulasten, stieg er in die Mostrich-Produktion ein. "Denn die Herstellungsart der Glanzwichse ist dem Senf so ähnlich, dass man quasi nur die Gefäße und Mühle gereinigt hat und dann direkt hinterher Senf angesetzt hat", sagt Patrick Lange.
1896 wurde schließlich die Marke Perleberger Senf gegründet und überstand sämtliche politischen und wirtschaftlichen Umbrüche. 2001 wanderte die Produktion aber aus Perleberg ab und der Senf wurde in großen Fabriken in Stavenhagen und Altenburg herstellt.
Rückkehr ins Stadtzentrum
Mit der Eröffnung der neuen Senfmanufaktur mit Café kehrt der Perleberger Senf nun direkt ins Stadtzentrum zurück. In der gläsernen Manufaktur am Marktplatz können Besucher die Produktion beobachten und den Senf verkosten. "Wir wollen auch Schulen einladen mitzumachen und eigenen Senf zu produzieren", sagt Mitinhaber Jan Lange.
Die Manufaktur soll außerdem Impulsgeber für weitere regionale Produzenten sein. Zum einen gibt es Kooperationen etwa mit dem benachbarten Bäcker. "Da haben wir gerade unser Senf-Bier-Brot entwickelt", freut er sich. Zum anderen ist in die Manufaktur auch ein Hofladen in dem es etwa Eier aus Seddin, Kaffee aus Wittenberge, Gin aus Klein Gottschow oder auch das Prignitzer Nationalgericht, den Knieperkohl, gibt.

Die Rezeptur? Natürlich Betriebsgeheimnis!
"Wir haben jetzt eine Möglichkeit, unsere Prignitzer Vielfalt direkt zu zeigen. Wir haben viele engagierte kleine Produzenten und da ist es gut die sichtbar zu machen", sagt Mike Laskewitz, der Geschäftsführer des Prignitzer Tourismusverbandes. Außerdem gibt es spezielle Senftouren etwa mit Stadtführer Jürgen Schmidt aka dem Senfmüller durch Perleberg und die Prignitz, auf denen den Besuchern die Region schmackhaft gemacht werden soll.
Und dann stellt sich noch die Frage, wie schmeckt er nun, der neue alte Perleberger Senf? Gunnar Zoll aus Perleberg war der erste zahlende Kunde nach der Neueröffnung und ist begeistert: "Den erkennt man unter allen Senfen, er ist scharf und hat trotzdem seinen besonderen Geschmack, aber erklären kann man das nicht, das müssen sie schon probieren." Das sieht auch Inhaber Patrick Lange so, denn die Gewürzrezeptur ist wohlgehütet: "Das kann ich nicht sagen, was da genau reinkommt, dann hätte ich ja keine Arbeit mehr."
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