Stefan Lukschy war über viele Jahre Co-Regisseur von Vicco von Bülow alias Loriot. Beide waren aber auch Freunde. Zum 100. Geburtstag Loriots spricht Lukschy darüber, was die Komik von Bülows ausgemacht hat und wie es war, mit ihm zu arbeiten.
rbb|24: Herr Lukschy, wann war Ihre erste persönliche Begegnung mit Loriot?
Stefan Lukschy: Ich glaube, 1975, als ich anfing, mit ihm zu arbeiten. Da war ich aber schon Jahre ein riesiger Fan von ihm.
Zur Person
Der Berliner Stefan Lukschy (Jahrgang 1948) ist ein deutscher Regisseur sowie Film- und Fernsehautor. An der für Radio Bremen in den 1970ern konzipierten und erstellten Fernsehserie "Loriot" wirkte er maßgeblich mit. Lukschy ist Mitglied der Deutschen Filmakademie.
Wie war Ihre erste Zusammenarbeit mit Loriot?
Das war in Bremen, als wir sechs legendäre Fernsehsendungen gemacht haben mit den ganzen großen klassischen Sketchen, mit der Nudel, mit dem Lottogewinner, mit den Kosakenzipfeln – you name it. Das haben wir alles zusammen gemacht. Ich war sein Extra-Mitarbeiter, sein Regieassistent, sein Cutter, sein Dramaturg und dann relativ bald auch ein guter Freund.
Durften Sie ihn denn duzen?
Selbst, nachdem wir festgestellt haben, dass wir entfernt verwandt sind – sein einer Großvater war verwandt mit meinem Großvater – haben wir uns erst einmal weiter gesiezt. Dann haben meine Freundin und seine Frau bei einem gemeinsamen Essen gesagt, ihr müsst euch jetzt mal duzen, das geht ja nicht so weiter.
Dann wurde angestoßen: Ich heiße Vicco, ich heiße Stefan, Wohlsein – alles schön ironisch. Die beiden Damen verschwanden dann mal kurz. Und dann haben wir uns heimlich wieder gesiezt, weil es so ungewohnt war und er siezte halt alle im Team. Beim Film duzen sich eigentlich alle. Er war der große Siezer. Und zwar sagte er, wenn man sich siezt, sei es komischer. Es gibt einfach mehr komische Situationen.
Was hat seine Komik ausgemacht?
Seine Komik hat ausgemacht, dass er im Grunde genommen kleine, tragische Geschichten erzählt hat, die nur um ein Stück aus der Achse gerückt waren und dadurch wahnsinnig komisch wurden. Es war nie die Komik eines gespielten Witzes, wie es in vielen Sketchen so ist. Es war immer eine Situation. Es war ein kommunikatives Missverständnis, die Gesprächsverknotungen in Beziehungen war natürlich eines seiner Lieblingsthemen. Und dann hat er der deutschen Sprache so wunderbare Sätze oder Worte abgeluchst wie Auslegeware und Sitzgruppe. Plötzlich waren es komische Worte, Worte, die aus der Katalogsprache oder aus der Verkäufersprache kommen.
Der langjährige Unterhaltungschef von Radio Bremen, Jürgen Breest, sagte mal, dass Loriot andere seine adelige Herkunft spüren ließ. Empfanden Sie das auch so?
Loriot hat den Adeligen nicht wirklich raushängen lassen. Er war auch nicht arrogant, sondern er war voller Empathie für Menschen. Aber er hatte natürlich einen sehr exquisiten Geschmack und kannte sich sehr genau in der ganzen Etikette aus. Er war wirklich old-school im besten Sinne.
Er hat es nie benutzt, um plötzlich besser als seine Umwelt dazustehen. Er war eigentlich auch im Privaten relativ bescheiden. Natürlich wohnte er in einem schönen Haus. Aber es war nicht so, dass er protzend rumging und sagte, guck mal hier, ich habe einen tollen Jaguar vor der Tür stehen oder so. Er fand, dass der Jaguar ein schönes Auto war. Also kaufte er sich einen Jaguar, weil er erfolgreich war und das Geld hatte. Aber er hat diese Sachen nie als Statussymbol genutzt.
Loriot war sehr penibel und akribisch, ließ er dem Regieassistenten oder Cutter freie Hand? Hat er Ihnen nicht immer auf die Finger geguckt?
Loriot brauchte einen Sparringspartner. Ich war eigentlich im technischen Sinne kein guter Regieassistent. Aber ich war ein künstlerisches Gegenüber für ihn, mit dem er seine Zweifel teilen konnte. Und das war eigentlich das Wichtige. Ich habe ihn manchmal dazu gebracht, dass er mich nach meiner Meinung fragte. Er las mir dann Texte vor und ich sagte, das ist schön, das kannst du aber noch besser. Und dann hat er sich Mühe gegeben. Er wollte dann auch, dass es besser wird.
Beim Schneiden war er sehr genau. Das war nicht so, dass man wirklich frei arbeiten konnte. Er hat immer sehr genau draufgeguckt. Wir haben früher ja noch mit Film und Klebepresse geschnitten. Da habe ich einen Schnitt gemacht. Und dann sagte er, also so richtig glücklich bin ich nicht. Und dann haben wir bildweise den Schnitt nach rechts und nach links verschoben. Zum Schluss war der Film wirklich völlig verkrumpelt, aber wir kamen dann zu einer Lösung, und Loriot sagte, so jetzt ist es gut. Am Ende war es genau die Stelle, wo meine erste Schnittmarke war. Darauf war ich schon sehr stolz.
Das Leben und Werk des Vicco von Bülow
Bild: dpa/G. Göbel
Vicco von Bülow im Arbeitszimmer seines Hauses in Ammerland bei München, Archivbild vom 22.3.1973: Unter dem Pseudonym Loriot macht sich der Karikaturist, Autor, Regisseur und Schauspieler bereits in den 1950er Jahren einen Namen mit seinen Cartoons, später auch mit seinen Sketchen sowie den Komödien "Ödipussi" und "Pappa ante portas". Am 12. November 2023 wäre der Humorist 100 Jahre alt geworden.
Bild: dpa/Bernd Settnik
Geboren wird von Bülow in Brandenburg an der Havel, wächst aber in Berlin auf. Er schlägt nach Familientradition die Offizierslaufbahn ein, wird im Zweiten Weltkrieg drei Jahre lang an der Ostfront eingesetzt. "Für den schauerlichen deutschen Beitrag zur Weltgeschichte werde ich mich schämen bis an mein Lebensende", hat er später gesagt. Nach seinem Abitur 1946 studiert er Malerei und Grafik.
Bild: rbb/ Radio Bremen
Woher kommt eigentlich der Name? Loriot ist das französische Wort für den Vogel Pirol - und der ist das Wappentier der Familie von Bülow, einem alten Mecklenburger Adelsgeschlecht. Seit seiner Zeit als Cartoonist für Zeitschriften wie den "Stern" nutzt von Bülow dieses Pseudonym.
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1974 wird Loriot von Dieter Ertel (rechts) zum Sender Radio Bremen geholt. Dort bekommt er große künstlerische Freiheiten und entwickelt unter anderem die Fernsehserie "Loriot bei Radio Bremen". In der Sendung wechseln sich kurze gespielte Sketche und kleine Trickfilme ab. Auch sein zeichnerisches Talent kann er hier ausleben.
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Loriot dirigiert als Mechaniker die Münchner Philharmoniker und versucht währenddessen eine Fliege zu fangen. Der Auftritt am 9. Dezember 1984 war Teil der Benefizshow "Stars in der Manege" im Circus Krone in München.
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Beliebter Gast im Fernsehen: Loriot und die Sängerin und Schauspielerin Nina Hagen sitzen 1988 gemeinsam auf dem Show-Sofa der Spielshow "Wetten, dass..?" in Berlin.
Bild: dpa/IFTN
Bei den Schwiegereltern in spe wird's chaotisch: 1988 erscheint die Komödie "Ödipussi". Es ist der erste Spielfilm von und mit Loriot. Loriot schreibt das Drehbuch, führt Regie und spielt die Hauptrolle als Paul Winkelmann. Der Titel "Ödipussi" ist ein Wortspiel aus Ödipuskomplex und dem Kosenamen "Pussi". So bezeichnet die Mutter ihren Sohn, den Protagonisten Paul Winkelmann, im Film.
Bild: dpa/kpa
"Pappa Ante Portas" ist der zweite Spielfilm von Loriot. In der Komödie von 1991 spielt er den frühpensionierten Abteilungsleiter Heinrich Lohse, sowie drei weitere Rollen, unter anderem die des Opa Hoppenstedt. Der Filmtitel ist eine Anspielung auf das geflügelte Wort "Hannibal ante portas!" ("Hannibal vor den Toren!"). Laut Loriot sei dies "der populärste Angstruf einer Familie" in der Geschichte und passe gut zum Plot des Films.
Bild: dpa/Valdmanis
Ikonen des deutschen Humors: Otto Waalkes und Loriot auf einer Veranstaltung im Jahr 1994.
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Vicco von Bülow und Ehefrau Rose-Marie von Bülow sind bei der Verleihung der Goldenen Kamera 2003 im Schauspielhaus Berlin zu Gast. Der Schauspieler und Regisseur wird 80-jährig mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet.
Bild: dpa/Eventpress
Grund zum Feiern: Erst wird "Loriot – Candide" in der Philharmonie mit den Berliner Symphonikern aufgeführt, anschließend gibt es ein Ehrendinner für Loriot auf Einladung von Frankreichs damaligem Botschafter Claude Martin. Mehr als 150 Prominente aus Show und Politik folgen der Einladung, darunter auch Iris Berben (links) und Angela Merkel (Mitte). Die Veranstaltung findet im Jahr 2005 statt.
Bild: dpa/Eventpress
Loriot in einer seiner zahlreichen Sketchrollen: das Filmmonster. Seine Sketchpartnerin Evelyn Hamann spielt eine Reporterin, die den Horrorfilm-Darsteller Vic Dorn (Loriot) interviewt. Während des Interviews wird klar, dass das unansehnliche Gesicht keine Maske ist. Ausgestrahlt wurde der Sketch erstmalig im Jahr 1977.
Bild: dpa/Ruddies
Loriot und seine langjährige Bühnenpartnerin auf dem berühmten grünen Sofa (1989). In dieser Kulisse moderieren beide die Sketche der Radio Bremen-Sendung "Loriot" an. Seit 2011 steht das grüne Sofa im Foyer von Radio Bremen. Eine Bronzenachbildung mit Mops steht vor dem Funkhaus in Bremen.
Bild: www.imago-images.de
Am 22. August 2011 stirbt Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow in seinem oberbayerischen Wohnort Ammerland am Starnberger See. Seine letzte Ruhe findet er in Berlin, auf den ersten Blick weist am Grab auf dem Friedhof Heerstraße im Westend nichts auf die Berühmtheit hin. Auf den zweiten schon: Man beachte die kleinen Gummientchen und die Tasse mit Mopsaufdruck auf dem Grabstein. Eine Kombination, die Loriot wohl gefallen hätte.
Bild: dpa/Photothek/Thomas Imo
Seit 2015 sind in von Bülows Geburtsort Brandenburg an der Havel 25 von der Künstlerin Clara Walter geschaffene Bronze-Skulpturen zu finden. Die "Waldmöpse" sollen an den Komiker und Ehrenbürger der Stadt erinnern und sind auf einem Rundweg zu entdecken. | Weitere Bildergalerien
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Mit der "Jodelschule" hat Loriot sich m. E. doch über diese Spießbürgerlichkeit der gut situierten Mittelständler lustig gemacht. Denn die Frau hat mit dem "Jodeldiplom"eben nichts "Eigenes", das ihre Freizeit sinnvoll ausfüllt, sondern ist sich ihrer selbst offenbar nicht bewusst und nur Anhängsel ihres "Versorgers". So hat diese an der Oberfläche recht grotesk anmutende Humoreske auch einen gewissen bitteren Unterton, Maria.
Oder es war eben genau anders und er hat dieses "Jodeldiplom" genau so entlarvend gemeint, wie Sie es für sich und Ihr vermeintlich überlegenes Verständnis in Anspruch nehmen. Eine nachfolgende Sketchszene, wo der Mann der Frau mit Jodeldiplom gegenüber dem Reporter ständig über den Mund fährt, macht dies m.E. sehr deutlich.
10.
Bei Loriot schwanke ich noch immer: Einige seiner Werke waren genial, einige erschreckend platt. Letzteres vielleicht, aber nicht sicher, absichtlich. Es entlarvt dann aber trotzdem die Zuschauer: Wer lacht bei was am meisten. Wer lacht bei was überhaupt.
Auch seine humoristischen Beiträge zu Frauen-/Gleichberechtigungsthemen wurden schon oft kritisch betrachtet, da sie misogyne Einstellungen eher etablierten, denn wirklich hinterfragten. Insbesondere mit dem Wort "Jodeldiplom" wurden Frauen in der BRD, die sich beruflich von ihre Ehemännern emanzipieren wollten, sehr lange versucht lächerlich zu machen. Versteckt und ganz offen.
9.
Manchmal kommt es hier im Forum, nicht bei dem Thema jetzt, vor, als wurde "Herren im Bad" doch zu sehr verinnerlicht. ;-)
8.
"Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur saugen kann."
Also, ich finde diese süße kleine und durchaus, ähem, sexuell konnotierte Humoreske vom lebensfrohen Sprachgenie Loriot ja besonders schön. ;)
7.
Ich kann mich bei den besten Humorarbeitern meiner Kindheit immer nicht entscheiden zwischen Heinz Erhardt und Vicco von Bülow, finde beide Weltklasse als exakte Humoristen und Beobachter - ein jeder hat seine ganz speziellen Fähigkeiten und ich liebe auch die Zeichnungen und Bücher mit wertvoller Lebenshilfe genauso wie absurde Gedichte. Vielleicht gibt's am 12. ja dann lecker Nilpferd in Burgunder und zum Nachtisch die sagenhafte Stachelschweinkaltschale ;-)
In diesem Sinne: "Eins hinten drauf!" oder: "Mit Ihnen trink' ich am liebsten"
6.
Ach ist das herrlich, was sind mir gerade wieder für Szenen vor dem inneren Auge abgelaufen:......"ich heiße Erwin Lottemann, ääääh Lindemann".......oder auch unvergessen......."das Bild hängt schief". Was habe ich gelacht über diese Szenen, danke dem rbb für dieses Interview. Das Dinner mit der wandernden Nudel bleibt für mich auch unvergessen. Dass Vicco von Bülow dann am Set auch noch alle gesiezt hat, weil "es komischer sei" passt irgendwie und rundet das Bild ab.
5.
Ach ist das herrlich, was sind mir gerade wieder für Szenen vor dem inneren Auge abgelaufen:......"ich heiße Erwin Lottemann, ääääh Lindemann".......oder auch unvergessen......."das Bild hängt schief". Was habe ich gelacht über diese Szenen, danke dem rbb für dieses Interview. Das Dinner mit der wandernden Nudel bleibt für mich auch unvergessen. Dass Vicco von Bülow dann am Set auch noch alle gesiezt hat, weil "es komischer sei" passt irgendwie und rundet das Bild ab.
Ich war bei der Übergabe seiner leider nur kurzen Professur an der Hochschule der Künste dabei. Als der Präsident ihn auf dem Podium fragte, was ihn denn zur HdK bewegte, entgegnete er mit seinem typisch trockenem Humor: lassen sie mich überlegen. Ich ging meiner Wohnung in der Fasanenstr. Richtung Kurfürstendamm zur Uhlandstr. und bog dann links ab auf die Hardenbergstr. und sitze jetzt neben ihnen. Der Saal tobte vor Lachen. Danke Loriot
1.
Danke für das schöne Interview, ich stelle mir das Erzählte zwischen Loriot und S.Luschky gerade bildlich vor - köstlich ;-)