Kritik | "Hyäne Fischer" an der Volksbühne - Hodenlos an die Macht

Fr 11.11.22 | 17:42 Uhr
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Darsteller und Darstellerinnen stehen bei der Generalprobe von «Hyäne Fischer - Das totale Musical» auf der Bühne der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. (Quelle: dpa/J. Carstensen)
Audio: rbb24 Inforadio | 11.11.2022 | B. Behrendt | Bild: dpa/J. Carstensen

Eine Kunstfigur, die Nazis parodiert und Bezüge zu einem deutschen Schlagerstar aufweist. Für den Brecheisen-Feminismus und die langen Monologe von "Hyäne Fischer – das totale Musical" gab es viel Jubel und ebenso viele Buhrufe. Von Barbara Behrendt

"Im Rausch der Zeit sind wir bereit" – so hieß der Song, mit dem sich eine junge Sängerin mit dem sprechenden Namen Hyäne Fischer 2019 aus Österreich angeblich für den Eurovision Song Contest bewerben wollte. Nun ist dieser Hyäne Fischer an der Volksbühne ein ganzer Abend gewidmet. Mit eben diesem Lied beginnt "Hyäne Fischer – das totale Musical", geschrieben von der Autorin Lydia Haider, geplant von der Dramaturgin Marlene Engel, unter der musikalischen Leitung von Eva Jantschitsch – alle drei sind Fans von Hyäne.

Im Videoclip von 2018, der noch immer auf Youtube läuft, eifern junge Frauen mit Jagdhütchen im Stil der 1930er Jahre Eva Braun und anderen Nazi-Frauen nach. Auf der Theaterbühne nun erinnert auch so einiges an die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Das Haar einiger Damen ist zur Wasserwelle der 1920er Jahre frisiert und der gigantische Mond in 3D-Optik, der über einem Vulkan über der Bühne hängt, wirkt zwischendurch wie ein altes Grammophon.

Allerdings erinnert die Öffnung dieses Vulkans gleichermaßen an eine Vulva – und damit sind auch schon die beiden Grundmotive des nicht eben subtilen Abends genannt: Die Überwindung von erstens Faschismus und zweitens Patriarchat. Denn natürlich ist die Eva-Braun-Maskerade nichts als Satire auf die Blut-und-Boden-Romantik der Nazis.

Generalprobe von "Hyäne Fischer" (Bild: picture alliance/dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Das neue Zeitalter des "goldenen Matriarchats"

Hyäne Fischer will ins neue Zeitalter des "goldenen Matriarchats" führen. Doch ohne brutale Gewalt kann der Umsturz für sie und ihren Hyänen-Chor aus Frauen aller Couleur im Soldaten-Camouflage-Look nicht gedacht werden: "Wir sind die Psychokiller, wir sind die Faschoficker, wir sind die schrillen Trigger eurer Dystopie", singt Rosa Lembeck als eine der fünf Hyäne Fischers auf der Bühne.

Hyäne Fischer wird auf der Bühne also als Extrem-Feministin und selbst ernannte Nazi-Jägerin gedeutet, die mit Hämmerchen bewaffnet in einer Kampf-Choreografie allen die Köpfe einschlägt, die sich ihr in den Weg stellen. Das soll böse, satirisch, komisch sein – doch meistens ist es einfach nur flach und dumpf.

Alberne Zoten, statt Intellekt und Sprachwitz

Das liegt hauptsächlich am Text der österreichischen Lyrikerin Lydia Haider, der sich an großen österreichischen Vorbildern wie Elfriede Jelinek abarbeitet, aber statt Intellekt und Sprachwitz nur alberne Zoten ablässt und verquaste, kryptische Kunstsprache daher raunt.

"Ja, skalpierte Identitäre", heißt es da, "die haben ja jetzt Haare, die kann man rasch abschneiden, abschälen, die Häupter so herreißen wie jene der Barbie, deren geschissene Frisur nicht zu entzerren, die Kopfhaut so herschneiden wie Speigerl von Äpfel für die kleinen Kinder zum besser beißen, ja, solch ein Kopfarsch wahrzunehmen wie einen Arsch der ein Kopf ist ergo ein Arschkopf hernach also so ein Arschkopf zu enthaaren und zu schälen." Und so weiter.

Noch dazu wirkt das Stück mit seiner Wiener-Schnitzel- und Schlagobers-Metaphorik an der Berliner Volksbühne etwas fehl am Platz. Eine Gruppe Musikerinnen spielt vor der Bühne mit drei Blasinstrumenten, Schlagwerk und Klavier eine bombastische Mischung aus Pop und Schlager, bei dem die Schauspielerinnen auf der Bühne gesanglich allerdings nicht ganz mithalten können.

Darsteller und Darstellerinnen stehen bei der Generalprobe von «Hyäne Fischer - Das totale Musical» auf der Bühne der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. (Quelle: dpa/J. Carstensen)

Feminismus mit dem Brecheisen

Lichtblick in diesem Anti-Musical mit Brecheisen-Feminismus ist der Volksbühnen-Star Kathrin Angerer. Als eine weitere der fünf Hyänen steigt sie irgendwann mit Schmollmund und blondem Gretchen-Zopf aus der Unterbühne empor und verleiht noch den oberflächlichsten Phrasen und langatmigsten Monologen einen charmant-ironischen Hintersinn à la René Pollesch. Das ist zwar nicht originell, aber immerhin amüsant.

Und auch der Schlagerstar Helene Fischer, zu dem die Kunstfigur Hyäne das feministische Gegenbild darstellen will, trägt zum Abend bei. Denn, das sagt eigentlich schon alles, ausgerechnet ihr Hit "Atemlos durch die Nacht" wird in der gecoverten Version zum musikalischen Höhepunkt: "Hodenlos an die Macht, bis die neue Zeit erwacht. Hodenlos vor uns liegt hell erstrahlt der Weg zum Sieg."

Viel Jubel, viele Buhs. Dann tritt die vermeintlich "echte" Hyäne Fischer aus den Videoclips auf die Bühne und lässt sich mit ihren Fans ablichten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.11.2022, 06.00 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    Erstaunlich, wieviel gegen Männer gerichteten Sexismus man unter dem Deckmantel der "Kunstfreiheit" verbreiten kann.

    Eine ähnliche Aufführung unter gegensätzlicher Geschlechts-/Gender-herabwürdigung hätte längst massive Proteste erfahren!

  2. 5.

    Wir waren bei der Premiere und waren super enttäuscht.
    Wir sind nach 20 Min. aus dem Saal gestürmt weil wir es nicht mehr ausgehalten haben. Das einzige was gut war, war der Chor im Hintergrund. Die wussten wenigstens wie man singt. Die Hauptsägerinnen haben sowas von schief und einfach nur falsch gesungen, das hat so sehr in den Ohren weg getan. Wie kann das sein, dass eine Volksbühne, Z-Sänger engagiert und dann noch die Dramaturgie und einfach nur zum kotzen! Eckelhaft, ich bin richtig sauer.Die Dialoge waren unverständlich, nicht nachvollziehbar und zu lang und einfach nur scheiße! Ich weiß bis heute nicht worum es ging. Keiner hats verstanden. Es gibt wirklich moderne Kunst die etwas vermitteln möchte oder auch nicht, aber das hier war einfach schlecht inzeniert, schlecht produziert und der ganze Inhalt war Mist! Man hätte die Chorsänger in den Vordergrund holen müssen, dann wäre das Programm erträglicher. Einfach nur Pfui!

  3. 4.

    Wir waren vor und nach der „Hyäne“ essen - das hat uns den Abend gerettet.

  4. 3.

    Betrifft hier die Volksbühne, o.k., das habe ich nicht beachtet, aber gut, auch Schauspiel mit Singeversuchen kann sehr befremdlich sein.
    Da fällt mir noch eine Story ein mit einem Besuch aus dem Ausland, einer Germanistin mit Englisch als Muttersprache. Wir im Schauspiel! Obwohl sie das Stück sehr gut kannte, wie sie uns später aufklärte, hatten wir alle Mühe, sie am Platz zu halten. Sie wollte voller Empörung das Stück verlassen. So haben alle aufgrund guter Erziehung bis zur Pause tapfer ausgeharrt. Nach dr Pause ganz klar ohne Rückkehr in den Saal. Dafür gab es in einem klitzkleinen Restaurant einen langen Abend über crazy germans theater. Irgendwie war das dann auch bildend. Will sagen, auch das Schauspiel wird oder wurde sehr kritisch gesehen.

  5. 2.

    Weil Kunst immer mehr auf Sexistische Dartsellung setzt u. ins Obszöne geht, gucke ich mir große Oper nach meinerWahl von Darstellungsform u. Bühnenbild aus dem Internet an.
    Der letzte Opernbesuch war in der DO und liegt mit einem preisgekrönten Bühnenbild und ebensolcher Regie mehr als 10 Jahre zurück.
    Ich bin nicht bereit, mein hart erarbeitetes Geld, für aktuelle Kunstblutschmierereien, Keifen und Kreischen udgl. auszugeben.
    Sorry, liebe Künstler.
    Was Letzteres Ihrer Einschätzung betrifft, kann ich aus o.g. Gründen nicht bewerten.

  6. 1.

    Kann man sich nur noch obszön und pervers ins Rampenlicht spielen? Und warum die Nazis, die Kommunisten unter Lenin oder Stalin wären doch auch mal ein Stück wert!

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