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Audio: Antenne Brandenburg | 18.10.2022 | Björn Haase-Wendt | Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt

Hohe Kosten für Energie, Futter, Tierärzte

Brandenburger Tierschutzvereine sehen ihre Existenz bedroht

Gut 60 Tierheime und Tierschutzinitiativen betreuen in Brandenburg herrenlose und abgegebene Tiere. Doch sie schlagen Alarm. Nicht nur, dass sie maßlos überfüllt sind, jetzt kommen explodierende Kosten für Futter, Energie und den Tierarzt dazu. Von Björn Haase-Wendt

Mit großen Augen gucken die kleinen Kätzchen durch die Gehege des Prignitzer Tierschutzvereins. Anja Bandemer und ihre Ehrenamtlichen versorgen die Katzen und kommen eigentlich kaum hinterher, denn die Perleberger Auffangstation wird immer voller.

Eigentlich ist sie für maximal 50 Tiere ausgelegt, derzeit werden aber um die 80 Katzen versorgt. "Darunter sind 68 Kitten, kleine Katzen bis zu drei, vier Monate alt", sagt Anja Bandemer. Die hohe Auslastung aber vor allem die gestiegenen Preise bringen die Tierschützer an die Grenzen des Machbaren.

Alles wird teurer, rechnet die Vereinsvorsitzende vor – egal ob Energiekosten, Miete, Futter oder auch der Tierarztbesuch. So kommt der Prignitzer Tierschutzverein schnell auf monatliche Fixkosten von 4.000 bis 5.000 Euro. "Das steigt alles weiter ins Utopische, das ist nicht mehr zu schaffen", sagt die Prignitzerin.

Anja Bandemer | Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt

Tierarztkosten deutlich gestiegen

Sorgenvoll blicken Tierschützer wie Anja Bandemer und auch Rico Lange, der Vorsitzende des Landestierschutzverbandes Brandenburg, in den November. Dann gilt bundesweit die neue Gebührenordnung für Tierärzte. Eine Untersuchung einer Katze mit Beratung wird um mehr als 160 Prozent teurer. "Ja die Sätze wurden viele Jahre nicht angepasst und die Tierärzte haben ein Recht darauf – aber das kommt für uns gerade zu einer echt bescheidenen Zeit", sagt Lange, der fürchtet, dass einige Tierschutzvereine die nächsten Monate nicht überstehen werden.

Das sieht auch Peter Lenz aus Neuruppin so. Der Vorsitzende des Tierschutzvereins Ostprignitz-Ruppin sagt, dass der Verein im ersten Halbjahr dieses Jahres 50.000 Euro an Tierarztkosten aufbringen musste, hinzu kämen Kosten für Benzin für die Fahrzeuge, Futter und Co. Die Tierschützer aus Ostprignitz-Ruppin versorgen ebenfalls vorrangig Katzen, aber auch Hunde, Igel, Schwäne und sonstige Tiere, die niemand mehr haben will oder die verletzt aufgefunden wurden.

Peter Lenz | Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt

Spendenbereitschaft sinkt

Die Tierschützer, die sich zum Großteil aus Spenden finanzieren, stehen vor einer weiteren Herausforderung. Durch die Inflation würde auch die Spendenbereitschaft sinken. "Wir hatten das schon einmal in der Coronazeit", sagt Peter Lenz. Wird die Entwicklung nicht bald gestoppt, müsste der Ostprignitz-Ruppiner Tierschutzverein die Reißleine ziehen. "Das ist ganz einfach, dann können wir einpacken."

Dabei sind die Neuruppiner Tierschützer schon in einer besseren Lage als etwa die Perleberger Ehrenamtler. Immerhin übernehmen Städte und Gemeinden wie Neuruppin, Kyritz oder Wusterhausen/Dosse einen Teil der Kosten. "Um die 20 bis 30 Prozent", sagt der Vereinsvorsitzende. Damit es für die Tierschützer weitergeht, gibt es derzeit Gespräche mit den Kommunen über eine mögliche Erhöhung der Unterstützung. Denn schließlich übernimmt der Tierschutzverein Aufgaben der Verwaltungen. "Es ist ja eine Aufgabe der Ordnungsämter die Versorgung von Fundtieren sicherzustellen", sagt Peter Lenz und fügt hinzu, wenn es den Tierschutzverein nicht mehr geben würde, dass die Kommunen das selbst übernehmen müssten. "Das können sie aber weder finanziell noch personell."

Minister besucht Tierheim Falkensee

Tierschutzbund fordert mehr Geld für überfüllte Tierheime

Landestierschutzbund fordert mehr Unterstützung

Auch der Brandenburger Landestierschutzbund fordert von den Städten und Gemeinden, den Kreisen und vom Land mehr finanzielle Unterstützung. Der Landesvorsitzende Rico Lange erlebt derzeit ein hin- und herschieben der Verantwortung zwischen den unterschiedlichen Ebenen. "Uns ist es fast schon egal, wo das Geld herkommt. Wir übernehmen die Aufgabe und das muss bezahlt werden – das findet derzeit nicht statt", ist Lange empört. Dabei gebe es Initiativen, die zeigen, dass unkomplizierte Hilfe möglich sei.

Der Landkreis Dahme-Spreewald ist aus Rico Langes Sicht ein Vorzeigebeispiel. Erst vor wenigen Wochen hatte der Kreistag dort beschlossen, die örtlichen Tierheime ab dem kommenden Jahr insgesamt mit bis zu 50.000 Euro zusätzlich zu unterstützen. Damit sollen die Personalkosten abgedeckt werden. Außerdem gibt es zusätzliche Gelder für die Tierschutzvereine zur Kastration von freilebenden herrenlosen Katzen. "Dahme-Spreewald hat das Problem deutlich erkannt und da passiert eine Menge, das sieht in anderen Landkreisen aber schon ganz anders aus", sagt Rico Lange.

Auch das Land müsse aus Sicht des Landestierschutzverbandes unkomplizierter helfen. Zwar gebe es Förderungen für Investitionen in den Tierheimen oder Kostenerstattungen für die Kastration von Katzen. Allerdings seien diese für die Ehrenamtler oft zu kompliziert und bürokratisch: "Wo unsere Tierschützer, die an der praktischen Basis sitzen, acht bis zwölf Seiten ausfüllen müssen, um an 1.000 Euro ranzukommen. Das ist natürlich sehr umfangreich", kritisiert Lange.

"Platzen aus allen Nähten"

Tierheim Berlin verhängt Aufnahmestopp wegen vieler ausgesetzter Tiere

Ab sofort können keine Haustiere mehr im Tierheim Berlin abgegeben werden. Es wurde ein Aufnahmestopp verhängt. Die Einrichtung begründet die Maßnahme mit der Urlaubszeit - und den Auswirkungen des durch Corona ausgelösten Haustier-Booms.

Ministerium will Hilfen in den Blick nehmen

Das Brandenburger Sozial- und Verbraucherschutzministerium, das für den Tierschutz zuständig ist, ist sich der angespannten Situation der Tierheime durchaus bewusst und denkt über Lösungen nach, etwa im Rahmen des von der rot-schwarz-grünen Koalition angekündigten Brandenburg-Paketes. Mit rund zwei Milliarden Euro soll damit zur Entlastung der Brandenburger aufgrund der steigenden Energie beigetragen werden. "In der Erarbeitung werden wir auch die Tierheime in den Blick nehmen", sagte ein Ministeriumssprecher. Allerdings seien noch Abstimmungen mit dem Bund notwendig, damit es keine doppelten Förderstrukturen gebe.

Die Brandenburger Tierschutzvereine und -initiativen hoffen indes auf schnelle Hilfen, denn in einem sind sie sich sicher: In den kommenden Monaten werden sie noch stärker gefragt sein, wenn sich viele Brandenburger aufgrund der Lebenshaltungskosten ihr Haustier nicht mehr leisten können.

Sendung: Antenne Brandenburg, 18.10.2022, 15:30 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

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