Kritik | European Union Youth Orchestra im Konzerthaus - Schönheit und Ekstase

Di 09.08.22 | 14:49 Uhr | Von Hans Ackermann
Das European Union Youth Orchestra unter der Leitung des spanischen Dirigenten Gustavo Gimeno. (Quelle:Guido Werner)
Audio: rbb24 Inforadio | 09.08.2022 | Hans Ackermann | Bild: Guido Werner

Rund 20 Konzerte mit verschiedenen europäischen Jugendorchestern wird es beim Festival Young Euro Classic in den nächsten beiden Wochen am Gendarmenmarkt geben. Mit dabei: das Jugendorchester der Europäischen Union. Von Hans Ackermann

Mit Musik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beginnt das Konzert des European Union Youth Orchestra im nahezu ausverkauften Berliner Konzerthaus. Unter der Leitung des spanischen Dirigenten Gustavo Gimeno spielt das Jugendorchester der EU Igor Stravinskys "Scherzo Fantastique" Musik, die im Jahr 1907 komponiert wurde. Die Instrumente "schwirren" agil durcheinander, wenn hier ein Naturschauspiel imitiert wird: "Le Vol de l’ Abeille – der Bienenflug", diesen Beinamen trägt das farbenfrohe Orchesterstück.

4.000 Bewerbungen aus der gesamten EU

Rund 4.000 junge Musikerinnen und Musiker zwischen 14 und 24 Jahren bewerben sich pro Jahr um die Aufnahme in das renommierte Jugendorchester der EU, das seinen Sitz im italienischen Ferrara hat. Die besten 140 dürfen schließlich nach intensiven Arbeitsphasen – gerade erst hat man drei Wochen im österreichischen Grafenegg geprobt – zu umjubelten Europa-Tourneen ausschwärmen. Neun von zehn Absolventen des 1976 gegründeten Klangkörpers arbeiten später in oder mit professionellen Orchestern.

Ehemaliges Orchestermitglied als Solist

So wie der französische Geiger Renaud Capuçon, der an diesem Abend zusammen mit dem Orchester erst das "Poème op. 25" von Ernest Chausson und dann die betörend schöne "Havanaise op.83" von Camille Saint-Saens spielt. Nach den beiden Stücken feiern die jungen Musikerinnen und Musiker Capuçon mit frenetischem Applaus, lassen ihre Bögen vor Begeisterung auf- und abschwingen und stampfen dazu mit den Füßen. Denn Capuçon ist einer der ihren, hat wie auch Dirigent Gustavo Gimeno einst im "EUYO", im European Union Youth Orchestra, die ersten Erfahrungen auf großen Bühnen gesammelt.

Zweierlei Walzer

Nach der Pause steht dann die Rosenkavalier-Suite von Richard Strauss auf dem Programm. Mit großen Klängen zeigt das Orchester, wie souverän es auch mit diesem Meisterwerk moderner Instrumentierungskunst umzugehen weiß. Wunderbar die Passagen, in denen sich Horn- und Celloklänge unisono mischen, später donnern mächtige Posaunen herab, immer wieder dürfen einzelne der hervorragend ausgebildeten Musikerinnen und Musiker kleine Soli einstreuen.

Die Suite ist eine Hommage an den Wiener Walzer, den Richard Strauss äußerst gekonnt mit allerlei Klängen der Moderne würzt. Im Dreivierteltakt, allerdings "a la française", endet der gelungene Orchesterabend dann auch. Maurice Ravels 1919 komponiertes Poème "La Valse" bietet zerbrechliche Schönheit, am Ende aber auch eine furiose orchestrale Ekstase – die das energiegeladene Orchester bis zum letzten Takt auskostet.

Klänge pflanzen

Das Motto "Hier spielt die Zukunft" wird am Dienstagabend erneut in die Tat umgesetzt – und sogar wörtlich genommen, wenn das portugiesische Jugendorchester "Jovem Orquestra Portuguesa" neben Sinfonien von Haydn und Bruckner auch eine Uraufführung mit zeitgenössischer Musik spielt. Ein Werk, das die erst 22 Jahre alte portugiesische Komponistin Marta Domingues "How to plant a sound" genannt hat.

Auch die noch folgenden Jugendorchester werden bei "Young Euro Classic 2022" dann noch bis zum 21. August ihre neuen und jungen Klänge "pflanzen" – bei einem Festival, das nach zwei Jahren zum ersten Mal wieder unter nahezu regulären Bedingungen im Konzerthaus am Gendarmenmarkt stattfinden kann.

Einen Mitschnitt des Konzerts können Sie bei arte streamen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.08.2022, 07:55 Uhr

Beitrag von Hans Ackermann

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