Ausstellung "Das Investment" von Jana Euler - Frisch aufgebrüht

Sa 14.10.23 | 17:01 Uhr | Von Julia Sie-Yong Fischer
Courtesy of the artist and Galerie Neu, Berlin. (Quelle: Stefan Korte)
Installationsansicht von "Das Investment" in der Galerie Neu. | Bild: Stefan Korte

Die Werke der Künstlerin Jana Euler in der Galerie Neu hinterfragen die Bedingungen unserer Leistungsgesellschaft. Inwiefern diese Malerei sinnlich, intellektuell und absurd komisch zugleich sein kann, hat sich Julia Sie-Yong Fischer genauer angeschaut.

Das titelgebende Werk der Ausstellung versteckt sich in einem ausliegenden Faltblatt. Dort ist die kaffeetrinkende Künstlerin winzig klein an dem real existierenden Kiosk namens "Das Investment" im Frankfurter Hochhausviertel zu sehen. Die Bilder der Ausstellung hingegen müssen nicht lange gesucht werden: Großformatig und farbenprächtig dominieren sie den großzügigen Galerieraum, ein ehemaliges DDR-Heizkraftwerk im Hinterhof der Linienstraße in Berlin-Mitte. Durch den gesamten Bereich schlängelt sich eine s-förmige Mauer aus Naturstein in Kniehöhe, die zum Sitzen einladen soll.

Gleich am Eingang hängt das Gemälde "Barista unplugged"(2023). Auf dem fast drei Meter hohen Bild ist eine imaginierte Kaffeemaschine zu sehen, die von zwei überdimensional großen Kaffeebohnen gespeist wird. Das dampfende Heißgetränk spritzt dynamisch in die Gefäße, während zwei zischende Düsen den Siebträger von beiden Seiten erhitzen. Die Ausstattungsmerkmale des Geräts sind so exzentrisch dargestellt, dass ihre Funktionalität zurecht angezweifelt werden kann.

Titel: Barista unplugged. Acryl auf Leinen, 280x 190 cm. Courtesy of the artist and Galerie, Berlin. (Quelle: Stefan Korte)
Barista unplugged, 2023 | Bild: Stefan Korte

Intime Energiequelle

Kern von Eulers künstlerischer Untersuchung ist die Frage nach dem Ursprung von Energie, die auch für diese Ausstellung die Grundlage bildet. Eine ältere Serie, die eben jenen Titel "Where the energy comes from" (2014) trägt, zeigt realistisch gemalte Modelle von Elektrosteckdosen im Großformat. Eine naive, fast kindliche Lösung so scheint es, die aber auf den zweiten Blick eine kritische Beschäftigung mit Kraftquellen jeglicher Art zulässt.

Für "Das Investment" nimmt sich die Malerin das Thema des Energielieferanten Kaffee vor, der den menschlichen Alltag im Kampf gegen die Müdigkeit ständig begleitet. Im Hauptraum zeigen drei Ölgemälde "Coffee bean – Where the energy comes from 2-4" (2023) überdimensional vergrößerte Kaffeebohnen. Die unregelmäßige Oberfläche ist detailliert herausgearbeitet, löst sich teilweise in nervöse, einzelne Pinselstriche auf. Alle drei Tableaus ähneln sich zwar, können jedoch deutlich voneinander unterschieden werden. Der Makro-Effekt dieser hyperrealistischen Malerei ist beeindruckend: Die Bohnen strahlen eine nahezu körperliche Intimität aus.

Mahlen und Malen

Das koffeinhaltige Lieblingsgetränk der Deutschen dient üblicherweise dazu, Energie zu steigern um Produktivität anzukurbeln. Es bleibt zu vermuten, dass die international erfolgreiche Künstlerin selbst einiges an Kaffee bei ihrem enormen Arbeitspensum konsumiert hat. Denn auch die Kunst und der kapitalistische Kunstmarkt fordern von ihren Produzent:innen eine überhöhte Leistungsbereitschaft ein. Gleichzeitig ist die Kaffeebohne selbst eine Handelsware, die historisch mit kolonialer Ausbeutung bis in die Gegenwart verbunden ist.

Ihr direkte Verknüpfung mit der hiesigen Milchindustrie verdeutlicht das Bild "With or without" (2023). Eine völlig erschöpfte Milchkuh mit Augenringen muss sich an ihrem Arbeitsplatz, einer grünen Wiese, erstmal hinsetzen. Natürlich braucht auch sie einen heißen Aufputscher to go. Ob sie ihn mit ihrer eigenen Milch trinkt, löst Euler für die Betrachtung nicht auf. Vielmehr entmystifiziert sie die Ausbeutung des Tiers hinter der Höflichkeitsfrage: Mit oder ohne Milch?

Trotz der Schwere ihrer Themen schafft Euler es immer wieder, durch aberwitzige Titel und eine comichafte Machart die Betrachter:innen zum Schmunzeln zu bringen. So lautet der Name des größten Bilds "Female Brush painting a female brush with a female brush at the dentist‘s office"(2023) welcher wortwörtlich und völlig grotesk auf der Leinwand wiedergegeben wird: Die weiblichen Pinsel sind Selbstporträts der Künstlerin, die nicht nur sich selber erschaffen, sondern gleichzeitig auch das eigene Werkzeug darstellen. Durch die kalte Atmosphäre der Zahnarztpraxis und die Angespanntheit der Protagonistinnen wird der bizarre Moment zu einer strengen Geschlechteranalyse von Malerinnen in der Kunstwelt.

"Female brush painting a female brush with a female brush at the dentist´s office", Öl auf Leinwand, 300 x 300 cm, 2023. Courtesy of the artist and Galerie Neu, Berlin. (Quelle: Stefan Korte)Female brush painting a female brush with a female brush at the dentist´s office, 2023

Skurrile Ernsthaftigkeit

Die Betrachtung von Geschlechterverhältnissen war auch bei ihrer letzten Ausstellung "Great white fear"(2019) in der Galerie Neu ein zentrales Thema. Dort zeigte sie acht Tafeln mit riesigen, phallischen Haien, die aus dem Wasser stoben. Diese Bilder bedurften keiner Erklärung, um Assoziationen von patriarchaler Brutalität eindrücklich zu vermitteln.

Gewalt ist bei "Das Investment" eher indirekt im Kontext des menschlichen Alltags und der kollektiven Verdrängung von gesellschaftlichen Missständen zu finden. Die Stärke von Jana Eulers Malerei liegt in ihrer kompromisslosen Präsenz und Aktualität. Ihre Kunst ist ein offenes Angebot an ein großes Publikum, sich spielerisch oder ernsthaft mit ihrer facettenreichen Ausführung und ihren komplexen Inhalten auseinanderzusetzen.

Die Ausstellung "Das Investment" ist vom 14. Oktober bis 2. Dezember 2023 in der Galerie Neu, Linienstr. 119 abc, in Berlin-Mitte zu sehen. Eröffnung 14.10.2023 von 18 bis 21 Uhr.

Sendung: Fritz, 14.10.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Julia Sie-Yong Fischer

Nächster Artikel