Ausstellung | "Seaphony – Life on Planet Ocean" - Zum Teil der Tiefsee werden

Mo 09.05.22 | 12:02 Uhr | Von Wiebke Keuneke
In der Alten Münze zeigt die immersive und intermediale Ausstellung "Seaphony – Life on Planet Ocean" die Faszination und die Gefährdung der Ozeane. Aufnahme vom 04.05.2022.(rbb/Wiebke Keuneke)
Bild: Audio: Radioeins | 05.05.2022 | Ausstellungs-Tipp: Seaphony

Jetzt kann man mitten in Berlin abtauchen. In der Alten Münze zeigt die immersive und intermediale Ausstellung "Seaphony – Life on Planet Ocean" die Faszination und die Gefährdung der Ozeane. Wiebke Keuneke hat sie besucht.

In große Puschen geschlüpft, schiebt man sich durch einen riesigen 500 Quadratmeter großen Raum – er hat nach unten Spiegelboden, nach oben hin hohe Decken. Es ist ziemlich dunkel, aber alles andere als leise.

Die Geräusche ziehen einen sofort in ihren Bann. Mal ein surreal klingendes Fiepen, mal eher ein Klopfen, mal klingt es fast wie elektronische Musik. Dabei handelt es sich um die echten Geräusche in unseren Ozeanen. Die stellen tatsächlich die lauteste Klanglandschaft unseres Planeten da.

Der Ozean ist die lauteste Klanglandschaft der Erde

Walgesänge gehören hier vielleicht zu den bekanntesten, obwohl der Blauwal – übrigens das lauteste Tier der Welt –eher fast brüllt als singt. Das Echolotsystem von Delfinen macht klackende Geräusche - und jedes noch so kleine Krustentier verständigt sich unter Wasser durch Laute.

Chris Watson heißt der britische Soundkünstler, der die Seaphony komponiert hat. Mittlerweile ist er 70 Jahre alt und hat unzählige Stunden seines Lebens mit so genannten Hydrophonen, also Unterwassermikrofonen, Klänge geangelt. Und es gibt immer noch Momente, die ihn besonders faszinieren. "Für uns sind die Polarregionen diese stillen Welten, in denen alles hart und gefroren scheint. Aber hört man unter die Oberfläche, dann hört man eine reiche Klanglandschaft. Ein magischer Moment für mich war, als ich den Sound aufnahm wie das Meer gefriert: vor meinen Augen konnte ich diese magische Transformation sehen - von flüssig zu fest."

Schall verbreitet sich enorm schnell unter Wasser

Gemeinsam mit seinem Kollegen Tony Myatt, der für die Raumwerdung der Sounds verantwortlich ist, hat Chris Watson das 3D 360 Grad Klangerlebnis in Berlin kreiert. Die Unterwasserreise von einem Pol zum anderen beginnt mit dem Geräusch eines zusammenkrachenden Eisbergs – oberhalb der Meeresoberfläche nicht zu hören, ist es darunter auch 20 Kilometer vom Geschehen entfernt noch ohrenbetäubend laut. Jaques Cousteau hat sich in seinem Doku-Klassiker "Die schweigende Welt" geirrt.

Wer zwar rein rational wusste, dass es im Meer auch Geräusche und Klänge geben muss, aber durchs friedliche, fast lautlose Schnorcheln im Urlaub dachte, die Welt unter Wasser sei still, wird in der Seaphony eines Besseren belehrt. Nur weil unsere Ohren diese Sounds unter Wasser nicht wahrnehmen können, heißt nicht, dass es sie nicht gibt.

Buckelwale können sich eigentlich von Kontinent zu Kontinent verständigen, wenn wir nicht als Menschen so viel Lärmverschmutzung in die Ozeane einführen würden.

Ina Krüger, Oceans 21

Und dann kommt ein Containerschiff daher

Es bleibt nicht nur bei diesem körperlichen Empfinden der Ausstellung, die die Besucher zum Teil der Tiefsee werden lässt. Man lernt auch etwas – und zwar durch das eigene Erleben: Der Kopf liegt auf einem Kissen, die Augen sind geschlossen, man versucht sich in das Palaver von Bartrobben hineinzuhören – hört, wie sie so miteinander kommunizieren - und auf einmal kommt ein alles niederwalzendes Geräusch: Ein Containerschiff. So erfühlt man ziemlich schnell, was das für die Tiere bedeuten muss.

Ina Krüger leitet die Berliner Organisation Oceans 21, die die Ausstellung konzipiert hat und erklärt das Problem. "Buckelwale können sich eigentlich von Kontinent zu Kontinent verständigen, wenn wir nicht als Menschen so viel Lärmverschmutzung in die Ozeane einführen würden. Das ist ein erhebliches Problem, denn alle Tiere im Ozean sind ganz wesentlich auf Sound und auf die Verständigung durch Schall angewiesen. Denn über diese finden sie ihr Fressen, ihre Familie, ihre zukünftigen Partner."

Verschwindet der Lärm, ist auch die Bedrohung weg

Der Vorteil an dieser Art von Umweltverschmutzung ist, dass sie relativ leicht in den Griff zu bekommen ist, denn es gibt zum Beispiel Dämmer für Motorengeräusche.

Und wenn der Lärm weg ist, ist auch die Bedrohung weg. Und die artenreichste und lauteste Klanglandschaft der Erde kann sich wieder frei entfalten.

Sendung: rbb Kultur, 10.05.2022, 09:10 Uhr

Beitrag von Wiebke Keuneke

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