25 Jahre Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus - "Demokratie ist keine Verschwörung"

Fr 17.06.22 | 06:07 Uhr | Von Amelie Ernst
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Symbolbild: Neonazis mit einer Reichskriegsflagge (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Bild: dpa/Patrick Pleul

Das Brandenburger Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit gibt es seit 1997. Anlass für die Gründung war eine Welle rechtsextremer Gewalttaten. Ihre Zahl sank zwischenzeitlich - stieg aber zuletzt. Von Amelie Ernst

"Baseballschlägerjahre" wird die Zeit Mitte der 1990er Jahre in Brandenburg genannt – nicht nur in der gleichnamigen rbb-Doku-Reihe. Einen Tiefpunkt erlebte die rechtsextreme Gewalt 1996: Ein 19-Jähriger versuchte, eine Türkin zu überfahren. Der Brite Noel Martin überlebte einen Neonazi-Angriff nur knapp und blieb bis zu seinem Tod 2020 querschnittsgelähmt. Der Italiener Orazio Giamblanco wurde bei einem rechtsextremen Überfall südlich von Berlin schwer verletzt. Und der Punk Sven Beuter starb nach einem Neonazi-Angriff in Brandenburg an der Havel.

Als Reaktion auf all das gründeten 29 Verbände am 22. Mai 1997 das Brandenburger Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Initiative ging vom damaligen SPD-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und der Ausländerbeauftragten Almuth Berger aus. "Wir wollen den Tätern und geistigen Vorbildern zeigen, dass sie in Brandenburg keine schweigende Mehrheit finden", so Stolpe zum Start. Auch der damalige Brandenburger Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg forderte neben staatlichen Repressionen ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen rechte Gewalt.

Bunte Plakate gegen Rechts

Das Aktionsbündnis, dessen Vorsitzende seit der Gründung aus der evangelischen Kirche kommen, hat inzwischen knapp 90 Mitglieder – der Landessportbund ist ebenso dabei wie der Verband der Musik- und Kunstschulen und der Deutsche Richterbund. Auch das Themenspektrum hat sich erweitert: So informieren die Mitarbeiter:innen inzwischen auch über die rechtsextreme Vereinnahmung von Corona-Protesten, über Verschwörungserzählungen und unterstützen die Verlegung von sogenannten Stolpersteinen, die an Opfer des Holocaust zur Zeit des Nationalsozialismus erinnern.

Regelmäßig ist das Aktionsbündnis mit dem Landesjugendring und der gemeinsamen Kampagne "Schöner Leben ohne Nazis" in Brandenburg unterwegs. Neuester Slogan: "Demokratie ist keine Verschwörung, sondern ein Versprechen". Die Plakate mit dem grell-pinken Schriftzug fallen auf und sehen eher nach Werbung für ein Musikfestival aus.

Zahl der Rechtsextremisten konstant hoch

In Jugendclubs und Vereinen will man Jugendliche ermutigen, sich klar gegen Rechtsextremismus zu stellen. Auch Verschwörungsmythen und Fake News werden diskutiert – in diesem Sommer beispielsweise in Bad Wilsnack, Bad Freienwalde, Templin und Wusterhausen [aktionsbuendnis-brandenburg.de]. Außerdem stellte sich das Aktionsbündnis zuletzt hinter Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten, die von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten angefeindet wurden.

Die Zahl der rechtsextremen Gewaltstraftaten ist zuletzt allerdings wieder gestiegen: 108 zählte das Brandenburger Innenministerium 2021 – 39 mehr als im Jahr davor. Die Zahl der Rechtsextremisten ist konstant hoch, liegt bei rund 2.800. Und mit der AfD sitzt inzwischen eine Partei im Brandenburger Landtag, deren Landesverband als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Was also hat das Bündnis bewirkt?

In jedem Fall sei es gelungen, große Teile der Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu vernetzen, sagt die Leiterin der Potsdamer Geschäftsstelle des Aktionsbündnisses, Frauke Büttner. Brandenburg sei gut aufgestellt für die Auseinandersetzung mit antidemokratischen Angriffen, die immer wieder sichtbar würden. Es gebe das Handlungskonzept "Tolerantes Brandenburg" der Landesregierung und eine Antirassismusklausel in der Landesverfassung, die nun auch um den Kampf gegen Antisemitismus und Antiziganismus ergänzt werden solle.

Außerdem, so Büttner, habe das Aktionsbündnis auch immer auf blinde Stellen aufmerksam gemacht - etwa auf die Verstrickungen des NSU in die neonazistischen Netzwerke in Brandenburg.

Ein ähnliches großes Anti-Rassismus-Netzwerk wie das Brandenburger gibt es in anderen Bundesländern kaum – auch das soll beim 25-Jahre-Jubiläum an diesem Freitag gefeiert werden.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.06.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Amelie Ernst

2 Kommentare

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  1. 2.

    Ein Aktionsbündnis das sich gegen jegliche Gewalt richtet wäre für mich glaubhafter. Bündnisse die sich nur gegen Gewalt aus einer bestimmten Richtung und gegen bestimmte Personen engagieren sind dann keinen Bündnisse die ewalt bekämpfen.

  2. 1.

    Es sind offenbar die links Liegengelassenen, die sich an den Lagerfeuern der Rechtsextremisten zu Winters Zeiten die Füße wärmen.

    Die Abgekoppeltheit ganzer Landstriche infolge des Umbruchs 1989 und mehr noch 1990 ff wie auch die vorherige autoritäre Fixierung in sämtlichen Bereichen geht seit Jz. eine faktische Verbindung ein. Da, wo schon immer klar, was einzig richtig und definitiv falsch ist, können sich derartige Denkhaltungen eher verbreiten als dort, wo Meinungen am Ende eines persönl. Abwägungsprozesses stehen und auch da nur als vorläufig gelten.

    Gesellschaft ist etwas ganz anderes als eine Maschine, bei der nur ein Hebel umgelegt, ein Knöpfchen gedrückt oder ein neues Programm werkeln muss. Eine Gesellschaft wird nie hundertprozentig "funktionieren". Das will in manche Dickschädel nicht rein. Da sind die Störenfriede ausgemacht.

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