Licht aus an 200 Berliner Gebäuden - "Permanentes Licht tut nicht gut"

Do 28.07.22 | 07:56 Uhr | Von Kira Pieper
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Luftaufnahme Berliner Fernsehturm (©C Kyba / FU Berlin)
Video: rbb24 Abendschau | 28.07.2022 | Bild: ©C Kyba / FU Berlin

Der Senat knipst bei mehr als 200 Gebäuden das Licht aus. Werden wir so viel Energie einsparen und vielleicht sogar mehr Sterne über der Hauptstadt sehen? Das eher nicht, sagt der Lichtforscher Christopher Kyba. Und dennoch erwartet er einen großen Effekt. Von Kira Pieper

Berlin von oben bei Nacht: Bislang konnten sich sogar Laien leicht orientieren. Denn bekannte Bauwerke wie das Rote Rathaus, die Siegessäule oder der Dom waren stets hell erleuchtet. Das wird sich nun ändern. Denn um Energie zu sparen, werden an diesen und anderen bekannten Bauwerken fortan die Lichter ausgeknipst. Angesichts der Energiekrise wolle man möglichst sorgsam mit der Energie umgehen, sagte die Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) am Mittwoch. Und ergänzt: die öffentliche Hand habe Vorbildfunktion.

Man werde durch die Aktion sicherlich kein ganzes Kernkraftwerk einsparen, sagt der Lichtforscher Christopher Kyba auf Nachfrage von rbb|24. Und auch der Sternenhimmel über Berlin werde nun nicht üppiger ausfallen. Und dennoch: Der Vorstoß werde eine große Wirkung haben, zeigt sich der Kanadier, der am Deutschen Geoforschungsinstitut (GfZ) in Potsdam tätig ist, sicher. Denn die Lichter an bedeutenden Gebäuden auszulassen, halte auch er für ein wichtiges Signal.

Ungesundes Leben im Licht

"Die Menschen werden sich Gedanken machen und überlegen: Muss ich die Fassade meines Hauses wirklich anleuchten? Oder: Muss das Schaufenster meines Ladens die ganze Nacht beleuchtet sein?", so der Experte. Wenn viele Berliner:innen schließlich beim Energiesparen mitmachten, könne das ein großes Einsparungspotential bedeuten. Der Wissenschaftler hält es seinen Worten zufolge für möglich, dass sich auch andere Metropolen Europas ein Beispiel an Berlin nehmen könnten.

Dass die Lichter vermehrt ausbleiben, interessiert den Wissenschaftler nicht nur wegen des Energiesparpotenzials. Seine Forschung dreht sich vor allem um das Thema Lichtverschmutzung. Und diese ist in Berlin zweifelsohne vorhanden: Denn wirklich dunkel ist es in der Hauptstadt nie. Das sei ein Problem für Tiere, Pflanzen und auch den Menschen, so Kyba. Denn: "Lebewesen leben in Zyklen", erklärt er. Sie bräuchten klare Signale, um zu wissen, wann Tag und Nacht sei, wann Frühling und Winter. Nur so wissen sie, was wann zu tun ist: Wann ist Schlafenszeit, wann Zeit aufzustehen? Wann ist es Zeit für den Winterschlaf oder in den Süden zu fliegen? Permanentes Licht tut nicht gut. Und führt zum Beispiel dazu, dass der Mensch immer weniger schläft. Der Körper ist durcheinander. "Weil wir Tag und Nacht künstliches Licht um uns haben", sagt der Forscher.

Beleuchtete Häuser als Todesfalle

Die Auswirkungen können auch in der Tier- und Pflanzenwelt dramatisch sein. Vor allem im Herbst verenden in Städten oft hunderte Vögel an permanent beleuchteten Häuserfassaden, erläutert der Lichtforscher. Auch der Nabu warnt diesbezüglich: Vögel verlieren durch das Licht die Orientierung und fliegen in das Licht hinein. Bei Fledermäusen ist es ähnlich. Insekten tummeln sich zuerst im Licht der Straßenbeleuchtung, um dann in deren Hitze zu verenden. Diese Liste ließe sich noch weiterführen.

Man muss der deutschen Hauptstadt immerhin zugute heißen, dass sie im internationalen Vergleich in puncto Lichtverschmutzung nicht zu den Spitzenreitern gehört. Städte in Kanada oder den USA seien oft viel heller und intensiver erleuchtet als Berlin, sagt Christopher Kyba. Und sogar im Europavergleich geht Berlin mit dem Licht eher sparsam um. So sei beispielsweise der Berliner Ring nachts nicht beleuchtet. "Die Autobahnen in den Niederlanden und Belgien kommen indes nicht ohne Beleuchtung aus", sagt der Lichtforscher.

Licht muss nicht Tag und Nacht brennen

Das soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bezüglich der Beleuchtung Optimierungsbedarf gibt. "Straßen brauchen kein Licht. Der Mensch braucht Licht", sagt Kyba. Und meint damit: Das Licht muss an sein, wenn der Mensch es brauche, das bedeute aber nicht, dass es Tag und Nacht brennen müsse. Möglich wären Lichtkonzepte mit Bewegungsmeldern. Außerdem sei wichtig, dass das Licht nach unten strahle und nicht nach oben, denn gerade dort sorge es für Irritationen.

Großes Potenzial sieht der Forscher allerdings gar nicht primär beim Ausknipsen bekannter Berliner Gebäude, wie er sagt. Auch wenn es in Berlin eine Besonderheit gebe: "Die historischen Gebäude sind hier heller erleuchtet als die restlichen Gebäude in der Stadt", so Kyba. Aber: Da es unzählige Lichtreklamen und beleuchtete Schaufenster gebe, gebe es vor allem hier noch viel Einsparungspotenzial.

Vorreiterstadt Fulda

Auf die Frage, ob es irgendwo auf der Welt eine Stadt gibt, die für ihn in puncto Beleuchtung eine Vorbildfunktion einnehme, gibt der Forscher eine eindeutige und schnelle Antwort: "Die gibt es. Da müssen wir noch nicht mal international werden. Fulda hat ein richtig gutes Beleuchtungskonzept. Hier haben sämtliche Stellen wie Stadt, Handelskammer und Leuchthersteller schon früh eng zusammengearbeitet." Nicht umsonst ist Fulda zur Sternenstadt gekürt worden.

 

Sendung: rbb24 Abendschau, 28.07.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Kira Pieper

75 Kommentare

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  1. 75.

    "Allerdings sind die Leute dort auch entspannter." Wer Fulda mit Berlin vergleicht, der ist mehr als "entspannt".

  2. 74.

    "Wir haben in der Bundesrepublik immer noch ,,deutsche Grundrechte,,. Recht auf Licht in der Nacht, Recht auf einen eigenen Pkw, Recht auf einen billigen Anwohnerparkplatz, etc."

    Falls sie das wider Erwarten ernst meinen zeigen sie uns doch mal bitte den entsprechenden Passus im GG, danke.

  3. 73.

    Wo genau sind diese von Ihnen genannten "Deutschen Grundrechte" niedergeschrieben? Und wo kann ich mein Recht auf weisse Socken in Sandalen, billiges Bier, lautes Modern Talking hören nach 22:00 etc. einklagen, Ralf?

  4. 72.

    Zitat: ". . . ansonsten befinden wir uns im Status eines Waffenstillstands. Laut meine länger zurück liegenden Schulbildung,woran aber nur unwesentlich kaum etwas geändert wurde.Friedensvertrag gesamt Deutschland 4 Mächte ??"

    Hitlerdeutschland hat '45 kapituliert und dieses Deutschland gab es danach nicht mehr. In der Folge wurden zwei neue Staaten gegründet, die sich nicht wie von Ihnen behauptet in einem Waffenstillstand mit den Alliierten befanden. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass Ihnen das mit dem I. E. bis heute geltenden "ruhenden Kriegszustand" in der Schule beigebracht wurde.

  5. 71.

    Ja, was kostet die Errichtung eines Anwohnerparklatzes durch die Allgemeinheit: vielleicht 10 - 15 Tausend Euro ??? Was kosten dazu noch, die 12 Quadratmeter Anwohnerparkplatz pro Quadratmeter in der Berliner Innenstadt: wahrscheinlich nochmal zwischen 1000 und 12000 Euro pro Quadratmeter ?

  6. 70.

    "... Recht auf einen billigen Anwohnerparkplatz ..."
    Auf Anwohnerparkplatz evtl., aber auf BILLIG?

  7. 69.

    Wir haben in der Bundesrepublik immer noch ,,deutsche Grundrechte,,. Recht auf Licht in der Nacht, Recht auf einen eigenen Pkw, Recht auf einen billigen Anwohnerparkplatz, etc.

  8. 68.

    Meine Oma wird richtig wild, wenn die nicht bei voller Straßenbeleuchtung, morgens abends oder in der Nacht, draußen umherlaufen kann. Also: Licht an für Omi und Opi.

  9. 67.

    Nächtliche Beleuchtung komplett aus, ist gut für unser Klima und für unsere Natur und Umwelt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

  10. 66.

    Sowohl meine Mutter als auch mein Vater sind über 70 und gehbehindert. Ich möchte nicht, dass sie auf schlecht beleuchteten und mit Stolperfallen übersäten Gehwegen stürzen. Gut ausgeleuchtete Gehwege helfen dabei, Stürze zu verhindern. Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Warum wollen Sie diese Gefahr mit aller Kraft wegdiskutieren?

  11. 65.

    Nicht nur in Finnland auch im Rest von Deutschland wird das so gemacht, außer in Berlin offensichtlich, wenn das hier erst noch gefordert werden muss.
    Gelb blinkend auch nur für kurze Zeit, danach ganz aus.

  12. 64.

    Ja handwerklich werden bei der Umrüstung längst nicht alle Möglichkeiten der LED Technik genutzt. Da kann man sehr exakt und oft ohne Reflektorschirme auf den Zielbereich ausrichten und auch alles drumherum weitgehend dunkel lassen.
    Da fällt mir ein, ich muss noch unseren Elektriker dran erinnern, die Parkplatzbeleuchtung bis zum Winter auszurichten.
    Die leuchten überall hin aber wenig auf den Parkplatz, ist auch nach Jahren noch niemandem aufgefallen.

  13. 63.

    In Dänemark hab ich das auch schon gesehen, allerdings ohne Schalter, vollautomatisch. Wenn man sich dem Fußgängerübergang nähert, werden die Autos angehalten und man bekommt grün. Wenn kein Fußgänger und kein Auto da sind, ist die Ampel aus. Auch tagsüber.
    Kappeln ist ja quasi Dänemark, daher naheliegend dass die ähnlich clever sind.
    Im restlichen Deutschland müsste man aber wahrscheinlich in einem mehrjährigen behördlichen und parlamentarischen Vorgang die RILSA ändern. Richtlinie für Signalanlagen.

  14. 62.

    Ok, dann rebellieren wir jetzt, sparen aus den anderen von ihnen genannten Gründen, haben den gleichen positiven Effekt und streiten uns nicht. Deal?

  15. 61.

    Es wurde sich pragmatisch rumgemogelt, das zugegeben. Da sind alle Seiten dran beteiligt.

  16. 60.

    Was mich an der Sache stört, daß gespart werden muss weil wir in Kriegszeiten leben.Anderee Gründe wie Licht Verseuchung und Schutz der Tiere jederzeit.
    Aber Deutschland befindet sich nicht im Krieg, Unterstützung durch Sanktionen aus humanitären Gründen ja,ansonsten befinden wir uns im Status eines Waffenstillstands.Laut meine länger zurück liegenden Schulbildung,woran aber nur unwesentlich kaum etwas geändert wurde.Friedensvertrag gesamt Deutschland 4 Mächte ??

  17. 58.

    Eine Differenzierung wäre eine Riesenchance: Was wird wo aus welchen Gründen in welcher Intensität beleuchtet? Anstatt pauschal zu sagen, dass die maximalste Beleuchtung die beste sei oder gar Plattitüden hochzuhalten von der "City of Lights" oder "die Stadt, die niemals schläft" und das an der Menge des Lichts zu messen.

    So differenziert rangegangen, sähe Manches anders aus:
    Auf dem obigen Foto ist zu erkennen, dass der Alexanderplatz und das Areal das Areal westlich der Spandauer Straße die hellste Beleuchtung aufweist, keineswegs aber die dezente Beleuchtung historischer Gebäude, bei der eine Überstrahlung im ästhetischen Sinne kontraproduktiv wäre.

    Alles sollte spezifisch für sich selbst betrachtet werden und nicht mit einem Fingerzeig auf andere: Bis wann ist eine Beleuchtung sinnvoll? In Fulda leichter handzuhaben als in Berlin. Potsdam bspw. läge dazwischen.

    Nicht das Maximalste ist sinnvoll, sondern das Minimalste. Das Nichtige hingegen auch nicht.

  18. 57.

    Apropos "Ampeln aus". In Kappeln eine schöne Lösung gesehen. Generell ist die Lichtorgel aus, außer der Bedarfsschalter für Fußgänger wird gedrückt. Die "Lightshow" läuft einmal durch, man kommt gut über die Straße und danach ist wieder duster. Läuft prima. Allerdings sind die Leute dort auch entspannter.

  19. 56.

    "Insekten tummeln sich zuerst im Licht der Straßenbeleuchtung, um dann in deren Hitze zu verenden."

    Bei mir in der Straße wurden vor einiger Zeit die Laternenköpfe ausgetauscht und gegen Neue mit LED ausgetauscht.
    Das Gute: Die Dinger sind nicht so heiß und die Insekten verenden daran nicht so schnell. Die Fledermäuse haben das auch schon als Futterquelle erkannt und kreisen um die Laternen zur Nahrungsaufnahme. Der Nachbar aus der ersten Etage braucht Nachts gar kein Licht mehr einschalten.
    Das Schlechte: Die scheinen immer noch in die Bäume rein (jetzt sogar noch heller) indem ja die Insekten schlafen wollen und so ziehen sie mehr Insekten an.
    Frage zum Artikel: Wie soll ein blindes Tier eigentlich von Licht abgelenkt werden? Was passiert da? Das hängt wohl eher mit dem Futter zusammen vermute ich.

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