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Quelle: Staatsoper Berlin/Peter Adamik

Konzertkritik | Neujahrskonzert der Staatskapelle

Barenboims Rückkehr an die Staatsoper gerät zum Triumph

Nach langer Krankheit hat der 80-jährige Daniel Barenboim zum Jahreswechsel wieder dirigiert. Seine Interpretation von Beethovens Neunter Sinfonie geriet in der ausverkauften Staatsoper zu einem Riesenerfolg. Von Maria Ossowski

Es ist gut gegangen. Allen Gerüchten zum Trotz. Und nicht nur das: Daniel Barenboims erster Auftritt nach langen Monaten einer neurologischen Krankheit geriet zu einem Riesenpublikumserfolg. Mindestens zehn Minuten Ovationen im ausverkauften Saal nach dem strahlenden Finale freuten den 80-jährigen Chefdirigenten der Staatskapelle sichtlich.

In der Loge direkt über dem Orchester jubelten seine kleinen Enkelkinder. Der Rausch der Erleichterung, des Glücks, die Legende Barenboim nochmals erleben zu dürfen, zog sich durch den Saal. Es waren große Momente nach einer Anspannung, die das ganze Haus ergriffen hatte.

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"Alle Menschen werden Brüder" als conditio humana

Ein Stuhl auf dem Pult, aber kein Notenständer warteten, als das Orchester Platz genommen hatte. Dann trat Barenboim ein, langsamen Schrittes, aber aufrecht, keineswegs unsicher, eher erwartungsfroh. "Das Dirigieren kostet mich keine Energie, Musik schenkt mir Energie." Selten hat sein Credo sich so bewahrheitet wie bei diesem immerhin 87-minütigem Konzert. Barenboim wollte die Neunte, die er mehr als 50 Mal allein mit der Staatskapelle dirigiert hat, zu keinem heiteren Triumph der Verbrüderung werden lassen.

Er leitete diese politisch oft so aufgeladene "Jubelfeier des Seins" (Christine Eichel) ungewohnt langsam, fast suchend, tastend. Nicht der feurige, hochenergetische Barenboim präsentierte Beethovens Meisterwerk, sondern der nachdenkliche, gleichsam die Weltlage einbeziehende Musikphilosoph. "Alle Menschen werden Brüder" als conditio humana kann angesichts des kriegerischen Mordens in Europa nur fragend klingen. Und eben sehr viel langsamer, innerlicher und somit tiefsinniger.

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Eine kleine Meckerei sei erlaubt

"Altersweise" ist ein abgegriffener, hier falscher Begriff, außerdem hat Barenboim schon als junger Mann weise über Musik nachgedacht, was seine Bücher und Essays zeigen.

Er hat wie jeder große Künstler den "Weltinnenraum" befragt und Beethovens Werk rausgeholt aus aller Abgenudeltheit, die ihm leider anhaftet. Das birgt auch Gefahren in sich. Im Publikum zeigten zu viele Huster, dass der sehr ruhige, abgeklärte Energietransfer Richtung Saal hin und wieder nicht funktionierte. Das Finale mit dem einzigartig präzisen, hoch motivierten Staatsopernchor und den brillanten Solisten (Camilla Nylund, Marina Prudenskaya, Saimur Pirgu und René Pape) erklang endlich einmal wenig triumphal und schicksalsbesoffen.

Wenngleich, eine kleine Meckerei sei erlaubt, etwas zu laut, was allein an der Akustik des im Vergleich eher kleineren Saal liegt. Kurz: Barenboim hat es geschafft und allen Zweiflern und Kritikern gezeigt, dass Alter und Krankheit für ihn kein Grund sein müssen, dem aktiven Musikleben zu entsagen. Ob dies ein Signal ist, als Generalmusikdirektor wieder die Geschicke des Hauses zu bestimmen und regelmäßig aufzutreten, bleibt allerdings eine Frage, die bald entschieden werden muss.

Sendung: rbb24 Inforadio, 2.1.2023, 7.55 Uhr

Beitrag von Maria Ossowski

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