Waldweiden - Hufgetrampel für Biodiversität und Waldbrandschutz

So 22.10.23 | 13:45 Uhr | Von Andreas Heins
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Przewalskipferde auf einer Waldweide in der Döberitzer Heide (Quelle: Heinz Sielmann Stiftung/Ingolf König)
Przewalskipferde in der Naturlandschaft Döberitzer Heide | Bild: Heinz Sielmann Stiftung/Ingolf König

Ein Wald, in dem Kühe Laub fressen oder Pferde an Rinden und Zweigen knabbern: Diese alte Art der Weidehaltung wird gerade wiederentdeckt. Auch wenn es ungewöhnlich scheint, sie hat Vorteile für die Natur und uns Menschen. Von Andreas Heins

Ganz Germanien war mit dichten, düsteren Wäldern bedeckt - dieses Urteil des römischen Geschichtsschreibers Tacitus bestimmt das Bild von unserem Wald seit Jahrhunderten. Dass unsere natürliche Landschaft wesentlich dynamischer und abwechslungsreicher gestaltet ist, diese Erkenntnis hat sich erst in jüngerer Zeit in der Wissenschaft durchgesetzt. Nicht nur Windwurf, Überschwemmungen und andere Wetterphänomene sorgten immer wieder für neue lichte Flächen im Wald – auch Wisente, Wildpferde und Auerochsen gestalteten die Landschaft um.

Mit zunehmender Bevölkerungsdichte verschwanden die großen Pflanzenfresser aus den Wäldern und wurden durch Nutztiere ersetzt. Dass Rinder und Pferde nicht nur gerne Gras fressen, sondern sich auch von Rinde und Blättern ernährt haben, ist fast in Vergessenheit geraten. Dabei ist die Viehhaltung auf Waldweiden, sogenannten Hutewäldern oder Allmenden, eine der ältesten Formen der Landwirtschaft.

Lichte Stellen für mehr Biodiversität

Von den großen Pflanzenfressern im Wald sind nur Hirsche, Rehe und Wildschweine übriggeblieben. Wölfe werden noch toleriert, aber freilaufende Wisente und wilde Rinder im Wald können sich heute nur wenige vorstellen. Im Naturschutz gibt es jedoch kaum noch Vorbehalte gegen die Nutztiere im Wald. Die Erkenntnis: Unsere Wälder brauchen nicht nur Flächen mit Totholz, um die Biodiversität zu erhalten, sondern auch lichte Stellen.

Wisente auf einer Waldweide in der Döberitzer Heide (Quelle: Heinz Sielmann Stiftung/Sebastian Hennigs)Urviecher: Wisente leben in der Naturlandschaft Döberitzer Heide

Die großen Pflanzenfresser gestalten das Gelände durch Verbiss und Tritt um und schaffen so ständig neue ökologische Nischen für Pflanzen und Tiere. Aus Gründen des Naturschutzes werden deshalb auch in Berlin und Brandenburg Waldweiden neu angelegt.

Zu den größten gehören die Naturlandschaft Döberitzer Heide (Havelland) sowie der Hobrechtswald. Die Döbritzer Heide auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in der Nähe von Elstal wird von der Heinz-Sielmann-Stiftung betreut. Wisente und wilde Pferde laufen frei durch die geschützte Landschaft. Im Nordosten Berlins befindet sich der Hobrechtswald, wo das Landesforstamt Berlin extensive Waldweide mit Pferden und Rindern betreibt.

Ende des 18. Jahrhunderts war der Wald zerstört

Vom Mittelalter bis zum Beginn der Industrialisierung nahm nicht nur der Bedarf an Weideflächen, sondern auch der Bedarf an Holz zu. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatten Abholzung aber auch Überweidung fast alle größeren Waldgebiete in Mitteleuropa zerstört. Als Konsequenz begann man mit der Trennung von Agrarlandschaft und Forstgebieten. Mit großangelegten Wiederaufforstungen sollte der "natürliche" Zustand wiederhergestellt werden.

Nicht nur viele unserer Vorstellungen von Wildnis und die Vorbehalte gegen die Waldweide stammen aus dieser Zeit, auch in der Gesetzgebung schlägt sich die Trennung von Forst- und Landwirtschaft bis heute nieder.

Mehr als nur Naturschutz

Dennoch: Die Waldweide kommt zurück. Sie eignet sich nicht nur als Mittel der Landschaftspflege und zum Erhalt der Biodiversität. "In Australien, den USA und im Mittelmeergebiet setzt man die Tiere gezielt auf bestimmten Flächen ein, um bestimmte Ziele in der Landschaftspflege zu erreichen", sagt die Agrarmanagerin Juliane Baumann. "Das nennt sich 'Targeted Grazing'. Die gezielte Beweidung wird beispielsweise zur Eindämmung invasiver Pflanzenarten, gegen sich ausbreitende Pflanzenkrankheiten und eben auch als Waldweide zur Waldbrandverhütung angewendet."

Baumann berät Gemeinden in der Waldbrandprävention, unter anderem auch die Stadt Beelitz. Dort sind erstmalig in Deutschland beweidete Schutzstreifen geplant.

In den 1970er Jahren erkannten französische und israelische Wissenschaftler, dass zwischen dem Rückgang der traditionellen Schaf- und Ziegenhaltung im Mittelmeerraum und der Zunahme verheerender Waldbrände ein Zusammenhang besteht. Die Tiere weiden unter dem Schirm der Bäume die Bodenvegetation ab und sorgen dafür, dass keine gefährlichen Vollfeuer entstehen, die sich unkontrolliert großflächig ausbreiten.

Schafherde auf einer Waldweide in der Döberitzer Heide (Quelle: rbb/Sebastian Hampf)Bio-Rasenmäher: Schafe erzeugen natürliche Brandschutzschneisen

Es geht darum Beweidung gezielt einzusetzen, an besonders gefährdeten Orten oder in Pufferzonen rund um Ortschaften.

Juliane Baumann, Agrarmanagerin

Gezielte Beweidung als Waldbrandprävention

In vielen südeuropäischen Ländern ist diese Methode der Waldbrandprävention durch Beweidung bereits erfolgreich erprobt, in Deutschland dagegen noch neu. "Dabei geht es nicht um flächendeckende Waldweiden", sagt Juliane Baumann. "Einige Flächen bieten kein ausreichend gutes Nahrungsangebot für die Tiere. Es geht darum Beweidung gezielt einzusetzen, an besonders gefährdeten Orten oder in Pufferzonen rund um Ortschaften."

In der DDR wurden regelmäßig 25 bis 50 Meter breite Streifen entlang der Straßen vom Unterholz befreit und ausgelichtet, damit das Feuer nicht überspringen konnte. "Nach der Wende wurde dieser systematisch angelegte Waldbrandschutz vernachlässig, so dass in den letzten 20 Jahren die sogenannten Waldbrandschutzstreifen fast vollständig verlorengegangen sind", so Juliane Baumann.

"Neue Waldweiden könnten genutzt werden, um diese Schutzstreifen wieder einzuführen", so Baumann weiter. "Rechtlich wäre das mit Erlaubnis der zuständigen Behörden möglich, es geht ja nicht darum den Wald in landwirtschaftliche Flächen umzuwandeln, sondern um Waldbrandschutz. Aus Naturschutzgründen werden auch immer wieder Genehmigungen erteilt." Die moderne Waldweide zur Waldbrandprävention anzuwenden habe besonders in Deutschland ein großes Potential, sagt Baumann. "Man hat hier bereits Praxiserfahrungen mit der Beweidung im Naturschutz gesammelt, die man genauso gut zum Waldbrandschutz anwenden kann."

Beitrag von Andreas Heins

14 Kommentare

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  1. 14.

    "Weidetierhaltung dient heute eben nicht mehr zum Broterwerb durch Fleisch und Wolle sondern ist eine Dienstleistung zur Landschaftspflege." Also das ist selbst mir neu - naja, man lernt nie aus ;-).
    User Matthias liegt völlig richtig mit "zusätzliches Geschäftsmodell". Wenn sie in diesem Bereich selbstständig sind oder waren sollte ihnen die Wichtigkeit verschiedener "Standbeine" bekannt sein - also eine Standbeindiversität. Unser Staat neigt leider zunehmend zur Überregulierung und der Behördendschungel ist dichter als der Regenwald. Damit wird jegliche Dynamik gebremst und Kreativiät erstickt. Vom "schlanken Staat" sind wir weiter entfernt wie von jedweden Klimaziel.

  2. 13.

    Das ist doch genau das Thema. Weidetierhaltung dient heute eben nicht mehr zum Broterwerb durch Fleisch und Wolle sondern ist eine Dienstleistung zur Landschaftspflege. Da diese unstreitig sinnvoll ist, um die Biodiversität zu erhalten, aber zunehmend auch Waldpflege zu betreiben, sehe ich den Staat in der Pflicht, diese Dienstleistung "einzukaufen".
    Leider kollidieren solche Ideen aber durchaus nicht so selten mit anderen Vorstellungen von Naturschutz. Es gibt durchaus Vertreter, die meinen, die Natur müsse das von ganz alleine regeln und ein Eingreifen habe zu unterbleiben. Am ausgeprägtesten mag das in den Nationalparks sein, dort ist es aber nur das Extrem dieser Haltung. Die Brände in der Sächsischen Schweiz haben gezeigt, dass das kurzsichtig ist. Im Harz sieht es nicht besser aus. Möge dort kein Großbrand ausbrechen, der läuft dei der Brandlast einmal quer durch. Man kann m.M.n. nicht von einem Extrem ins andere verfallen.

  3. 12.

    Ja aber früher hat sich Waldweide eben für den einzelnen gelohnt, weil Fleisch und Wolle eine andere wirtschaftliche Bedeutung hatten als heute wo industrielles Fleisch und synthetische Textilien billig weil Massenware sind.
    Mit der staatlich gestützten Zusatzaufagbe Waldbrandvorbeugung kommt aber nun ein zusätzliches Geschäftsmodell ins Rennen, weil uns dieses Thema insbesondere in BRB nunmal die nächsten Jahrzehnte beschäftigen wird. Nur als Waldpflege war es ebenfalls kaum tragbar dank der Unmengen an Wald die BRB zu bieten hat.
    Und daraus entwickeln sich auch Konzepte von denen Sie hier schrieben aber selbst nicht wissen ob diese an den richtigen Stellen vorhanden sind. Hier an der Oder funktioniert das seit einiger Zeit recht gut, hab erst heut reichlich Schafscheiße aus dem Fahrradreifen gespült.
    Das Naturschützer etwas dagegen haben, hab ich noch nie wahrgenommen.
    Naturschutzbehörden sind größte Anhänger von solchen Schneisen und Lichtungen.

  4. 11.

    Grundsätzlich ist es auch immer noch korrekt, dass der Staat sich nicht direkt einmischen soll sondern Leitplanken setzen. Da die Pflege der Natur aber im gesellschaftlichen Interesse ist, ist es auch richtig, dass die Gesellschaft als Ganzes ihren Beitrag dazu leistet. Das tut sie bei Kindertagesstätten und Schulen schließlich auch und niemand verlangt da, dass der Staat sich raushalten soll. Tun Sie bitte nicht so, als würde allenthalben der neoliberale Staat gefordert, der sich aus allem raushält und entweder man kann für alles selbst zahlen oder geht unter. Das gibt es nicht und das will auch niemand.

  5. 10.

    "... und, liebe Veganer / Vegetarier, nicht nachmachen, ihr habt 'n anderes Verdauungssystem" - der ist gut.....
    So gut es die Veganer meinen, denen kann man tatsächlich eine Menge zutrauen ;-)

  6. 9.

    So lange im Umweltausschuss des Landtages das Bellen von Herdenschutzhunden an Wochenenden auf die Tagesordnung genommen wird, braucht gar nicht erst über diese für Mitteleuropa fragwürdigen Methoden des Waldbrandschutzes nachgedacht zu werden.

    Vielleicht sollte in waldnahen Siedlungen zunächst etwas gegen Waldverschmutzung/ illegale Grünschnittentsorgung getan werden (z.B. mehr Forstpersonal zur Einhaltung des Waldgesetzes) bevor viel Geld in ominösen Landschaftspflegeeinrichtungen versickert.

  7. 8.

    Schönes Projekt. Das die große Pflanzenfresser als Landschaftspflege eingesetzt werden. Frei nach dem Mosaik-Zyklus-Konzept, brechen sie vorhandene Strukturen auf, so dass die Vegetation in ihren unterschiedlichen Formen und Entwicklungsstadium zu der Verjüngung führt. Die es dann gegen Vektoren, ob schädlich oder nicht, stabilisiert. Da der Markt nicht alles regelt, Begriff: Marktversagen, muss ein Akteure das Projekt anschieben, hier als Staat der den Rahmen setzt.

  8. 7.

    Nun sind die Weidetiere aber Pflanzenfresser, also ernähren sich fast schon vegan, wenn man von der ein oder anderen Steinlaus mal absieht. Die Sch... kann also als Dünger und Lebensraum für andere Tiere liegen bleiben. Vll. klebt mal was am Sneeker, Pech, auf den Weg, nicht aufs Handy schauen.

    ... und, liebe Veganer / Vegetarier, nicht nachmachen, ihr habt 'n anderes Verdauungssystem.

  9. 6.

    Hier ist der Staat gefragt, diese Weidehaltung als Teil der Naturpflege zu begreifen und finanziell als Landschaftspflege zu unterstützen. "
    Nachdem uns jahrzehntelang eingebläut wurde, der Staat solle sich gefälligst aus allem raushalten und die Privaten mal machen lassen-die können alles besser, schöner und billiger- wird heute allenthalben nach dem Staat gerufen.

  10. 5.

    Das hat nichts mit "unserer heutigen Gesellschaft" zu tun, die ja ach so rücksichtslos agieren würde. Es ist nun mal eine Tatsache und das war auch in früheren Zeiten schon so, dass sich die Aktivitäten für den Einzelnen am Ende auch auszahlen müssen. Die Waldweidehaltung oder auch die Schäferei, die der wichtigste Faktor für die Entstehung von Heidelandschaften war und ist, ist finanziell ein Verlustgeschäft, weil Wolle oder Schaffleisch kaum nachgefragt sind. Hier ist der Staat gefragt, diese Weidehaltung als Teil der Naturpflege zu begreifen und finanziell als Landschaftspflege zu unterstützen. Mit allem, was dazu gehört, auch Hütehunde zum Schutz. Leider gibt es immer noch kein Gesamtkonzept dafür oder es wird gar aktiv bekämpft, weil viele Natur"schützer" das Konzept und die Wichtigkeit schlicht nicht begreifen. Der Mensch hat die Natur bereits derart massiv verändert, dass er an vielen Stellen helfend eingreifen muss, natürlich mit Augenmaß.

  11. 4.


    Ach ja, ein weiterer Grund künstlich geschaffen den bösen Wolf 'zu entnehmen' werden wir bald wieder dem RBB etc entnehmen. Und wieder kümmert sich keiner um die arme Steinlaus.
    P.S. Wird auch ordnungsgemäß die Sch... entfernt und ist das Wildpinkeln denn nicht verboten?

  12. 3.

    Das Problem dürfte sein, dass in unserer Gesellschaft alles monetär darstellbar sein muss.
    Also irgendein wirtschaftliches Betreibermodell aufgestellt erden muss.
    Durch das zunehmende kalkulierbare Erleben von Schäden durch unsere eigene und unserer Vorfahren Dummheit im Umgang mit unseren Ressourcen wird die Behebung/Verminderung dieser Schäden immer öfter wirtschaftlich kalkulierbar.
    Mangels besserer Ideen besinnen sich zum Glück einige noch alten vorindustriellen erprobten "Technologien" und versuchen diese nun wieder zu reaktivieren.
    Ohne Frage guter Ansatz, nur neue Technologie wird akute und die zukünftigen Probleme nicht lösen.

  13. 2.

    Ich habe mich mal über die Waldweiden bzw Huteweiden informiert und diese Form der Landschaftspflege ist ja schon uralt. Sehr spannend :) Aber es ist wie immer, die Sachen, die früher einfach logisch waren, sind entweder nach und nach in Vergessenheit geraten, oder durch die Monokultur im Wald zerstört worden. Ich kann mir nicht helfen. Ich finde in großen Teilen sollte man sich ruhig ab und an auf die "alten Sachen" besinnen. Einfach mal "Hutewald Hessen" Bilder eingeben, einfach schön

  14. 1.

    Ganz am Rande tut dies auch dem Boden richtig gut. Wenn die Tiere nicht ständig ortsfest sind, wird durch das Abgrasen der Wachstumsreflex der Gräser und Kraüter gefordert. Die Wurzelbildung wird angeregt. Der Boden ist tiefer verwurzelt. Das finden die ollen Regenwürmer richtig klasse. Diese "Tunnelbauer" sorgen mit ihren Röhren für eine noch leichtere Verwurzelung. Insegesamt wird der Boden nährstoffreicher und wasserdurchlässiger. Beim nächsten Platzregen bleibt die Krume da wo sie hingehört. WIn-Win auf der ganzen Linie.

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